Deutschland steht möglicherweise die nächste große Einwanderungswelle bevor. Die Ursache für diese Migration sind nicht so sehr Kriege oder Bürgerkriege, sondern die sich verdunkelnde globale Jobsituation. Alles in allem soll sich der weltweite Arbeitsmarkt 2017 zwar robust entwickeln, doch unter der Oberfläche gibt es einige negative Trends.

Vor allem in Afrika, Südamerika und Asien reicht die Zahl der neu geschaffenen Stellen aller Voraussicht nach nicht aus, um die Millionen junger Menschen aufzunehmen, die neu auf den Arbeitsmarkt strömen. Das geht aus Zahlen hervor, die die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) mit Sitz in Genf jetzt vorgelegt hat. In ihrem Ausblick rechnen die Ökonomen der Organisation für 2017 mit 3,4 Millionen Menschen mehr in Arbeitslosigkeit weltweit. Die Gesamtzahl der Menschen ohne Erwerbstätigkeit dürfte demnach im neuen Jahr 201 Millionen erreichen, 2018 sollen weltweit dann weitere 2,7 Millionen Arbeitslose dazu kommen.

Hauptgrund für die Zunahme ist die angeschlagene Weltwirtschaft. Für 2017 ist den Forschern zufolge mit einem globalen Wirtschaftswachstum von unterhalb des langfristigen Trends zu rechnen. Im Moment sagen Ökonomen nur noch ein Plus von 3,4 Prozent voraus. Vor Jahresfrist schien noch ein Wachstum von beinahe vier Prozent machbar.

Beschäftigungsmöglichkeiten in Afrika reichen nicht aus

Beispiel Afrika. Den Prognosen der Genfer Wissenschaftler zufolge werden dort 2017 zwar Hunderttausende neue Jobs entstehen, die Beschäftigungsmöglichkeiten reichen aber nicht aus, um die Millionen von jungen Menschen aufzunehmen, die in den bevölkerungsreichen Staaten eine Beschäftigung aufnehmen wollen. So dürfte die Arbeitslosigkeit auf dem Kontinent zwar bei acht Prozent verharren, die absolute Zahl der Menschen, die auf Jobsuche sind, dürfte aber von 37,1 Millionen auf 38,3 Millionen nach oben schnellen. Allein in Nordafrika sind neun Millionen ohne Arbeit.

2,568 Millionen Deutsche im Dezember ohne Arbeit

Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im Dezember um 36.000 auf 2,568 Millionen gestiegen. Das sind 113.000 Erwerbslose weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote stieg auf 5,8 Prozent.

Quelle: Die Welt/ Matthias Herreiner

In ihrem Ausblick untersucht die ILO nicht nur die eigentliche Arbeitsmarktsituation, sondern auch die soziale Situation von Arbeitnehmern und Jobsuchenden. Hier konstatieren die Experten einige Verbesserungen. So setzt sich der Trend fort, dass der Anteil der Menschen, die trotz Erwerbstätigkeit arm sind, zurückgeht. Die Quote der „working poor“ soll von 2016 auf 2017 von 29,4 auf 28,7 Prozent sinken.

Doch es gibt es auch einige beunruhigende Trends, vor allem in neuralgischen Regionen, die unter Gewalt und politischer Instabilität leiden. Erschwerend hinzu kommt die Rohstoffbaisse, die vor allem Exporteure von Erzen und anderen Grundstoffen der Industrieproduktion in Afrika, Asien und Südamerika besonders trifft. Ländern wie Tunesien macht auch der Einbruch des Tourismus zu schaffen. Wie groß die Malaise in manchen Regionen ist, macht dabei die Auswertung einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup Analytics deutlich.

Die Migrationsneigung steigt beinahe überall

In Afrika – südlich der Sahara – wären demnach rund ein Drittel aller Menschen bereit, ihr Heimatland zu verlassen. In Lateinamerika und in der Karibik sieht es ähnlich aus. Einen starken Anstieg der Migrationsbereitschaft verbuchen die Statistiker nicht zuletzt in Nordafrika. Mehr als ein Viertel aller Menschen über 15 Jahren spielt mit dem Gedanken auszuwandern.

Quelle: Infografik Die Welt

Auf der positiven Seite ist zu vermerken, dass die Gefahr von sozialen Unruhen in Nordafrika zurückgegangen ist. Zugenommen hat die gesellschaftliche Unzufriedenheit hingegen in den arabischen Staaten sowie in den Ländern südlich der Sahara. Die Forscher betonen zwar, dass Auswandern nicht unbedingt Auswandern nach Europa bedeutet, angesichts der schwachen Wirtschaft in fast ganz Afrika dürften die Europäische Union das bevorzugte Ziel der meisten Migranten sein, und innerhalb der EU vor allem Deutschland als größte und stärkste Volkswirtschaft.

Quelle: Infografik Die Welt

Tatsächlich kontrastiert der eher düstere Ausblick mit der blendenden Arbeitsplatzsituation hierzulande. In der Bundesrepublik sind in den vergangenen zehn Jahren mehr als drei Millionen neue Jobs entstanden. Deutschland ist eine der wenigen großen Industrienationen, in denen die Tendenz fast durch die Bank weg positiv ist.

In den meisten EU-Staaten ist die Jobsituation schlecht

In anderen EU-Staaten ist das Frustrationspotenzial weiterhin groß. So hat sich zum Beispiel in Spanien die Zahl der Arbeitsplätze 2016 um fast 400.000 erhöht, doch viele junge Menschen können nicht der Tätigkeit nachgehen, für die sie ausgebildet sind.

Auch sind die Verträge und Bedingungen keineswegs immer optimal. Nach der Erhebung der ILO arbeiten fast zwei Drittel der Spanier in Teilzeit, obwohl sie eigentlich lieber Vollzeit arbeiten möchten. In Italien, Zypern und Griechenland war der Anteil der unfreiwillig Teilzeit-Arbeitenden sogar noch höher.

Quelle: Infografik Die Welt

Hier wie anderswo in Europa wird Dauerarbeitslosigkeit zum Problem. In der EU lag der Anteil der Arbeitslosen, die mindestens zwölf Monate auf der Suche nach einem Job waren, nach ILO-Angaben 2016 bei 47,8 Prozent. Das war eine markante Steigerung gegenüber 2012, als erst 44,5 Prozent der Jobsuchenden Dauerarbeitslose waren. „Mehr als zwei Drittel der Betroffenen waren schon länger als zwei Jahre arbeitslos“, stellen die ILO-Experten fest. Zusammengerechnet sind das in Europa sechs Millionen Menschen. Als Abhilfe empfehlen die Genfer neue Konjunkturprogramme, sofern die fiskalischen Spielräume das zulassen.

https://www.welt.de/wirtschaft/article161128728/Starker-Anstieg-der-Migrationsbereitschaft-in-Nordafrika.html