Wie man Drohnen vom Himmel holt
Vorfall vor dem Weissen Haus
In der Schweiz braucht es für den Betrieb von ferngesteuerten unbemannten Flugobjekten (UAV) mit einem Gewicht von bis zu dreissig Kilo keine Bewilligung. Dabei muss der «Pilot» jederzeit direkten Augenkontakt zu seinem Flugkörper haben und darf ihn nicht über Menschenansammlungen steuern. Andere Länder kennen vergleichbare Bestimmungen. Doch die rasante technische Entwicklung in diesem Bereich und die wachsende Verbreitung dieser Fluggeräte stellen nicht nur den Gesetzgeber vor neue Herausforderungen. Weltweit werden inzwischen jeden Monat Hunderttausende von Kleindrohnen verkauft.
Mit Kameras ausgestattete Quadrocopter als ungebetene Gäste über Privatgrundstücken mögen hinsichtlich Schutz der Privatsphäre problematisch sein, doch die Vorstellung eines Schwarms von Drohnen, welche GPS-gesteuert einen Sprengsatz über Dutzende Kilometer zu einem Ziel bringen, eröffnet die Aussicht auf noch eine ganz andere Dimension von Gefahren. Eine Vorahnung davon lieferten Vorfälle wie derjenige im Januar 2015, als ein Quadrocopter auf dem Rasen vor dem Weissen Haus in Washington abstürzte, oder jener im April 2015, als eine Drohne mit radioaktivem Sand auf dem Dach des Amtssitzes des japanischen Ministerpräsidenten unbehelligt landete.
In der Schweiz verfolgt man beim Bundesamt für Zivilluftfahrt die Entwicklung aufmerksam. Bis jetzt sieht man dort aber noch keinen Bedarf für Massnahmen, die über die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen. Am ehesten fürchten sich Sicherheitsdienste weltweit vor der Verwendung von semiprofessionellen Drohnen für einen Anschlag. Die Nachfrage nach sogenannten Anti-UAV Defense Systems (AUDS) ist deshalb steil im Steigen begriffen.
Bevor eine Drohne überhaupt abgefangen werden kann, muss sie zunächst einmal lokalisiert werden. Das klingt banal, doch sind herkömmliche Radaranlagen dazu kaum in der Lage, weil sie auf das Erfassen kleiner und tief fliegender Objekte nicht eingestellt sind, während hochsensible Anlagen häufig Fehlalarme auslösen, wenn sich nur ein Blatt im Wind bewegt.
Nicht mit Vogel verwechseln
Eine alternative Methode besteht im systematischen Abhören des Luftraums zur Erfassung der akustischen Signatur von solchen Flugobjekten. Wenn in einer Datenbank die Geräusche aller handelsüblichen Drohnen gespeichert sind, kann der Computer innerhalb von Sekunden den Typ identifizieren. Doch dagegen gibt es akustische Gegenmassnahmen, die das System täuschen können. Also kommen auch optische Methoden infrage. Damit die Videotechnik Drohnen und Vögel auseinanderhalten kann, wurden Algorithmen entwickelt, die das unstete Muster der Flügelbewegungen von Vögeln vom ruhigen Flug einer Drohne unterscheiden können. Allerdings können neuartige Drohnen sich flatternd wie Vögel fortbewegen, was auch diese Methode unzuverlässig machen kann. Erfolgversprechender ist deshalb die gezielte Erkennung der Funksignale der Drohnensteuerung, die nebenbei auch die Ortung des «Piloten» am Boden erlauben würde. Das alles setzt aber voraus, dass die Drohne ferngesteuert und nicht vollständig autonom unterwegs ist. Zur Anwendung kommen dürfte deshalb in der Praxis einZusammenspiel von akustischen Trackern, speziellen Kameras, Infrarotsensoren und Funkscannern.
Mit Netz einfangen
Eine Drohne nach erfolgter Erkennung und Ortung einfach abzuschiessen, wird nicht in jedem Fall empfehlenswert sein, falls nicht kontrolliert werden kann, wo der Flugkörper oder Teile davon auf dem Boden auftreffen. Die Methode eines Herstellers sieht deshalb vor, die fremde Drohne mit dem Netz einer Abwehrdrohne einzufangen. Wesentlich praktischer wäre es aber, über Funk auf der entsprechenden Frequenz in die Steuerung der Drohne einzudringen und die Kontrolle über sie zu erlangen. Im Idealfall würde man sie dann einfach landen lassen und sicherstellen. Dies ist allerdings eine sehr komplexe Aufgabe: Die Fernsteuerung von Drohnen über Funk funktioniert mit einem ständigen und schnellen Wechsel der Frequenzen über ein ganzes Frequenzband hinweg. Damit kann Störungen etwa durch andere Sender effizient ausgewichen werden. Darauf von aussen trotzdem Einfluss zu nehmen, erfordert einen beträchtlichen Aufwand.
Das Wettrüsten von Angreifern und Abwehrmassnahmen, an dem sich auch die grossen Player der Branche beteiligen, scheint damit in Gang gesetzt: So arbeitet Airbus an Abwehrsystemen mit Störsendern, während Boeing eine tragbare Laserkanone entwickeln möchte. Das sonst vor allem in der Raumfahrt tätige amerikanische Unternehmen Aerospace Corp. forscht derweil über das Konzept eines «Geofencing», das heisst einer Art elektronischen Zauns, der einen ganzen Luftraum als No-fly-Zone vor dem Einflug von Drohnen schützen soll. Erfolgreich getestet wurde bereits das Eindringen in das Steuersystem einer Drohne unter erschwerten, aber gerade deshalb realistischen Bedingungen: nämlich in unmittelbarer Nachbarschaft eines vollbesetzten Sportstadions mit rund 100 000 Zuschauern, während dort also gleichzeitig rund 100 000 Handys, WLAN- sowie Funkanlagen und Frequenzen zur Kommunikation mit Satelliten in Betrieb waren. Dennoch soll es gelungen sein, innert nützlicher Frist die Kontrolle über das Gerät zu übernehmen.
Forrás: http://www.nzz.ch