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Warum Skandinavien den Rest Europas abhängt

Vom Rest Europas werden die Skandinavier gerne ein wenig belächelt. In der Vorstellung hausen dort tumbe Wikinger in schnuckeligen Katen, geistern Trolle durch leere Landschaften und die meiste Zeit des Jahres erstarrt sowieso alles unter dicken Lagen Schnee. Smörrebröd, Smörrebröd, römtömtömtöm.

Doch in Wahrheit bietet Skandinavien nicht nur beste Lebensqualität, was die Länder in entsprechenden Statistiken immer wieder auf die vordersten Plätze hievt. Die Gegend liegt auch wirtschaftlich ganz weit vorne.

Während der Rest Europas von Krise zu Krise taumelt, vor immer neuen Referenden und Parlamentswahlen zittert, geht es im Norden völlig unbeeindruckt davon konstant aufwärts – auch und gerade an den Aktienmärkten, die sich bei Investoren größter Beliebtheit erfreuen.

Aktien im Norden liefen doppelt so gut

So haben deutsche Aktien ohne Dividenden in den vergangenen fünf Jahren rund 60 Prozent zugelegt, dargestellt im sogenannten Kurs-Dax, der – anders als der herkömmliche Dax-Index – die Gewinnausschüttungen der Unternehmen außen vor lässt.

Der CMVINX-Index, in dem die 100 größten Unternehmen Norwegens, Schwedens, Finnlands und Dänemarks enthalten sind, brachte es dagegen im selben Zeitraum auf ein Plus von rund 120 Prozent, also doppelt so viel. Und mehr noch: Der Kurs-Dax steht heute da, wo er auch schon Anfang 2014 stand, in beinahe drei Jahren verzeichneten Anleger kein Plus mehr.

Während deutsche Aktien in den vergangenen fünf Jahren rund 60 Prozent zulegten, brachte es der CMVINX-Index auf ein Plus von rund 120 Prozent

Quelle: Infografik Die Welt

Wer dagegen sein Geld in Skandinavien liegen hatte, vermehrte es auch in diesem Zeitraum um die Hälfte.

„Auch wenn Skandinavien im Vergleich zu Gesamteuropa klein ist, finden Investoren dort ein reiches Angebot an sehr gut geführten Qualitätsunternehmen“, sagt Hagen-Holger Apel, Volkswirt und Portfoliomanager beim skandinavischen Vermögensverwalter DNB Asset Management.

Stabile Rahmenbedingungen

„Skandinavien profitiert von stabilen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, einem hohen Bildungsniveau und dem Zugang zu neuen Technologien.“

Bestes Beispiel ist die Platzierung der Länder im sogenannten Doing-Business-Index, einem Ranking, das alljährlich von der Weltbank aufgestellt wird. Sie prüft dabei, wie leicht oder schwer es in einem Land ist, ein Unternehmen zu gründen und zu führen – wie schwer es ist, eine Genehmigung zu erhalten, wie lange es dauert, einen Stromanschluss zu bekommen, wie kompliziert Bauanträge sind und vieles mehr.

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Quelle: Die Welt

Zuletzt lag hier Dänemark auf Rang 3, Norwegen auf Platz 6, Schweden weitere drei Plätze dahinter und Finnland auf dem 13. Listenplatz. Alle vier Länder waren also unter den besten 15 von 190 Staaten. Deutschland folgt erst auf Platz 17 – ganz zu schweigen von den anderen europäischen Staaten.

Unternehmen finden in Skandinavien also beste Bedingungen vor. Und gleichzeitig haushalten die Regierungen vorbildlich. Norwegen hat seit Jahren einen riesigen Haushaltsüberschuss, Schweden kommt auf eine schwarze Null.

Gewaltige Öl- und Gaseinnahmen

Dänemark weist ein kleines Defizit von etwa einem Prozent aus, und nur Finnland kommt auf ein Minus von 2,6 Prozent, was aber immer noch den Maastricht-Kriterien, die im Euro-Raum eigentlich gelten sollen, entspricht. Die Gesamtverschuldung der Staaten liegt zwischen 31 Prozent (Norwegen) und 64 Prozent (Finnland). Bezeichnenderweise sind die Finnen als einzige nordische Nation Mitglied der Euro-Zone.

Beeindruckendes Zahlenspiel: Der Norden steht gut da

Quelle: Infografik Die Welt

Die norwegische Zahl hingegen führt eigentlich in die Irre, denn tatsächlich hat das Land gleichzeitig riesige Vermögen in Staatsfonds angelegt. Das Geld stammt aus der Öl- und Gasförderung, die den Finanzminister in den vergangenen Jahrzehnten natürlich in eine besonders bequeme Lage versetzte.

Rund 20 Prozent der Wirtschaftsleistung beruhen auf diesem Sektor. Allerdings litt das Land in den vergangenen zwei Jahren auch entsprechend unter den zurückgegangenen Erdölpreisen. Hinzu kommt, dass rund ein Fünftel der Exporte des Landes nach Großbritannien gehen. Seit der Entscheidung der Briten, die EU zu verlassen, ist auch hier Unsicherheit zu spüren.

Allerdings kann die Regierung die in den vergangenen Jahren angehäuften Vermögen einsetzen, um gegenzusteuern. Bis zu vier Prozent des Pensionsvermögens darf sie jährlich entnehmen und investieren.

„Das Wachstum dürfte sich beschleunigen“

In diesem Jahr hat sie tatsächlich erstmals knapp 96 Milliarden Kronen (rund 10,6 Milliarden Euro) entnommen, im kommenden Jahr könnten es sogar 121 Milliarden Kronen (13,3 Milliarden Euro) werden.

„Das Wachstum dürfte sich beschleunigen“, prophezeit daher Helge J. Pedersen, Chefvolkswirt beim größten nordeuropäischen Finanzdienstleister Nordea. Das gelte nicht nur für die Wirtschaft außerhalb des Ölsektors, auch der Abwärtstrend bei den Ölinvestitionen lasse nach.

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Quelle: Neue Visionen

Anders dagegen ist sein Ausblick für das Nachbarland Schweden, dessen Konjunktur in den vergangenen beiden Jahren brummte, die sich nun aber abschwächen werde, so Pedersen. Im vergangenen Jahr legte die Wirtschaftsleistung um 4,1 Prozent zu, in diesem dürften es erneut rund 3,1 Prozent werden.

Einen Grund dafür hatte das Land zuletzt mit Deutschland gemeinsam. „Die Flüchtlinge, bei denen Schweden gemessen an der Bevölkerung zu den EU-Ländern mit der höchsten Aufnahmequote zählte, tragen über den Konsum und über staatliche Integrationsmaßnahmen zum Wachstum bei“, stellen die Volkswirte der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) fest.

Nokia wirkt noch nach

Dieser Effekt lässt nun aber nach. Hinzu kommt, dass die Zinsen steigen. Dies belastet vor allem private Immobilienbesitzer, sodass das Wachstum wohl auf zwei bis 2,5 Prozent zurückgehen wird – immer noch jedoch weit mehr als in den meisten anderen EU-Staaten.

Ähnlich ist die Lage in Dänemark, wo das Wachstum in den vergangenen Jahren allerdings eher gering war. Noch schwächer war es nur in Finnland, das 2014 sogar eine Rezession durchlief. Hier wirkt immer noch der Absturz von Nokia nach.

In den Hochzeiten stand das Unternehmen für vier Prozent der Wirtschaftsleistung und zahlte 23 Prozent aller Unternehmensteuern. Davon ist kaum noch etwas übrig, allein die Exporte des Landes sind seit 2007 um zehn Prozent zurückgegangen.

Doch Finnlands Wirtschaft ist eben nur etwa halb so groß wie jene von Schweden oder von Norwegen. Und auch im CMVINX-Index kommen nur 16 Prozent der Firmen aus Finnland, 46 Prozent dagegen aus Schweden, 24 Prozent aus Dänemark und neun Prozent aus Norwegen.

Die Mischung sorgt dafür, dass die Schwäche der einen durch die Stärke der anderen ausgeglichen wird. Das ist vielleicht ähnlich wie in der Euro-Zone, wo die Stärke Deutschlands die Schwäche Italiens oder Frankreichs ausgleicht. Nur sind die Dimensionen hier weitaus größer – und leider auch die Probleme.

https://www.welt.de/wirtschaft/article160200911/Warum-Skandinavien-den-Rest-Europas-abhaengt.html

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