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In Köln haben Flüchtlinge jetzt Angst vor Karneval

Ängstliche Bürger rüsten nach Köln mit Pfefferspray und Gaspistolen auf, der Flüchtlinge wegen. Dabei gerät aus dem Blick: Auch Flüchtlinge haben Angst. Sollen sie zum Karneval gehen oder nicht?

In Köln haben Flüchtlinge jetzt Angst vor Karneval

Die Kölner Domplatte ist wieder das, was Speakers Corner einmal im Hyde Park war: Ein Treffpunkt auch des Protestes und der SelbstdarstellungFoto: dpa

Seit ein paar Tagen überbieten sich die Zeitungen, darunter auch die „Welt”, mit Nachrichten über Rekordverkäufe: Die Nachfrage nach Pfefferspray ist hoch wie nie, Gaspistolen und Elektroschocker sind vielerorts ausverkauft, die Anmeldezahlen für Selbstverteidigungskurse auf selten gekannte Höhen gestiegen.

Das alles, schreiben wir Journalisten, geschehe „nach den Vorfällen von Silvester in Köln”, was nichts anderes ist als eine elegantere Umschreibung für: aus Angst vor nordafrikanischen oder arabischen Männern. Oder vor Flüchtlingen?

Die Angst ist diffus, schließlich steht nach wie vor nicht fest, wie groß die Schnittmenge jener war, die beiden Attributen entsprechen: arabisch/nordafrikanisch und Flüchtling.

Trotzdem richtet sich das Unbehagen, vor allem in Großstädten wie Köln und gerade mit Blick auf die bevorstehenden Karnevalstage in rund drei Wochen faktisch gegen viele der jungen Männer, die seit dem vergangenen Sommer nach Deutschland gekommen sind.

Ausnahmezustand Karneval

Eines jedoch gerät in der gegenwärtigen Hysterie des Aufrüstens und der Selbstverteidigung komplett aus dem Blick: Auch Flüchtlinge haben in der jetzigen Situation Angst vor den Deutschen. Nicht nur, aber gerade auch mit Blick auf den Ausnahmezustand Karneval.

Zwei, denen es so geht, sind Yousef und Obaidah aus Syrien, beide Mitte 20, beide sind per Boot über die Türkei nach Europa geflüchtet und haben dabei ihr Leben riskiert. Und: Beide entsprechen äußerlich dem Bild des jungen Mannes, vor dem viele plötzlich so viel Angst haben: südländisch, dunkelhaarig.

Aber eben nur äußerlich. In den vergangenen Tagen haben die Männer, wenn sie gerade nicht in ihrem Deutschkurs saßen, damit verbracht, am Kölner Hauptbahnhof und vor der Universität zu demonstrieren.

Sie haben gemeinsam mit anderen Flüchtlingen aus ihrem Heim, das in einer Kleinstadt in der Nähe Kölns liegt, Plakate gemalt, auf denen zum Beispiel steht: „Refugees against Sexism”, Flüchtlinge gegen Sexismus.

So gut es geht, erzählen die beiden, verfolgen sie die deutschen Nachrichten – und was sie dort lesen, mache ihnen Angst. Die Meldungen über Pfefferspray und Gaspistolen, und natürlich auch die Berichte über Nazi- und Hooligan-Gruppen, die seit der Silvesternacht offenbar regen Zulauf haben,

Am vergangenen Wochenende zum Beispiel riefen diese über Facebook-Gruppen zu „Abendspaziergängen” auf, um gezielt Ausländer anzugreifen. „Wir diskutieren jetzt jeden Tag in unserer Unterkunft darüber, wie wir uns an Karneval verhalten sollen”, erzählt Yousef. Schließlich sei zu befürchten, dass es dann in der Menge vieler Menschen, zu mehr solcher Angriffe kommen könnte.

Und nicht nur das: „Wir spüren jetzt schon, gerade auch von Frauen, offene Ablehnung. Viel mehr als vor Silvester. Das wird an Karneval bestimmt noch schlimmer.”

Obaidah sagt, er und einige andere Flüchtlinge würden sich an den Karnevalstagen lieber in die Unterkünfte zurückziehen. Das sei sicherer, so gehe man möglichem Ärger aus dem Weg.

Mehr Kaffeetrinken statt Pfefferspray kaufen

Yousef findet dagegen, das sei der falsche Weg. „Gerade dann müssen wir doch auf der Straße sein und zeigen, dass wir nicht alle Sexisten sind”, sagt er. „Auch, wenn es vielleicht nicht ganz ungefährlich ist.”

Leider, sagen die beiden, gäbe es auch Männer unter den Flüchtlingen, die ganz anders seien als sie. Genauso wie es in Deutschland Sexisten und ganz normale Männer gibt – eine Binsenweisheit, die in den vergangenen Tagen in sozialen Netzwerken und Mainstream-Medien thematisiert wurde.

Wenn man mit Yousef und Obaidah auf einen Kaffee zusammen sitzt, wirkt jedenfalls keiner der beiden nur ein winziges bisschen bedrohlich. Mehr gemeinsames Kaffeetrinken und dafür weniger Pfefferspray könnte helfen, damit Integration gelingt.

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