Den sozialen Netzwerken gehört zwar scheinbar die Zukunft, aber nicht allen in gleichem Masse. So lässt sich bezweifeln, dass das Geschäft mit seichten Kurznachrichten Zukunft hat.
Die sozialen Netzwerke beschäftigen die Welt – auch den Medienbereich. Dort wird oft der Eindruck erweckt, als ob ohne rasch zunehmende Werbemöglichkeiten im virtuellen Raum kaum noch etwas ginge und als ob dort die Zukunft liege. Die Euphorie ist enorm. Nichts scheint unmöglich, in einer Zeit, in der anscheinend ein kleines, intelligentes Kommunikationsgerät, ein guter Zugang zu einem Telekommunikationsnetz und etwas Software genügen, um die Welt aus den Angeln zu heben – sei es technologisch, sozial, medial, ökonomisch oder auch in anderen Belangen. Ob das am Ende auch wirklich so sein wird, ist noch eine offene Frage – ein weites Feld, um es literarisch zu formulieren.
Alleine schon der Blick auf die Entwicklung von Facebook und Twitter, zwei Ikonen des «sozialen Internets», hinterlässt mit Blick nach vorne einen ziemlich zwiespältigen Eindruck. Dieser entsteht sowohl in Bezug auf die Entwicklung der Kurse der vergleichsweise jungen Aktien als auch auf die operative Performance der beiden Firmen. Die Papiere von Facebook haben seit dem Börsengang um 215 Prozent zugelegt, und der beeindruckende Aufwärtstrend lässt Fachleute weitere Avancen prognostizieren. Facebook hat am Aktienmarkt nun einen Wert von 343 Milliarden Dollar und zählt inzwischen zu den «wertvollsten» der börsengehandelten Unternehmen. Bei Twitter ist das Gegenteil der Fall. Dessen Aktien haben seit dem Börsengang nach einem vorübergehenden Höhenflug 43 Prozent verloren, und der nach unten zeigende Trend lässt künftig nicht viel Gutes erwarten. Das Unternehmen bringt gerade noch etwa 10 Milliarden Dollar auf die Waage. Bemerkenswert ist auch die Reaktion der Kurse der beiden Papiere auf die Vorlage der jüngsten Quartalsberichte in dieser Woche. Die Aktien von Twitter haben unmittelbar nach der Veröffentlichung um bis zu 16 Prozent nachgegeben, wohingegen die Facebook-Papiereinnerhalb ihres Aufwärtstrends um bis zu 11 Prozent zulegten.
Die verblüffende Diskrepanz in beiden Belangen lässt sich nach einem Blick auf die unternehmerische Entwicklung der beiden Unternehmen schnell erklären. Während Facebook ungeachtet aller Skepsis und der inzwischen erreichten Grösse schnell und auch sehr profitabel wächst, hat Twitter Probleme, bei zurückgehenden Erlössteigerungen die Gewinnzone zu erreichen. Facebook hat den Umsatz im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres im Vergleich mit dem Vorjahr um 52 Prozent erhöht und bei einer operativen Marge von 48 Prozent einen Nettogewinn von 1,5 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Das ist knapp dreimal mehr als im Vorjahr. Twitter dagegen hat bei einem etwas geringeren Umsatzzuwachs auf 595 Millionen Dollar einen weiteren Nettoverlust in Höhe von 80 Millionen Einheiten der amerikanischen Währung bekanntgegeben.
Die beiden Internetfirmen entwickeln sich unter anderem deswegen so gegensätzlich, weil sie ungleich «geliebt» werden. Der Kurznachrichtendienst Twitter scheint zwar in aller Munde zu sein, hat aber in den ersten drei Monaten dieses Jahres kaum noch neue Nutzer gewonnen. Ihre Anzahl stagniert bei etwa 300 Millionen Personen, die überwiegend in westlichen Gefilden unterwegs sind. Facebook dagegen konnte die Zahl seiner aktiven Mitglieder weltweit allein seit Anfang Januar um 210 Millionen auf über 1600 Millionen steigern. Die beiden Unternehmen sind nicht nur punkto Grösse in unterschiedlichen Galaxien unterwegs, auch ihre Zukunftsperspektiven weichen voneinander ab. Facebook kann vom Trend zu mehr Werbung auf mobilen Kommunikationsgeräten profitieren, weil es weiter neue Mitglieder gewinnt, weil viele davon relativ aktiv sind und weil die Preise für Werbeformate, welche sich auf den verschiedenenPlattformen zur Interaktion ausspielen lassen, in letzter Zeit gestiegen sind. Twitter dagegen konnte bisher nicht das ideale Umfeld dafür schaffen, und die Erlöse blieben unter den ohnehin schon tiefen Erwartungen.
Während Facebook floriert, lässt sich mit Blick auf Twitter fragen, ob das Geschäft mit meist seichten Kurznachrichten Zukunft hat.
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