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Die Wahrheit über das Flüchtlings-Jobwunder

Flüchtlinge werden die neuen Fachkräfte? Die Zahlen zeigen: Ausländer finden zwar immer leichter Jobs. Doch für Syrer, Iraker oder Afghanen gilt das nicht – sie sind schon jetzt extrem oft arbeitslos.

Statt ein neues Wirtschaftswunder zu entfachen, dürfte der starke Zustrom an Flüchtlingen in den nächsten Jahren eher für eine deutliche Belastung der Sozialkassen sorgen. Denn viele Flüchtlinge werden wahrscheinlich auf Jahre hinaus kaum eine Chance haben, aktiv am deutschen Arbeitsmarkt teilzunehmen. Das legen Auswertungen von Statistiken des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nahe. Insbesondere auch Zuwanderer aus Syrien tun sich demnach schwer, Beschäftigung und damit eigenes Einkommen zu finden.

Generell ist die Beschäftigungsquote der Ausländer in Deutschland in den vergangenen Jahren nach den Zahlen des IAB zwar merklich gestiegen – von 43,2 Prozent Ende 2010 auf 48,2 Prozent Ende November vergangenen Jahres. Dies ist auch eine Folge der guten Konjunktur und der damit verbundenen erfreulichen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt.

Allerdings geht der positive Trend an den Staatsbürgern aus den derzeit wichtigsten Herkunftsländern unter den Asylsuchenden weitgehend vorbei. Im Gegenteil: Hier hat sich die Beschäftigungsquote im Vergleichszeitraum teilweise drastisch verschlechtert. So ist sie bei den Afghanen von 37,6 auf 24,5 Prozent gefallen, bei den Irakern haben derzeit nur 25,3 Prozent eine Beschäftigung gegenüber fast 34 Prozent Ende 2010. Noch dramatischer ist der Negativtrend unter den Syrern: Hier hatten vor fünf Jahren immerhin noch 32 Prozent ein Arbeitsverhältnis, Ende November waren es nur noch rund neun Prozent.

Zum Vergleich: Die Beschäftigungsquote unter allen Ausländern in Deutschland liegt bei 48,2 Prozent. Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien konnten im Auswertungszeitraum ihren Beschäftigungsgrad beispielsweise deutlich steigern. Insgesamt liegt der Vergleichswert aller Erwerbsfähigen in Deutschland, der vor allem von den deutschen Staatsbürgern bestimmt wird, bei 67,3 Prozent.

Damit liegt die Arbeitslosenquote, die bei Ausländern ohnehin immer noch rund doppelt so hoch ist wie im Gesamtschnitt, bei den asylsuchenden Zuwanderern teilweise um ein Vielfaches über dem Gesamtschnitt von sieben Prozent. So sind derzeit 43 Prozent der Iraker, fast 32 Prozent der Afghanen und knapp 49 Prozent der libanesischen Staatsbürger in Deutschland ohne Arbeit. Bei den Syrern beträgt der Wert gegenwärtig sogar fast 64 Prozent.

Integration in den Arbeitsmarkt dauert sehr lange

Natürlich spiegelt sich in dieser Negativentwicklung auch der starke Zustrom neuer Zuwanderer im vergangenen Jahr wider, wobei viele der Neuankömmlinge in den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) noch gar nicht auftauchen. Erfahrungsgemäß braucht es eben Zeit, bis die Sprache erlernt, berufliche Qualifikationen erworben und ein Arbeitsplatz gefunden sind – von rechtlichen Hürden vor einer Arbeitsaufnahme ganz abgesehen.

Doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Zuwanderern aus dem nicht westlichen Kulturkreis die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt immer schon deutlich schwerer gefallen ist als anderen Migranten. So war die Arbeitslosenquote nach den Zahlen des IAB, dem Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit, unter Syrern, Irakern und Afghanen schon Ende 2010 mit jeweils rund 32 Prozent deutlich höher als bei anderen Herkunftsländern. Bei den Libanesen betrug sie auch damals schon fast 50 Prozent.

Die Integration dauert oft eben sehr lange. So gehören die in Deutschland lebenden Türken für den IAB-Migrationsexperten Herbert Brücker „immer noch zu den Gruppen, die sich eher schlecht am Arbeitsmarkt integrieren”. Der Umstand, dass ehedem gezielt eher gering qualifizierte Arbeitnehmer aus bildungsfernen Schichten angeworben worden seien, wirke immer noch nach. „Die Struktur verbessert sich nur sehr langsam”, so Brücker.

Und die Probleme sind bei Kriegsflüchtlingen noch erheblich größer. „Wir wissen, dass sich Menschen, die als Flüchtlinge kommen,deutlich schwerer in den Arbeitsmarkt integrieren als solche, die zur Arbeit einwandern”, sagt Gabriel Felbermayr, Migrationsexperte beim Ifo-Institut. „In der Regel dauert es mindestens eine Generation, bis sich der Charakter der Erwerbsbiografien dem der heimischen Bevölkerung angenähert hat.”

Zeit, die viele Flüchtlinge nicht haben. Denn in der Regel kehren die meisten von ihnen wieder in ihre Heimat zurück, wenn sich die Umstände dort verbessern. Von den Balkan-Flüchtlingen in den 90er-Jahren seien beispielsweise rund 60 Prozent wieder zurückgegangen. „Damit aber ist der Anreiz, größere Investitionen in das Humankapital zu tätigen, sowohl für die Flüchtlinge selbst wie für potenzielle Arbeitgeber gering”, konstatiert Felbermayr.

Firmen sehen Flüchtlinge nicht als Fachkräfte

Eine umfassende Qualifizierung wäre aber eine unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt. Denn laut Ifo-Institut verfügen fast 50 Prozent aller Flüchtlinge nicht über Basiskenntnisse westlicher Bildungsstandards. Bei den Zuwanderern aus dem nicht europäischen Ausland kommt Felbermayr zufolge aber auch sicherlich noch eine kulturelle Komponente hinzu. So sei die Erwerbsbeteiligung von Frauen hier oft sehr niedrig, was nicht nur die Beschäftigungsquote, sondern auch die Einkommensaussichten solcher Zuwanderer erheblich mindere. Und die sind ohnehin nicht rosig.

Nach einer Studie der Münchener Wirtschaftsforscher verdiente knapp die Hälfte der erwerbstätigen Einwanderer, die zwischen 2008 und 2013 aus dem nicht westlichen Kulturkreis kamen, weniger als den Mindestlohn. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer verbessern sich demnach zwar die durchschnittlichen Stundenlöhne der Migranten, der Abstand zu den Einkommen deutscher Arbeitnehmer bleibt aber markant.

Für die Unternehmen sind die Flüchtlinge überwiegend ein Reservoir für kostengünstige Arbeitskräfte. In einer Befragung des Ifo-Instituts aus dem Oktober vergangenen Jahres gaben 41 Prozent der Firmen an, dass sie vor allem im Bereich ungelernter Hilfsarbeiten ein großes Einstellungspotenzial für Flüchtlinge sähen. 37 Prozent konnten sich auch vorstellen, Auszubildende unter den Flüchtlingen zu finden, aber nur 22 Prozent glaubten, unter den Asylsuchenden auch geeignete Fachkräfte zu finden. Auch von dieser Seite bleiben die Einkommensaussichten für viele Flüchtlinge also eher gedämpft.

Über 70 Prozent der Libanesen sind Leistungsbezieher

Vieles spricht also dafür, dass ein großer Teil der Asylsuchenden auf Jahre hinaus auf staatliche Unterstützung angewiesen sein wird – sei es in Form direkter Hartz-IV-Zahlungen oder als „Aufstocker”, weil die durch Arbeit erzielten Einkommen zu gering für den Lebensunterhalt sind. Schon seit Jahren liegt der Anteil der erwerbsfähigen Leistungsbezieher unter den Migranten aus den Asylherkunftsländern weit über dem Schnitt.

Während unter den Ausländern in Deutschland insgesamt nur 15,4 Prozent der Personen im erwerbsfähigen Alter Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II beziehen, sind es bei den Syrern und Irakern jeweils deutlich über 40 Prozent und bei den Libanesen liegt der Anteil der erwerbsfähigen Leistungsbezieher sogar bei über 70 Prozent. Auch bei den Afghanen, den Marokkanern und den Iranern liegt die Quote rund doppelt so hoch wie bei den Ausländern insgesamt.

„Entscheidend wird sein, ob es uns gelingt, die Bildungsbiografien möglichst vieler Zuwanderer aufzuwerten”, so IAB-Experte Brücker. „Wenn uns dies nicht gelingt, dann haben wir ein größeres Problem.” Auch für Ifo-Forscher Felbermayr ist im Hinblick auf die Kosten die entscheidende Frage, inwieweit es gelingt, möglichst viele Flüchtlinge im Arbeitsmarkt unterzubringen. Er plädiert dafür, die jungen Flüchtlinge durch Qualifizierung ausbildungsfähig zu machen und für die Zuwanderer insgesamt einen Bereich zu schaffen, in dem der Mindestlohn nicht gilt.

Denn dieser dürfte angesichts der oft niedrigen Qualifikation sonst ein K.-o.-Kriterium für die erfolgreiche Beschäftigungssuche sein. Auch so würden die meisten Flüchtlinge zwar eher Nettoempfänger im Transfersystem bleiben, aber die Belastung für die öffentlichen Kassen falle immerhin geringer aus.

http://www.welt.de/wirtschaft/article151637452/Die-Wahrheit-ueber-das-Fluechtlings-Jobwunder.html

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