AfD-Vize Alexander Gauland hält eine Koalition mit der Union nur für möglich, wenn seine Partei auf 40 Prozent plus x käme und ihre Agenda durchsetzen könnte. Ansonsten bleibe nur „Systemopposition”.
Die Welt:
Herr Gauland, der AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen hat es nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern als möglich erscheinen lassen, dass sich für Ihre Partei schon 2017 zur Bundestagswahl die Frage einer Regierungsbeteiligung stellen könnte. Was halten Sie davon?
Alexander Gauland: Ich glaube nicht, dass sich diese Frage stellen wird. Nicht nur, weil die anderen Parteien eine Koalition mit uns ablehnen. Sondern auch und vor allem deshalb, weil für uns eine Regierungsbeteiligung unmöglich ist, sofern wir nicht ein Ergebnis nur knapp unter der absoluten Mehrheit haben, sagen wir 40 plus x. Nur dann könnten wir ausschließen, dass wir in die Rolle des Juniorpartners kommen. Denn als Juniorpartner gingen wir unter.
Die Welt: Warum fassen dann aber Meuthen und andere bei Ihnen so eine Debatte ins Auge?
Gauland: Ich glaube nicht, dass sie bei uns so eine Debatte bewusst ansteuern. Trotzdem ist es wichtig zu erkennen, dass bisher an der CDU alle kleineren Parteien gescheitert sind, die glaubten, mitregieren zu können. Deshalb müssen wir so stark sein, dass wir unsere Kernforderungen wirklich durchsetzen können.
Denn sonst fragen sich unsere Wähler, was das denn für eine merkwürdige Partei sei, die keine Flüchtlinge mehr hatte aufnehmen wollen, sich aber im Koalitionsvertrag verpflichtet, doch wieder ein paar Tausend ins Land zu lassen. So etwas geht bei uns nicht. Das heißt: Entweder setzen wir unsere Politik fast vollständig durch, oder wir sollten uns niemals an einer Koalition beteiligen.
Die Welt: Aber 40 plus erreicht doch niemand mehr. Warum ginge nicht auch eine Koalition zwischen gleich und gleich, zwischen einer 25-Prozent-AfD und einer 25-Prozent-Union?
Gauland: Gleich zu gleich würde bedeuten, dass unsere Positionen letztlich in der Minderheit wären. Denn alle anderen Parteien haben ja dieselbe Position. Nehmen wir die Flüchtlingspolitik: Da sind alle anderen Parteien für „Refugees Welcome”(Flüchtlinge willkommen, d. Red.). Somit aber müsste beispielsweise eine mit uns koalierende Union uns überhaupt nicht entgegenkommen, sondern könnte uns jederzeit mit der Möglichkeit eines anderen Partners erpressen, wenn wir in der Flüchtlingspolitik auf unseren Standpunkten beharren. Das kann nicht sein.
Wir stehen nun einmal ganz klar für Systemopposition, selbstverständlich nicht gegenüber der Verfassung und der Demokratie, zu denen wir uns rückhaltlos bekennen, aber wir stehen in klarer Systemopposition zu der Grundausrichtung der gegenwärtigen Politik. Deshalb können wir keinen Koalitionsvertrag schließen, mit dem wir nur ein Drittel oder ein Viertel unserer Forderungen durchsetzen. Grenzen kann man nicht zu einem Viertel schließen. Um also regieren zu können, müssten wir so stark sein, dass wir sagen können, wo es langgeht.
Die Welt: Man könnte aber doch bei den Flüchtlingen über die Höhe einer Obergrenze verhandeln, also die Grenzen prinzipiell schließen und dann festlegen, dass nur so und so viele noch hindurchdürfen.
Gauland: Wenn diese Obergrenze bei 100 läge, könnte man sicherlich darüber reden. Aber so wird das nicht gehen. Vielmehr müsste eine sehr große Zahl von uns geschluckt werden. Das aber würden unsere Wähler nicht verstehen. Die würden sagen, dass wir für ein paar Staatssekretärsposten oder einen Ministersessel unsere systemoppositionellen Grundsätze aufgeben.
Die Welt: Werden aber nicht Ihre Wähler irgendwann wollen, dass wenigstens zum Teil in deren Sinne regiert wird?
Gauland: Diese Frage kann sich stellen, aber erst dann, wenn die AfD tatsächlich die Agenda setzen könnte und sich dann scheuen würde, die Verantwortung zu übernehmen. Solange wir aber nicht die Agenda setzen können, sollten wir keine Verantwortung für Erwartungen beanspruchen, die wir nicht erfüllen können, weil die andern bestimmen würden, was gemacht wird.
Die Welt: Ist das in Ihrer Partei die Mehrheitsmeinung?
Gauland: Das kann ich nicht sagen. Ich glaube, Jörg Meuthen war bei seiner Äußerung sehr siegesfroh. Das ist gut, zumal er ja auch nicht über mögliche Bedingungen geredet hat. Im Übrigen hat er recht, wenn er sagt, dass wir irgendwann auch Verantwortung übernehmen müssen. Aber wenn wir dann darangehen würden, die Bedingungen zu klären, dann wären wir uns sicher ganz schnell einig darin, dass wir harte Bedingungen in dem von mir umrissenen Sinne festlegen müssten.
Die Welt: Sollte die AfD denn für die Bundestagswahl solche Bedingungen tatsächlich formulieren?
Gauland: Gegen das Formulieren harter Kriterien für eine Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl habe ich gar nichts. Die müssen aber wirklich hart sein und dürfen sich nicht aufweichen lassen, sobald Dienstwagen winken. Unsere Wähler erwarten von uns eine konsequent systemoppositionelle Politik und wären tief enttäuscht, wenn wir davon abrücken würden.
Die Welt: Birgt aber nicht ein Festhalten am Oppositionskurs für die AfD die Gefahr, einer Radikalisierungslogik zu folgen, um den Unmut über die Politik der andern Parteien auf hohem Niveau halten zu können?
Gauland: Ich sehe bei uns keine Radikalisierungslogik. Wir haben durch unsere konsequente Oppositionspolitik sehr viel mehr erreicht, als wir in der Regierung hätten erreichen können, haben also die anderen Parteien immerhin zu kleinen Schritten hin zu etwas mehr Vernunft bewegen können.
Dazu wäre es nicht gekommen, wenn wir denen nicht mit harten Forderungen im Nacken säßen und ihnen Angst vor dem Verlust ihrer Mandate und Posten einjagen würden. Das ist unsere Stärke. Die verlören wir völlig, sobald wir als Juniorpartner in einer Koalition stecken würden.
Fahren Sie mit der Maus über die Karte und Sie erfahren Details. Mit Klick auf Plus und Minus können Sie zoomen.
Die Welt: Machen Sie sich damit aber nicht abhängig von dem, was die Regierung macht? Denn Sie brauchen doch eine Regierung, gegen die es sich heftig opponieren lässt. Was aber würde aus der oppositionellen AfD, wenn sich in der Union das Seehofer-Lager durchsetzen würde und die Union etwa bei der Euro- oder Asylpolitik stark ins Konservative ausgreifen würde?
Gauland: Die Frage ist berechtigt. Erst einmal wäre das natürlich ein Riesenerfolg für uns, weil dann in Deutschland das passieren würde, wofür wir angetreten sind. Dann müssten wir in der Tat unsere Rolle neu justieren. Aber dass es so kommt, das glauben weder Sie noch ich. Horst Seehofer hat doch gar nicht den Mumm, die Koalition, auf die er so schimpft, tatsächlich zu verlassen. Was Seehofer und Södermachen, ist ein bloßes Schauspiel für Bayern im Versuch, dort der CSU die absolute Mehrheit zu sichern.
Eine Änderung der Union ist nicht in Sicht. Sie marschiert ununterbrochen in die falsche Richtung, und wenn ich mir ansehe, welche Nachfolgekandidaten da für Frau Merkel gehandelt werden, da kann ich bei Namen wie Ursula von der Leyen nur lachen. Mit denen würde es doch nur noch schlimmer.
Die Welt: Was Sie über die Oppositionsrolle der AfD sagen, kann man auch so verstehen, dass Ihre Partei noch gar nicht die Leute und auch nicht das Programm hat, um überhaupt regieren zu können.
Gauland: Für Parteien ist es am Anfang immer schwierig. Joschka Fischer war als Turnschuhminister auch nicht gerade ein leuchtender Staatsmann. Natürlich hat auch unsere Partei mit den Schwierigkeiten des Anfangs zu kämpfen, und wir wären sicher noch nicht fähig, gegen jene Ministeriumsapparate zu regieren, die sich derzeit fest in der Hand der Union oder der SPD befinden. Das ist natürlich auch ein Grund, warum ich dagegen bin, jetzt übers Regieren nachzudenken.
Aber selbst wenn wir lauter Regierungs- und Verwaltungsgenies hätten, die sich gegen solche Apparate durchsetzen könnten, bleibt doch, was ich gesagt habe: Wir dürfen nicht übers Regieren nachdenken, solange wir nicht so stark sind, dass wir die Agenda einer Koalition bestimmen können.
http://www.welt.de/politik/deutschland/article157967913/Die-AfD-will-regieren-unter-einer-Bedingung.html