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Der Zwei-Billionen-Bluff der saudischen Scheichs

Es sind allesamt Amerikaner, die derzeit die Börsenwelt dominieren. Apple, Google, Microsoft – US-Konzerne belagern die ersten elf Plätze der größten Unternehmen weltweit.

Dieses Konstrukt schien lange Zeit gefestigt. Doch ein Gigant könnte es nun durchbrechen: der saudi-arabische Ölriese Aramco. Dieser will voraussichtlich 2018 mit fünf Prozent seiner Anteile an die Börse – und könnte damit nicht nur zum größten Börsendebütanten aller Zeiten werden, sondern auch zum wertvollsten Unternehmen der Welt aufsteigen.

Helfen sollen dabei die Banken JP Morgan Chase, Morgan Stanley und HSBC, berichtet das „Wall Street Journal“. Bei rund zwei Billionen US-Dollar setzt die staatseigene Ölgesellschaft ihre Unternehmensbewertung an. Liegen die Saudis damit richtig, würde Aramco rund 100 Milliarden Dollar einnehmen. Mit den Erlösen will sich der Wüstenstaat für die Zukunft wappnen. Weg vom Öl, hin zu grünen Energien.

Das bislang stärkste Debüt an der Börse feierte der Handelsriese Alibaba im Jahr 2014. Mit Anteilen im Wert von 25 Milliarden Dollar ging das chinesische Unternehmen damals an den Start. Aramco dürfte das deutlich übertreffen, bliebe es bei den anvisierten fünf Prozent.

400 Milliarden statt zwei Billionen?

Doch die Finanzwelt stellt sich die Frage: Wie viel ist Aramco tatsächlich wert? Analysten tun sich schwer, dieses Rätsel zu lösen. Denn es gibt große Fragezeichen. Da ist zum einen das Land Saudi-Arabien – eine islamistisch-autoritäre Monarchie. Investoren sehen politische Risiken, weil offen ist, wie sich die Lage im Land entwickelt. In der Vergangenheit gab es immer wieder Konflikte mit der schiitischen Minderheit.

Das Geschäft mit Rohstoffen zeigt sich zudem immer wieder anfällig für Korruption, wie der Petrobras-Skandal in Brasilien gezeigt hat. Verwobenheiten zwischen Politikern und dem staatlichen Ölkonzern schickten den Aktienkurs des Unternehmens zwischenzeitlich auf einen neuen Tiefstand. Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International belegt Saudi-Arabien Platz 62 – und ist damit in Reichweite zu Brasilien (Platz 79).

Da sind zum anderen die Zahlen. Allein bei den Berechnungen der Unternehmensbewertung klafft eine große Lücke. Im März preschte der saudische Prinz Mohammed bin-Salman mit einer Zahl vor – zwei Billionen Dollar. Seine Rechnung war einfach: Er nahm die Rohölreserven des Landes, rund 261 Milliarden Barrel, und berechnete ihren Wert mit einer simplen Formel.

Finanzexperten und Investoren zweifeln deshalb an Aramcos eigener Bewertung. Sie schätzen das Unternehmen nur halb so wertvoll ein. Manche verorteten den Unternehmenswert sogar bei nur 400 Milliarden Dollar – darunter die schottische Consulting-Firma Wood Mackenzie. Über deren Zweifel berichtet jetzt die Finanznachrichtenagentur Bloomberg und beruft sich auf Insider. Bei den Berechnungen soll Wood Mackenzie den aktuellen Steuersatz, zehn Prozent Kapitalkosten und Ölpreis-Vorhersagen berücksichtigt haben. Gegenüber Bloomberg sagte ein Aramco-Sprecher, man kommentiere solche Spekulationen nicht.

Öl wird vielleicht bald zum verzichtbaren Rohstoff

Zu den Zweiflern gehört auch Patrick Pouyanne, Chef des französischen Ölkonzerns Total. „Ich wusste nicht, dass der Wert eines Unternehmens an den Reserven des Unternehmens bemessen wird“, erklärte er jüngst gegenüber Investoren. Man müsse weitere Faktoren berücksichtigen, bevor der tatsächliche Wert von Aramco genannt werden kann. Nach der Logik von Prinz bin-Salman müssten auch die anderen Akteure der Branche neu bewertet werden. Der Börsenwert des russischen Staatsunternehmens Rosneft wäre demnach mehr als viermal so hoch, der von Exxon Mobil nur halb so groß.

Sogar innerhalb der saudischen Regierung soll es Zweifel geben. Grund dafür: die eigene Steuerpolitik. Dort heißt es, dass zu viel Geld über Steuern an den Staat gehen würde. Bloomberg zufolge zahlt Aramco 20 Prozent Tantieme auf Erlöse und 85 Prozent Umsatzsteuer. Das schlägt auf mögliche Dividendenzahlungen und könnte Investoren abschrecken. Experten vermuten aber, dass die Regierung den Steuersatz vor dem Börsengang senken könnte, um die Bilanz positiv zu beeinflussen.

Als letzte Unsicherheit bleibt die Zukunft des Öls: Einer Schätzung des Wettbewerbers BP zufolge sitzt Saudi-Arabien auf den zweitgrößten Ölreserven weltweit. Gemessen an der jetzigen Geschwindigkeit könnte das Land noch weitere 73 Jahre fördern. Doch es ist fraglich, wie groß der Bedarf künftig noch ist. Toyotahat bereits angekündigt, bis spätestens 2050 die durchschnittlichen CO2-Emissionen seiner Neufahrzeuge um 90 Prozent reduzieren zu wollen – und zwar durch alternative Antriebsarten wie Wasserstoff. Andere Autobauer setzen verstärkt auf Elektromobilität. Und auch ein Durchbruch in den weltweiten Klimaverhandlungen könnte das Ende des profitablen Ölgeschäfts schneller herbeiführen. Mark Carney, Gouverneur der Bank of England, hat Investoren zuletzt gewarnt. Das Finale der fossilen Ära sei nur noch eine Frage der Zeit.

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