Immer weniger ausländische Kämpfer kommen in Syrien und Irak an. Das liegt zum einen an besser Zusammenarbeit internationaler Sicherheitsbehörden. Der Hauptgrund ist jedoch ein anderer.
Sie kamen aus aller Herren Länder, um sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anzuschließen. Kämpfer oder Selbstmordattentäter? Vor dieser Wahl standen die 1200 Rekruten, die jeden Monat an der türkisch-syrischen Grenze vom IS in Empfang genommen und auf Ausbildungslager verteilt wurden. Für die Terrorgruppe gab es kein Problem an menschlichen Ressourcen. Das war in den Hochzeiten der Dschihadisten im Dezember 2014 noch so, als sie über ein Drittel des Iraks besetzt hielten. Aber mit den militärischen Erfolgen und dem hohen Zulauf von Kämpfern aus dem Ausland ist es vorbei.
Laut den neuesten Angaben der „Foreign Terrorist Fighters (FTF)”-Arbeitsgruppe der internationalen Anti-IS-Koalition „sank die Anzahl der nach Irak und Syrien reisenden ausländischen Kämpfer aus mehr als 120 Ländern signifikant.” Genauer gesagt: Der Zulauf von Ausländern soll um 75 Prozent zurückgegangen sein.
Das liegt zum einen an der verbesserten Zusammenarbeit der internationalen Sicherheitsbehörden. Sie tauschen endlich Informationen auf breiter Basis aus. In der Datenbank von Interpol sind mittlerweile über 5000 ausländische Kämpfer registriert. 52 Länder beteiligen sich an diesem Infopool. Alleine im vergangenen Jahr gingen von den Mitgliedsstaaten mehr als 2000 Alarmierungen bei Interpol über ausländische Rekruten ein. 35 Länder konnten Verhaftungen vornehmen.
IS-Attentate und internationaler Druck ließen Ankara umdenken
Der Hauptgrund für den Rückgang dürfte jedoch der Ausbau der Grenzsicherung der Anrainerstaaten gewesen sein. Dazu gehören Jordanien und Saudi-Arabien, aber vor allen Dingen die Türkei. Ankara hat endlich die Grenzen dicht gemacht, die es so lange offen gehalten hatte. Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs 2011 war die Türkei Hauptransitroute für radikale Islamisten aller Art gewesen. Türkische Grenzbeamte stempelten bereitwillig ihre Pässe ab, obwohl viele von ihnen auf der Fahndungsliste standen. Selbst Minderjährige konnten ungehindert passieren. IS- und al-Qaida-Kämpfer wurden kostenlos in öffentlichen Krankenhäusern der Türkei behandelt.
Innerhalb der letzten 18 Monate hat die Türkei nun über 2000 potentielle ausländische Kämpfer die Einreise verwehrt und mehr als 2400 Verdächtige ausgewiesen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte: „Unser Ziel ist klar: Die Ausschaltung aller terroristischen Elemente, auch ausländischer Kämpfer.” Die Maßnahmen der Türkei kommen reichlich spät. Denn laut der Resolution 2178 des UN-Sicherheitsrates vom September 2014 hätte sie längst etwas unternehmen sollen. Aber erst die IS-Attentate in Istanbul und der Druck der internationalen Gemeinschaft scheinen zu einem Umdenken in Ankara geführt zu haben.
Ein weiterer, wichtiger Grund für die rückläufigen Zahlen sind die militärischen Niederlagen des IS. Er hat einen Großteil seiner Attraktivität eingebüßt. Der große Endsieg wurde versprochen, aber nun droht der Abstieg in die Bedeutungslosigkeit. Im Irak musste der IS 50 Prozent seines Territoriums aufgeben, das er 2014 kontrollierte. Weitere Verluste folgen. Die irakische Armee ist dabei, Falludscha zurückzuerobern. In Syrien sind es bisher nur 20 Prozent, aber mit steigender Tendenz. Die syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) haben den Euphrat überschritten und sind in der Provinz Aleppo auf dem Vormarsch. Es scheint nur eine Frage der Zeit bis das Militärbündnis aus Kurden, Arabern und Assyrern den Norden Syriens entlang der türkischen Grenze vom IS gesäubert haben.
Netzwerke und Infrastrukturen vernichtet
Von den einstmals rund 31.000 ausländischen Kämpfern sollen nach Schätzungen zwischen 15.000 und maximal 25.000 übrig sein. Viele von ihnen wollen den IS verlassen und haben ihre Botschaften angerufen, wie sie nur schnellstmöglich nach Hause kommen könnten. Colonel Chris Garver, Sprecher der Operation Inherent Resolve, ist überzeugt, dass es dem IS immer schwerer falle, neue Kämpfer anzulocken. Denn die Koalition habe Netzwerke und Infrastrukturen für ausländische Kämpfer vernichtet.
„Wir glauben”, so Graver, „den IS-Kämpfern setzen verminderte Moral, internes Chaos und organisatorische Konfusion vermehrt zu.” Der IS könne kaum noch den Sold seiner Leute bezahlen und Paranoia würde sich ausbreiten. Tatsächlich halbierte der IS den Sold seiner Leute bei Jahresbeginn. In den letzten Wochen wurden alleine über 50 Kämpfer als Spione hingerichtet.
Der Organisation fehlt das Geld, um sich, wie früher, die bedingungslose Unterstützung ihrer Kämpfer und die Sympathien der Bevölkerung zu erkaufen. Die Ölproduktion des IS wurde durch Bombenangriffe der Koalition und durch Gebietsverluste um zwei Drittel reduziert. Das reicht gerade, um die eigenen Fahrzeuge am Laufen zu halten. Gleichzeitig bleibt der benötigte Nachschub an menschlichen Ressourcen aus. Der IS hat Personalprobleme und kann seine Rekruten nicht mehr so bereitwillig in den Tod schicken.
http://www.welt.de/politik/ausland/article156327012/Dem-IS-gehen-die-auslaendischen-Kaempfern-aus.html