Hidschabs, Abayas, Burkinis: Westliche Modehäuser entwerfen Stücke, die konform gehen mit der islamischen Kleiderordnung. Aber ist das eine gute Idee?

Das andere Maxikleid
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Sonnenbrille, Handtasche, Abaya und Hidschab: Alles von Dolce&Gabbana

Dass Mariah Idrissi großen Spaß an Mode hat, hört man sogar über das Telefon. Dafür ist da oft genug dieses herzliche Lachen. Zum Beispiel, wenn die 23 Jahre alte Britin mit marokkanisch-pakistanischen Wurzeln erzählt, wie sie zum ersten Model eines europäischen Modehauses wurde, das Hidschab trägt. Idrissi war vergangenes Jahr gerade dabei, mit ihrer Cousine ein eigenes Haar-und-Nagel-Studio zu gründen, als H&M für einen Werbeclip Menschen suchte, die facettenreich genug sind, typisch urban und trotzdem eine Spur besser als gewöhnlich aussehen. Neben Frauen in Anzügen, Mädchen, die Manga-Comics entsprungen sein könnten, Älteren, Dickeren, Dünneren und Männern mit Turbanen sollte auch eine Frau mit Kopftuch dabei sein. So etwas hatte es zuvor in den Kampagnen europäischer Modehäuser noch nicht gegeben. „Eine Freundin führt eine Casting-Agentur und schickte mein Foto ein, und dann muss H&M wohl gesagt haben, also gut, die nehmen wir“, erzählt Idrissi.

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Ende vergangenen Jahres zog das Video seine Kreise durch die sozialen Netzwerke, war in den Filialen der Modekette zu sehen. „Irgendjemand sagte mir, er habe mich in dem Clip auf dem Bildschirm eines Busses gesehen.“

Hitzige Debatte über neuen Trend

Idrissi arbeitet jetzt nicht mehr in ihrem Schönheitssalon. Dafür brauchen gerade zu viele Marken die junge Frau, Asos zum Beispiel, aus deren diversen Linien sie Looks so zusammenstellt, dass sie mit den Kleiderordnungen ihres Glaubens konform gehen. Immer mehr westliche Modefirmen entwerfen nun solche Stücke. Das Phänomen, genannt „Islamic Fashion“, vereint plötzlich Marken, die sonst kaum auf einen Nenner zu bringen wären. Das italienische Haus Dolce & Gabbana zum Beispiel bietet seit Anfang des Jahres seine Interpretation von Stücken an, die der islamischen Kleidervorschrift entsprechen: Abayas und Hidschabs in Schwarz und Creme, versehen mit jener Spitzen-Stickerei, die sonst großzügig für Spaghettiträger-Kleider verwendet wird.

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Am anderen Ende des Spektrums verkaufen Ketten wie Marks & Spencer aus Großbritannien Burkinis, Ganzkörper-Badeanzüge, und Uniqlo kooperiert zum zweiten Mal mit einer muslimischen Designerin. „Die erste Kollektion war nur in den entsprechenden Märkten erhältlich“, erzählt Reina Lewis, Professorin für Cultural Studies am London College of Fashion (UAL) und Autorin des Buches „Muslim Fashion: Contemporary Style Cultures“. „Jetzt müsste ich von meinem Büro aus lediglich über die Straße gehen und könnte diese Kollektion in der nächstgelegenen Filiale an der Oxford Street kaufen.“

Doch nicht alle begrüßen das so sehr wie Lewis, ganz im Gegenteil. Über die Frage, ob westlich geprägte Modehäuser auf die traditionell islamische Kleiderordnung eingehen sollten, ist eine hitzige Debatte entbrannt. Einerseits sind da Frauen wie Idrissi, deren Spaß an Mode man schon durch das Telefon heraushört. Sie sagt Sätze wie: „Natürlich kaufe ich nicht regelmäßig bei Dolce & Gabbana, sondern bei H&M, Topshop, Zara, lala“, wieder das Lachen, „aber bei Taschen darf es schon was Besonderes sein: Chanel oder Louis Vuitton.“

Requisite westlicher Lebensform

Und da ist auch die Fotografin Samaneh Khosravi, die für ihr Buch „Among Women“ die Schönheitsideale von Frauen aus ihrem Heimatland Iran herausgearbeitet hat. „Manche ließen sich die Nase europäisch umoperieren oder die Haare blondieren“, erzählt Khosravi. Eine trägt zum Hidschab einen Mantel mit Marilyn-Monroe-Antlitz auf dem Rücken. Warum sollten westliche Modefirmen diesen Frauen nicht verhüllende und weite Kleidungsstücke anbieten? Schleier?

 
Hidschabs, Abayas, Burkinis: Westliche Labels entwerfen Mode für muslimische Frauen. Eine gute Idee?

Weil Mode nach unserer Definition die Requisite westlicher Lebensform ist. Natürlich ist auch hier nicht jeder gänzlich selbstbestimmt darin, wie er zu welcher Gelegenheit auszusehen hat. Auch hierzulande regieren gewisse Stil-Diktate, aber der Fortschritt unserer Gesellschaft – wie Frauen und Männer leben, welche Achtung sie voreinander haben und welche Aufgaben sie sich wie teilen – spiegelt sich auch in der Mode. Es passt kaum zusammen, wenn jene Mode-Lieferanten, deren Daseinsberechtigung auch auf der ständigen Veränderung einer Gesellschaft beruht, zugleich den Islam unterstützen, der sich als System so reaktionär auslegen lässt.

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