Home Newspaper NÉMET - Sprachtraining „Dann knallen wir eine Moschee nach der anderen hoch”

„Dann knallen wir eine Moschee nach der anderen hoch”

Verdacht auf Rechtsterror: Der Prozess gegen die Führung der Neonazi-Gruppe Oldschool Society beginnt. Sie soll Anschläge auf Flüchtlinge und Moscheen geplant haben. Alles begann in einer Chatgruppe.

Martialisch: das Logo auf der Facebook-Seite der rechtsextremen Oldschool Society. Die Führungsriege – drei Männer und eine Frau – steht im Verdacht, Anschläge auf Moscheen und Asylheime geplant zu haben Foto: picture-alliance / dpa
Martialisch: das Logo auf der Facebook-Seite der rechtsextremen Oldschool Society. Die Führungsriege – drei Männer und eine Frau – steht im Verdacht, Anschläge auf Moscheen und Asylheime geplant zu haben
Foto: picture-alliance / dpa

 

Der virtuelle Stammtisch fand dreimal wöchentlich statt: Montags, dienstags und freitags, um 20.30 Uhr, kamen bis zu 20 Rechtsextremisten in einer Chatgruppe zusammen. Zuerst beim Messenger-Dienst WhatsApp, dann bei Telegram. Sie hetzten gegen Asylbewerber, gegen Muslime, gegen Linke. „Dann knallen wir eine Moschee nach der anderen hoch und hängen die Schweine an Ort und Stelle auf”, hieß es etwa. Der Name der Chatgruppe: Oldschool Society (OSS).

Aus Sicht der Bundesanwaltschaft geht es bei den Unterhaltungen nicht nur um einen Internetchat mit zweifelhaftem Inhalt – sondern um die Korrespondenz einerrechtsextremen Terrororganisation. Am Mittwoch beginnt vor dem Münchner Oberlandesgericht der Prozess gegen die Führungsriege der OSS.

Angeklagt ist der mutmaßliche Rädelsführer, Andreas H., 57 Jahre alt, Malermeister und Ex-NPD-Mitglied aus Augsburg. Mit ihm vor Gericht steht der 47-jährige Markus W. aus dem sächsischen Frohburg, der früher ebenfalls in der NPD und in der inzwischen verbotenen Kameradschaft Aachener Land aktiv war. Außerdem müssen sich Denise Vanessa G. (23) aus Sachsen und Olaf O. (48) aus Bochum verantworten.

Die Bundesanwaltschaft, die noch gegen sechs weitere OSS-Verdächtige ermittelt, wirft den Angeklagten vor, eine terroristische Vereinigung gegründet und Anschläge auf Asylunterkünfte vorgehabt zu haben. „Konkret war geplant, einen Sprengstoffanschlag auf eine bewohnte Flüchtlingsunterkunft zu begehen”, heißt es seitens der Karlsruher Behörde. Auch wegen des Verdachts, dass eine Gewaltaktion unmittelbar bevorstand, hatten 250 Polizeibeamte im Mai 2015 zahlreiche Wohnungen durchsucht und jene Frau und drei Männer verhaftet, denen nun der Prozess gemacht wird. Angesetzt sind zunächst 30 Verhandlungstage.

Ermittler wurden früh auf die OSS aufmerksam

Der Prozess dürfte nur der Auftakt sein für eine ganze Reihe ähnlicher Verfahren. Ganz offensichtlich haben sich Sicherheitsbehörden und Justiz zum Ziel gesetzt, verstärkt gegen die militanten Anti-Asyl-Gruppen vorzugehen.

Erst in der vergangenen Woche hatten GSG-9-Polizisten im sächsischen Freital im Rahmen einer Razzia fünf Verdächtige der rechtsextremen Gruppierung Bürgerwehr FTL / 360 festgenommen. Kurz zuvor hatte die Bundesanwaltschaft das entsprechende Ermittlungsverfahren gegen die Vereinigung übernommen, die für mindestens zwei Sprengstoffanschläge auf Asylunterkünfte verantwortlich sein soll.

„Versuchter Mord”, lautet in einem Fall der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die Hauptbeschuldigten – Timo S., Patrick F. und Philipp W. – sitzen bereits seit November in Untersuchungshaft. Ähnlich wie bei der Oldschool Society hatte sich die Freitaler Bürgerwehr regelmäßig in einer konspirativen Chatgruppe getroffen und dort über Anschläge auf Asylunterkünfte gesprochen.

Wie Ermittlungsunterlagen belegen, die der „Welt” vorliegen, war der Verfassungsschutz im Fall der OSS frühzeitig auf deren Umtriebe aufmerksam geworden. Im August 2014 erhielt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln demnach erstmals Hinweise auf die rechtsextreme Chatgruppe OSS. Gegen die Mitglieder wurde anschließend der „gesamte Katalog nachrichtendienstlicher Werkzeuge” eingesetzt, heißt es aus Ermittlerkreisen.

Über Monate hinweg wurden Telefone abgehört, SMS- und Chatverkehr überwacht und Verdächtige observiert. Dabei stellten die Verfassungsschützer fest, dass sich die OSS zunehmend radikalisierte. Die Mitglieder sprachen über Gewalttaten gegen Asylbewerber, der Organisationsgrad der ursprünglich rein virtuellen Gruppe nahm immer bedrohlichere Züge an.

Rechte Terrorgruppe mit „Pressesprecher”

Auf der Facebook-Seite der OSS, die im September 2014 ins Leben gerufen wurde, prangte ein martialisches Logo mit Totenschädel und blutigen Fleischerbeilen. Die Rechtsextremisten riefen im Internet teilweise offen zum Kampf auf. „Schwarz ist die Nacht, in der wir euch kriegen. Weiß sind die Männer, die für Deutschland siegen. Rot ist das Blut, auf dem Asphalt” war auf der Facebook-Seite zu lesen. Mehr als 3000 Gefällt-mir-Angaben hatte die Seite zuletzt.

In einem Telefonat, das die Verfassungsschützer mitschnitten, hieß es: „Wir machen dies und machen das, wir zünden Asylantenheime an.” Oder: „Muss ja nicht überall sein, nur da, wo ein paar Leute wohnen, und dann werden halt gezielt Objekte rausgepickt …, und dann wird es einfach gemacht.”

Am 15. November 2014 fand das „Gründungstreffen” der OSS in der Kleingartenanlage von Markus W. in Frohburg statt – womit aus der virtuellen eine reale Organisation wurde. Mit klarer Rollenverteilung, wie der Verfassungsschutz analysierte: Andreas H. wurde „Präsident”, Markus W. „Vizepräsident”. Olaf O. wurde zum „Pressesprecher” und Denise G. zur „Schriftführerin” ernannt, die monatliche Mitgliedsbeiträge einsammelte.

Ein nächtliches Gruppenfoto zeigt die Neonazis vor einem Holzzaun posierend. Die Gruppierung habe sich, ähnlich wie Rockerklubs, eine Satzung gegeben; so beschreiben es die Ermittler. Zudem habe die Führungsriege neben dem Gruppenchat eine eigene Chatgruppe unterhalten – „OSS Geheimrat” genannt.

Bei einem weiteren Treffen im Mai 2015 sollten nach Erkenntnissen der Ermittler die Details für künftige Terroranschläge besprochen werden. „Wir wollen über Themen reden, die man nicht im Internet oder am Handy bespricht”, verkündete Olaf O. „Desweiteren haben wir vor, ein bis zwei Aktionen zu starten.”

So weit kam es nicht. Kurz bevor die OSS-Mitglieder ihre Pläne verwirklichen konnten, griffen die Ermittler zu. Am 6. Mai 2015 fanden Razzien in Sachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern statt. Dabei fanden die Ermittler neben Gas- und Schreckschusspistolen, Schlagstöcken und Messern sowie einem Rucksack voller Nägel auch „pyrotechnische Gegenstände mit großer Sprengkraft”.

Die Feuerwerkskörper vom Typ „Cobra” und „Viper”, die Markus W. und Denise G. wohl in Tschechien erworben hatten, sind hierzulande verboten. Laut Ermittlern wollte die OSS sie mit Nägeln und Brennstoffen ummanteln – eine Konstruktion, die tödliche Folgen haben könnte.

http://www.welt.de/politik/deutschland/article154769090/Dann-knallen-wir-eine-Moschee-nach-der-anderen-hoch.html

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