Home Newspaper NÉMET - Sprachtraining „Besorgt euch einen Anwalt” ist die neue Losung in Washington

„Besorgt euch einen Anwalt” ist die neue Losung in Washington

Manche nennen es schon die Rache von Rod Rosenstein an Donald Trump. Der stellvertretende Justizminister, zuständig für das FBI, hat einen Spezialermittler ernannt, um die Verbindungen von Trumps Wahlkampagne nach Russland aufzuklären. Und das nur wenige Tage, nachdem Trump Rosensteins kritisches Memo über FBI-Chef James Comey zunächst als Grund für dessen Entlassung angegeben hatte. Der zuvor bei beiden Parteien hoch angesehene Rosenstein stand dadurch wie ein Erfüllungsgehilfe von Trump dar, der Ruf scheinbar ruiniert. Er soll sehr wütend gewesen sein darüber, so wird kolportiert.

Nun schlägt Rosenstein offenbar zurück. Was vorher so aussah wie Rosensteins Komplizenschaft bei dem Versuch, die Russlandermittlungen im Sande verlaufen zu lassen, ist nun ins Gegenteil verkehrt. Die Berufung von Ex-FBI-Chef Robert Mueller als Spezialermittler erhöht nicht nur das Risiko für Trump, dass am Ende Justiziables dabei herauskommen könnte für einige seiner Mitarbeiter, was auch auf den Präsidenten abfärben dürfte.

Es ist zudem eine Garantie dafür, dass sich der Fall noch lange hinziehen und nicht, wie Trump so innig hoffte, bald zu den Akten gelegt wird. „Lawyer up“ geht in Washington nun schon als Losung um für Mitarbeiter des Weißen Hauses – besorgt Euch einen guten Anwalt. Mit seiner Verfügung hat Rosenstein dem Druck der Demokraten nachgegeben, die schon lange einen solchen herausgehobenen Ermittler gefordert hatten, der unabhängiger ist vom Justizministerium als ein normaler Staatsanwalt. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es im öffentlichen Interesse ist, meine Zuständigkeiten auszuüben und einen Spezialermittler zu ernennen, der in dieser Sache die Verantwortung übernimmt“, sagte Rosenstein in einer Erklärung.

Justizministerium muss Glaubwürdigkeit wieder herstellen

Es sei den einzigartigen Umständen geschuldet die Ermittlung nun einer Person zu übergeben, die über ein gewisses Maß an Unabhängigkeit von der normalen Befehlskette verfüge. Das sei notwendig geworden, so Rosenstein, damit das amerikanische Volk volles Vertrauen in das Ergebnis der Untersuchung haben könne.

Offenbar haben die Berichte, dass Trump den geschassten FBI-Chef aufgefordert haben soll, Ermittlungen in Sachen Russland gegen seinen Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn einzustellen, den Ausschlag gegeben für Rosensteins Entscheidung. Schließlich steht nun der Verdacht im Raum, Trump habe die Justiz zu behindern versucht.

Und gleichzeitig ist die Führung des Justizministerium, das für das FBI zuständig ist, in ihrer Glaubwürdigkeit beschädigt. Justizminister Sessions, weil er ein ganz früher Trump-Fan ist und Kontakte zu Russland verschwiegen hatte und sich deshalb für befangen erklärte in dieser Angelegenheit. Und Rosenstein selbst, weil er das Memo schrieb, das Comeys Entlassung rechtfertigen sollte. Die Einsetzung eines Spezialermittlers ist da ein Befreiungsschlag, um die Glaubwürdigkeit der Institutionen zu wahren.

Trump von Entscheidung des Justizministers überrascht

Laut Medienberichten soll Trump von der Entscheidung überrumpelt worden und erst eine Stunde vor Bekanntgabe von der Unterzeichnung des Erlasses informiert worden sein. Es dauerte deshalb auch 90 Minuten, bis das Weiße Haus auf die Nachricht reagierte. „Wie ich mehrfach gesagt habe, eine gründliche Untersuchung wird bestätigen, was wir schon wissen – dass es keine heimlichen Absprachen zwischen meiner Kampagne und einer fremden Macht gab“, sagte Trump in einem Statement. „Ich hoffe darauf, dass diese Sache schnell zu einem Ende gebracht wird.“ Tatsächlich hatte das Weiße Haus die Idee eines solchen Sonderermittlers in den vergangenen Tagen jedoch immer abgewiesen.

Mueller ist zwar formal Republikaner, wird aber von beiden Parteien als einer der glaubwürdigsten Strafverfolgungsbeamten des Landes gesehen. Er war erst eine Woche im Amt als FBI-Chef, als die Anschläge vom 11. September 2001 New York und Washington trafen.

Er rettete das FBI damals vor Forderungen, die Behörde angesichts des Versagens im Antiterrorkampf aufzulösen und stellte sie für die veränderte Bedrohungslage neu auf. Der 72-Jährige genießt auch intern ein hohes Ansehen. Obwohl von George W. Bush ernannt bat Barack Obama Mueller nach dem Ablauf seiner 10-jährigen Amtszeit, noch um zwei Jahre zu verlängern.

Spezialermittler berichtet an den Justizminister

Es ist erst das zweite Mal in der Geschichte Amerikas, dass solch ein Spezialermittler ernannt wird. Er hat nicht die umfassenden Kompetenzen wie ein vom US-Kongress eingesetzter Sonderermittler. Diese Funktion, die etwa durch Kenneth Starr ausgefüllt wurde, der das Impeachment-Verfahren gegen Bill Clinton einleitete, wurde jedoch inzwischen abgeschafft.

Der Spezialermittler ist deshalb nunmehr eine der schärfsten Waffe der Strafverfolgungsbehörden, einen Fall von öffentlichem Interesse zu verfolgen, ohne politisch beeinflusst zu werden wie das bei den beiden anhängigen Untersuchungen des Abgeordnetenhauses und des Senats der Fall ist. Mueller berichte zwar weiter an das Justizministerium, aber dank seiner Statur und dem Sonderstatus, den er nun erhalten hat, ist schwer vorstellbar, dass er von Seiten der Trump-Regierung torpediert werden könnte.

Muellers Ernennung wurde von Vertretern beider Parteien in seltener Einmütigkeit begrüßt. Sowohl Demokraten als auch Republikaner bezeichneten den 72-Jährigen als „Mann höchster Integrität“ und als jemand, dem man vertrauen könne. „Er ist exakt die richtige Person, um als Spezialermittler bei der Russlanduntersuchung zu dienen“, sagte etwa der demokratische Minderheitenführer im Senat, Charles Schumer. Einigen anderen Demokraten ging das jedoch noch nicht weit genug und sie forderten die Einsetzung einer unabhängigen Kommission.

Ermittlungen des Kongresses laufen weiter

Die Ernennung von Mueller bedeutet nicht, dass die vom US-Kongress begonnenen eigenen Ermittlungen ausgesetzt werden. Am Mittwoch mehrten sich die Stimmen im Senat, die den geschassten FBI-Chef James Comey anhören wollen, um Auskunft über den Inhalt des Memos zu erhalten, in dem Comey den Versuch einer unangemessenen Einflussnahme Trumps auf die FBI-Ermittlungen festgehalten hatte. Möglicherweise wird Comey schon in der kommenden Woche vor den entsprechenden Ausschuss zitiert.

Zum ersten Mal in Trumps kurzer Amtszeit machte im US-Kongress denn auch das Wort vom Amtserhebungsverfahren die Runde selbst unter Republikanern. Manche können sich schwer vorstellen, dass der Präsident bei dieser Skandaldichte in einem Jahr noch im Amt sein wird. Die Einsetzung eines Spezialermittlers dürfte auch sicherstellen, dass das Thema Russland die Trump-Regierung auf lange Zeit weiter verfolgen und zermürben wird.

Zumal Mueller Vollmachten erhalten hat, die Ermittlungen je nach Bedarf auszuweiten. Das könnte etwa auch den Vorwurf der Justizbehinderung durch den Präsidenten umfassen. Der Belagerungsring um dieses skandalträchtige Weiße Haus ist durch die Ernennung Muellers noch etwas enger geworden.

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