US-Behörden haben gravierende Fehler des Justizsystems eingeräumt: Ungenaue Analysen von FBI-Rechtsmedizinern führten wohl in Hunderten Fällen zu Fehlurteilen. von Ragnar Vogt

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Die mikroskopische Haaranalyse wurde häufig in US-Gerichtsverfahren genutzt, etwa auch im Fall O.J. Simpson im Jahr 1994.  |  © AFP/Getty Images

FBI-Spezialisten haben jahrzehntelang falsche Kriminalanalysen geliefert, die möglicherweise Hunderte Verurteilungen zur Folge gehabt haben. Das geht aus einer Analyse von US-Justizministerium und der Bundespolizei hervor, aus der die Washington Post zitiert. Die Zeitung spricht von einem der größten Rechtsmedizin-Skandale des Landes, das ein jahrzehntelanges Fehlverhalten des Justizsystems offenlege.

Es gehe vor allem um Fälle aus den Jahren 1985 bis 2000. Das FBI überprüft derzeit etwa 2.500 Gerichtsurteile, in denen Analysen der umstrittenen Abteilung verwendet worden waren. Fälle vor 1985 hätten nicht untersucht werden können, da die Akten nicht digitalisiert vorlägen.

In 95 Prozent der bereits überprüften 268 Fälle seien falsche Analysen gegen die Angeklagten eingesetzt worden. In 32 Fällen seien Menschen zum Tode verurteilt worden, 14 von ihnen seien hingerichtet worden oder im Gefängnis gestorben.

Fehleranfällige Methoden

Eine forensische Abteilung des FBI habe für Haaranalysen Methoden verwendet, die sehr fehleranfällig gewesen seien. Die Untersuchungen fanden in Zeiten statt, in denen DNA-Analysen noch nicht flächendeckend etabliert waren. Vielmehr wurde unter dem Mikroskop die Haarstruktur verglichen. Um damit belastbare Aussagen zu bekommen, hätten die Experten auf missverständliche Statistiken zurückgegriffen. Sie seien zudem schlecht ausgebildet gewesen, ihre Arbeit hätten sie mangelhaft dokumentiert, sodass sie kaum überprüfbar gewesen sei.

Auf diese Weise hätten die FBI-Analytiker den Anklägern geholfen: Die Staatsanwälte hätten in vielen Fällen unkorrekte Beweise geliefert bekommen, um ihre favorisierten Verdächtigen anklagen zu können.

Die nun von der Washington Post zitierte Untersuchung habe ergeben, dass in der FBI-Abteilung von den 28 Analytikern 26 falsche Angaben gemacht hätten. Vor allem hätten sie regelmäßig bezeugt, dass „nahezu mit Gewissheit” ein am Tatort gefundenes Haar vom Verdächtigen stamme – und damit die Genauigkeit ihrer Methode deutlich überinterpretiert.

Justizministerium wusste von Problemen

Bereits in den 1990er Jahren wurde bekannt, wie nachlässig die FBI-Abteilung arbeitete. Behörden begannen daraufhin mit einer Überprüfung, die bis 2004 dauerte. Bei 250 von 6.000 untersuchten Fällen seien Unregelmäßigkeiten gefunden worden. Auch das FBI fand bereits im Jahr 2002 über den Vergleich mit DNA-Analysen heraus, wie fehleranfällig seine mikroskopische Haaranalyse ist: In elf Prozent der Fälle lagen die FBI-Forensiker daneben. 

Die Zweifel an den FBI-Analysten habe das Justizministerium allerdings damals nicht für alle zugänglich gemacht, berichtete die Washington Post bereits im Jahr 2012. Vielmehr seien nur die Ermittlungsbehörden der betroffenen Staaten informiert worden. Diese Geheimhaltung habe verhindert, dass die Verfahren neu aufgerollt wurden, so seien vermutlich zahlreiche Menschen unschuldig inhaftiert geblieben. 

Die Organisation Innocence Project ist an der aktuellen Untersuchung beteiligt. „Es ist ein komplettes Desaster: Das FBI hat über drei Jahrzehnte die mikroskopische Haaranalyse genutzt, um Beschuldigte zu kriminalisieren”, kritisierte Peter Neufeld, Gründer des Innocence Projects. „Wir brauchen eine ausführliche Untersuchung, die überprüft, wie FBI, Regierungen und die Gerichte das zugelassen haben und warum das nicht viel früher beendet wurde.”

Forrás: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/usa-rechtsmedizin-fbi-justizskandal