Die Tausenden von Bankern, deren Namen in die USA geliefert wurden, sind nicht vor Strafverfolgung geschützt und können sich gemäss einer Vertreterin der US-Justiz auch nicht sicher fühlen.

«Es ist nicht meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich Schweizer Banker behaglicher fühlen», sagte Nanette L. Davis, eine hochrangige Vertreterin der Steuerabteilung des amerikanischen Justizdepartements (DoJ) an einer Tagung des Europa-Instituts Zürich. Davis ist eine der führenden Staatsanwälte des DoJ beim US-Programm für Schweizer Banken, das die steuerliche Vergangenheit im Konflikt mit den USA bereinigen soll. In ihrer Rede sagte sie ausdrücklich, dass die Jagd auf Schweizer Banker nicht vorbei sei. Schweizer Banker (und Vermögensverwalter), die im Laufe der letzten Jahre mit «unversteuerten US-Geldern in Kontakt gekommen» seien, müssten weiterhin mit einer Anklage des DoJ wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung rechnen, so Davis.

Derart klar wurde das vonseiten des DoJ noch nie gesagt. Seit dem Start des Programms am 29. August 2013 haben die Schweizer Banken der Gruppe 1 (Banken, die zu jenem Zeitpunkt bereits mit den USA direkt Verhandlungen führten) und die 80 Banken aus der unterdessen abgeschlossenen Gruppe 2 (Banken, die sich dazu bekannten, höchstwahrscheinlich US-Steuerrecht verletzt zu haben) Tausende Namen von Mitarbeitern und Vermögensverwaltern in die USA geschickt. Die Lieferung dieser Namen ist Teil der eingegangenen Abkommen. Garantien dafür, was mit den Namen geschieht, wollte das DoJ nie abgeben. Hinter vorgehaltener Hand erklärten die Schweizer Banken aber jeweils, davon auszugehen, dass mit dem Abkommen das Thema auch für ihre Mitarbeiter abgeschlossen sei.

Aktive Hilfe contra Kontakt

War das eine Fehleinschätzung der Banken? Müssen alle Banker, deren Namen in die USA geschickt wurden, damit rechnen, bei einer Einreise in die USA verhaftet zu werden? Oder handelt es sich einfach um eine Drohgebärde der mächtigen US-Behörde? Schliesslich musste diese im bisher einzigen Fall, der vor einem US-Gericht verhandelt wurde, imFall Raoul Weil, eine veritable Pleite hinnehmen. Immerhin bestätigte Davis, dass das DoJ von Schweizer Gerichten angeordnete Verbote zur Datenherausgabe respektieren werde.

Wie sind diese Aussagen von Davis einzustufen? Anwesende Anwälte gaben unterschiedliche Einschätzungen. Mirco Ceregato, Partner der Kanzlei Bratschi, Wiederkehr & Buob, vertritt eine Reihe von Schweizer Banken. Er sagt, dass Banker gefährdet seien, die systematisch und vorsätzlich vermögenden US-Kunden geholfen hätten, Steuern in den USA zu hinterziehen. Mitarbeiter hingegen, welche einige wenige amerikanische Kunden betreut hätten, ohne diesen aktiv zu helfen, ihre Vermögenswerte den USA zu verheimlichen, interessierten das DoJ nicht. «Das trifft wohl für praktisch alle Mitarbeiter der klassischen Schweizer Regional- und Lokalbanken zu», so Ceregato.

Andreas Rüd von Rüd Winkler Partner vertritt mehrere von der Datenherausgabe betroffene Banker. Er meint, die Ausführungen von Davis bestätigten die Befürchtungen, dass das DoJ die Daten entgegen den Behauptungen von Bankenseite zur Jagd auf Kundenberater verwende, die nur ihre Arbeit gemacht haben. «Es ist nur schwer zu ertragen, dass Kundenberater nun die Verantwortung für die Geschäftspolitik der Banken tragen sollen», so Rüd.

Davis sagte zudem, vonseiten des DoJ sei bis jetzt bei keinem Abkommen mit einer Schweizer Bank eine Auflage gemacht worden, dass Bankkader zurücktreten müsse. Auf Nachfrage, warum denn die Chefs unbehelligt blieben, jetzt aber Mitarbeiter verfolgt werden sollten, die mehrheitlich die Anweisungen von oben befolgt haben dürften, nahm Davis nicht direkt Stellung.

Druck auf Brady Dougan?

Angesprochen auf die Credit Suisse (CS), die sich als bisher einzige Bank im Steuerstreit schuldig bekannte, entgegnete Davis: «Meines Wissens ist Brady Dougan nicht mehr Chef der CS.» Was genau das bedeutet, blieb unklar. Die CS selber nahm keine Stellung. Ein mit den Umständen vertrauter Banker sagt, das Schuldeingeständnis der CS habe keinen derartigen Passus enthalten. Dougan trat erst vierzehn Monate nach dem Schuldgeständnis zurück. Prof. Susan Emmenegger von der Universität Bern weist darauf hin, dass es auch im US-Recht keine zwingende Verbindung zwischen einem Schuldspruch für das Unternehmen und einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung gibt. Auf die Frage, warum das DoJ den Fall Raoul Weil verloren habe, antwortete Davis nur: «Für das DoJ war dieser Fall sehr schwierig zu gewinnen.»

An die schwierige Situation der vom DoJ Beschuldigten erinnerte Sean P. Casey, Partner der US-Kanzlei Kobre & Kim. Er sagte, dass weder amerikanische Kunden, die heimische Steuergesetze gebrochen haben, strafrechtlich verfolgt worden seien noch Banken oder deren Chefs, die die Praktiken und Strategien entworfen und erlaubt hatten. Einzig Mitarbeiter seien «angeklagt oder gefangen in der Schweiz», das sei «ungerecht».

NPA für Individuen gefordert

Bekennt sich ein Banker schuldig, muss er gut sechs Monate in den USA verbringen, sagen Anwälte. Der Stress sei «beinahe unerträglich», denn kein Anwalt könne garantieren, dass der Richter ein Urteil ohne Gefängnisstrafe spreche. Hoffnung ermögliche der Fall Weil; auf «nicht schuldig» zu plädieren, sei allerdings extrem schwierig. Voraussetzung seien genügend finanzielle Mittel. Bis zu einem Urteil müssen gemäss einem Anwalt etwa 2 Mio. $. aufgewendet werden. Der Fall Weil dürfte ein Vielfaches davon gekostet haben. Auch wenn dieser Prozess oft, aber nicht immer von den Banken bezahlt wird, sind die Kollateralschäden enorm. Casey forderte, dass auch Einzelpersonen die Möglichkeit haben sollten, ein Nichtanklage-Abkommen (NPA) mit dem DoJ zu schliessen.

http://www.nzz.ch/wirtschaft/wirtschaftspolitik/us-steuerstreit-us-justiz-will-schweizer-banker-weiter-verfolgen-ld.116820