Steht die amerikanische Demokratie moralisch auf derselben Stufe wie die russische Autokratie? Diese Aussage von Donald Trump sorgte am Sonntag für Aufregung, auch unter republikanischen Politikern. Fox News hatte eine kurze Passage des Interviews, das Bill O’Reilly mit Trump führte, vorab veröffentlicht und damit schon einigen Aufruhr ausgelöst. Kurz vor dem spannendsten Super-Bowl-Finale, das es je gegeben hat, wurde dann ein erster Teil des Interviews ausgestrahlt. In ganzer Länge war das Zwiegesprächs mit Bill O’Reilly über Russland dann noch ein wenig seltsamer.
Hier der volle Wortlaut der Passage:
O’Reilly: Respektieren Sie Putin?
Trump: Ich respektiere ihn, aber…
Reilly: Tun Sie das? Warum?
Trump: Nun, ich respektiere viele Leute, das bedeutet aber nicht, dass ich mit ihnen auch auskommen werde. Er ist der Anführer seines Landes. Ich sage es ist besser, mit Russland gut auszukommen als es nicht zu tun. Und wenn Russland uns im Kampf gegen IS hilft, was ein wichtiger Kampf ist, und gegen den islamischen Terrorismus in der ganzen Welt…
Reilly: Richtig.
Trump: …ein wichtiger Kampf, dann ist das gut. Werde ich gut mit ihm auskommen? Ich habe keine Ahnung.
O’Reilly: Aber er ist dennoch ein Mörder. Putin ist ein Mörder.
Trump: Es gibt viele Mörder. Wir haben jede Menge Mörder. Junge, glauben Sie, unser Land ist unschuldig? Glauben Sie unser Land ist so unschuldig?
O’Reilly: Ich kenne keine politischen Anführer, die Mörder sind.
Trump: Nun, schauen Sie sich an, was wir alles getan haben. Wir haben viele Fehler gemacht. Ich war gegen den Krieg im Irak von Anfang an.
O’Reilly: Fehler sind etwas anderes als…
Trump: Viele Fehler – ok – aber viele Leute wurden getötet. Es treiben sich also viele Mörder herum, glauben Sie mir das.
Das war ein bemerkenswerter Austausch. Im Grunde hat Trump damit gesagt, dass die amerikanische Demokratie und die russische Diktatur moralisch gleichwertig sind. Und dass die vielen getöteten kritischen Journalisten und Oppositionspolitiker in Russland vergleichbar sind mit den Toten des Irak-Krieges. Dass Soldaten Mörder sind scheint in seinen Worten auch mitzuschwingen, die jedoch wie so oft offen blieben für Interpretationen.
Es war eine moralische Gleichsetzung, die viele auf die Palme brachte, etwa auch den russischen Oppositionspolitiker und ehemaligen Schwachweltmeister Garry Kasparow, der Zuflucht gefunden hat in den USA. „Die USA mit Putins Russland zu vergleichen ist, als wenn man einen Chirurgen mit Jack the Ripper vergleicht, weil beide die Leute mit Messern aufschneiden“, tweetete Kasparow.
Auch Trumps Parteifreunde waren entsetzt. „Wann wurde ein demokratischer Aktivist von der GOP vergiftet, oder umgekehrt? Wir stehen nicht auf derselben Stufe wie Putin“, tweetete der republikanische Senator Marco Rubio.
Der republikanische Mehrheitsführer im Senat Mitch McConnell, der sich bisher mit Kritik an Trump äußerst zurückgehalten hat, distanzierte sich klar von Trump. „Putin ist ein Schlägertyp“, sagte McConnell. „Die Russen haben die Krim annektiert, sind in der Ukraine eingefallen und haben sich in unsere Wahlen eingemischt. Ich denke, es gibt hier einen klaren Unterschied, den alle Amerikaner verstehen, ich hätte das nicht so dargestellt.“ Es war die deutlichste Kritik McConnells an Trump seit dessen Wahlsieg.
Der konservative Aktivist Erick Erickson meinte sogar, jeder Konservative, der diese moralische Gleichsetzung zwischen den USa und einer Diktatur okay finde, solle sich bitteschön bei Barack Obama entschuldigen. Obama war von konservativer Seite oft vorgeworfen worden, er glaube nicht wirklich an den amerikanischen Exzeptionalismus und entschuldige sich zu häufig für Amerika.
Trumps Verhältnis zu Russland bleibt weiter eines der großen Mysterien dieser Präsidentschaft. Natürlich ist wenig dagegen zu sagen, dass Trump das Verhältnis zu Moskau verbessern möchte – außer vielleicht, dass es etwas naiv ist angesichts der Tatsache, dass genau daran schon Trumps Vorgänger Obama gescheitert war, trotz viel gutem Willen auf amerikanischer Seite.
Aber die Art und Weise wie Trump sich immer wieder vor Moskau stellt und Russlands Autokraten Wladimir Putin verteidigt, ist nicht nur für so manchen Republikaner ein Rätsel und ein anhaltender Skandal.
In dem Interview schien Trump dann zumindest etwas abzurücken von früheren Äußerungen, dass drei bis fünf Millionen falsche Stimmen abgegeben wurden bei der Wahl, die er zwar wegen des Mehrheitswahlrechtes gewann, bei der Hillary Clinton aber 2,8 Millionen Stimmen mehr bekam. „Vergessen sie das“, sagte Trump, als er von O’Reilly darauf angesprochen wurde, dass es für seine Behauptung keinerlei Belege gäbe. Er bestand jedoch darauf, dass es jede Menge Wähler gäbe, die in verschiedenen Bundesstaaten gleichzeitig registriert seien, zudem stünden noch viele Tote in den Wählerlisten und auch illegale Einwanderer. „Das ist eine schlimme Situation, wirklich schlimm“, sagte Trump und kündigte eine Untersuchungskommission unter der Leitung von Vizepräsident Mike Pence an.
Trump droht Kalifornien mit Entzug von Geldern
Zudem drohte er Kalifornien mit dem Entzug von Bundesgeldern, falls sich der Bundesstaat zum einem „sanctuary state“ erklären sollte, der in Sachen illegaler Einwanderer nicht mit dem Zentralstaat zusammenarbeitet. Er kündigte außerdem Steuererleichterungen noch in diesem Jahr an. Bei der Ersetzung der Obamaschen Krankenversicherung durch ein neues System dämpfte Trump jedoch die Erwartungen auf eine rasche Lösung. Der Prozess könne sich bis Anfang kommenden Jahres hinziehen.
Nach dem Trump-Interview wurde die Halbzeitshow des Super-Bowl mit Spannung erwartet, weil unklar war, ob es zu Künstlerprotesten gegen Trump kommen würde. Der zentrale Star der diesjährigen Show, Lady Gaga, enthielt sich jedoch klarer politischer Aussagen – auch wenn manche ihr Eingangslied als solche verstanden haben wollten, etwa Hillary Clinton.
Dafür wurden die TV-Spots zum Ort des leisen Widerstandes gegen Trumps Einwanderungspolitik. Budweiser etwa zeigte einen Spot über die Geschichte eines der Firmengründer, der im 19. Jahrhundert aus Deutschland eingewandert war. Der Hashtag #BoycottBudweiser trendete daraufhin am frühen Abend auf Twitter. Coca Cola staubte einen Spot von 2014 ab, der ganz auf Diversität und Vielsprachigkeit setzte und der im derzeitigen politischen Klima in Amerika plötzlich sehr viel relevanter erschien als noch vor drei Jahren. Auch Airbnb setzte auf Multikulti in einem Spot, der erst kurz vor dem Super Bowl zusammengestellt worden war und mit einem Text unterlegt war, der die Diversität feierte. „Wir glauben, egal wer Du bist oder woher Du kommst, wen Du liebst oder wen Du anbetest, das wir alle dazugehören. Die Welt ist umso schöner, je mehr man akzeptiert.“
Am deutlichsten und umstrittensten war jedoch der Spot des Bauunternehmens „84 Lumber“, der eine hispanische Mutter und ihre Tochter zeigte offenbar auf dem Weg nach Amerika. Im ursprünglichen Spot trafen beide am Ende auf eine gerade entstandene Mauer, das wurde aber von Fox Sport, dem Trump nahe stehenden Fernsehsender, der den Super Bowl übertrug, als zu kontrovers abgelehnt. Die Mauer fehlte dann im ausgestrahlten Spot, aber es wurde auf die Webseite des Unternehmens verwiesen, wo man die zensierten Teile anschauen kann. Trump war am Ende jedoch zufrieden mit dem Super Bowl. Schließlich hatten die Patriots mit dem mit Trump befreundeten Quarterback Tom Brady eine einmalige Aufholjagd geschafft und in der Verlängerung dann gar gewonnen. „Was für ein erstaunliches Comeback und Sieg der Patriots“, tweetete Trump am späten Abend und gratulierte Brady. Es ist am Ende also doch gut gelaufen für Trump.