Der amerikanische Justizminister ist ein Zwitterwesen. Ein Mittelding zwischen einem deutschen Justizminister und einem Generalbundesanwalt. Es ist ein Posten, für den man vom Präsidenten ernannt wird, wie für viele andere staatliche Aufsichtsorgane auch. Der aber gleichzeitig eine gewisse Unabhängigkeit genießt. Weil der Oberaufseher über die Strafverfolgungsbehörden nicht gänzlich Büttel der Politik sein sollte, damit die Justiz nicht in den Geruch der Parteilichkeit kommt.
Damit ist es jetzt in Donald Trumps neuem Amerika erst einmal vorbei. Nicht nur, dass Trump einen äußerst parteilichen und umstrittenen Senator zum neuen Justizminister machen will. Am Montagabend hat er auch kurzerhand die geschäftsführende Leiterin Sally Yates gefeuert, die das Ministerium kommissarisch führte und als Oberstaatsanwältin fungierte, solange Trumps designierter Kandidat noch nicht vom Senat bestätigt ist.
Der Grund: Sie hatte angeordnet, dass die Behörde sich bei Anfechtungen vor Gericht nicht für Trumps neuen Reisebann für Bürger aus sieben muslimischen Staaten einsetzen werde. Weil die Juristin ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit an dem von Trump erlassenen Dekret hatte. Ebenso übrigens wie mehrere Bundesgerichte, die die Abschiebung von vom Bann Betroffenen erst einmal ausgesetzt haben, bis die Sache juristisch geklärt ist. Doch das ficht Trump nicht an. Er ist das neue Gesetz im Land, und wer sich ihm widersetzt, muss gehen.
Kindhafte Diktion
Für Donald Trump ist das nicht einfach nur eine Gewissensentscheidung einer Beamtin, die zu einer anderen Einschätzung kommt als seine radikalen Berater im Weißen Haus, die für das Dekret verantwortlich zeichnen. Es ist ein „Verrat“ am Justizministerium, wie es in einem Statement des Weißen Hauses heißt, das wie die Langform klingt einer jener wütenden Tweets, für die der neue Chef im Weißen Haus berühmt ist. Die von Obama ernannte Yates sei „schwach, was die Grenzen anbelangt“ und „sehr schwach bei der illegalen Einwanderung“, heißt es da in geradezu trumpscher Manier. Man müsste über die kindhafte Diktion dieser offiziellen Presseerklärung lachen, wenn die ganze Sache nicht so furchtbar ernst wäre.
Trumps Reisebann erweist sich als ein einziges Desaster. Das Dekret ist handwerklicher Pfusch, der in deriner Nacht-und-Nebel-Aktion durchgesetzt wurde, ohne maßgebliche Ministerien vorher zu konsultieren. Trumps Heimatschutzminister etwa, der für die Umsetzung verantwortlich ist, wurde erst informiert, als Trump schon den Stift zur Unterschrift gezückt hatte.
Und auch viele Republikaner im US-Kongress fühlen sich hinters Licht geführt, weil das Dekret extremer ist als das, was ihnen angekündigt worden war. Mit dem Feuern der Generalstaatsanwältin bekommt das Ganze aber eine neue Dimension. Zwar ist es nicht außergewöhnlich, dass Generalstaatsanwälte entlassen werden. Außergewöhnlich ist allerdings schon, wenn dies mitten in einer anhaltenden juristischen Kontroverse geschieht. Zumal das Weiße Haus nicht einmal versucht zu vertuschen, dass die Entlassung nackte politische Gründe hatte.
Demokratie wird abgeschliffen
Wohl gemerkt: Es ist das gute Recht des Präsidenten, eine Beamtin zu entlassen, die sich weigert, seine Politik zu vertreten. Allerdings gibt es Bereiche einer Demokratie, die laut Tradition und Übereinkunft dem direkten politischen Zugriff eher entzogen sein sollten als andere. Die Justiz gehört dazu genauso etwa wie die Geheimdienste und das FBI.
Ein Generalstaatsanwalt ist erst einmal Recht und Gesetz verpflichtet und dann erst dem Präsidenten. Doch das ist ein Institutionenverständnis, welches Trump gänzlich fremd ist. Als Geschäftsmann hat Trump versucht, jede Lücke auszunutzen, um bestehenden Gesetzen und den Institutionen ein Schnippchen zu schlagen. Als Präsident glaubt er nun, sie haben ihm stets zu Diensten zu sein. Egal, was kommt.
Viele haben angesichts des autoritären Charakters von Trump die Gefahr eines autokratischen Regimes an die Wand gemalt. Doch wie die Geschichte der Orbáns und Erdogans zeigt, wird die Demokratie heutzutage oft nicht mit Putschen oder einer sichtbaren Machtergreifungen erodiert, sondern mit vielen kleinen Schnitten, die nicht sofort ihren umwälzenden Charakter offenbaren.
Vielleicht nur der Anfang
Stück für Stück werden die Maßstäbe dessen verschoben, was als akzeptables Verhalten durchgehen kann, werden die Institutionen geschleift. Und solch ein kleiner Schritt stellt diese Entlassung dar. Wir können nicht wissen, ob das nur der Anfang einer schiefen Bahn ist. Möglich ist es jedoch.
Wenn Trump so auf gut begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner Dekrete reagiert, was hält ihn dann von weiteren Schritten ab? Etwa davon, die Ermittlungen über Verbindungen einiger seiner Wahlkampfmitarbeiter zu Russland zu ersticken und die Untersuchungen über Russlands Einfluss auf seinen Wahlsieg.
Amerika ist eine stabile, von vielen Institutionen abgesicherte Demokratie. Aber sie ist auch verletzlich. „Die größte dieser Verwundbarkeiten ist das Vertrauen in den Mann oder die Frau, die über die furchterregende Macht der Präsidentschaft verfügt“, schreibt das Magazin „The Atlantic“ in seiner jüngsten Titelgeschichte über die mögliche Etablierung eines autoritären Regimes in Amerika.
Anders als etwa der britische Premier, der stürzt, wenn er die Mehrheit im Parlament verliert, werde der Präsident der Vereinigten Staaten „zuerst und vor allem durch seine eigene Ethik und seinen Gemeinsinn eingehegt“. Was aber, wenn es demjenigen, der dieses höchste Amt ausfüllt, an genau diesen Qualitäten mangelt? Nun, wir werden es bald herausfinden. Die Entlassung der Generalstaatsanwältin war möglicherweise nur ein Anfang.
https://www.welt.de/politik/ausland/article161673689/Trump-ist-das-neue-Gesetz-im-Land.html