Vor seinem Auftritt, noch an Bord der Air Force One, kündigte der Präsident den Journalisten an: „Meine Botschaft wird Einheit sein. Mit einer kleinen Ausnahme. Ihr werdet’s sehen, ich denke, ihr werdet’s mögen.“ Die Botschaft in Donald Trumps Rede, präsentiert vor begeisterten Anhängern im floridianischen Melbourne nahe dem John F. Kennedy Space Center und einem Millionenpublikum vor den Fernsehschirmen, war diese: „Lasst uns eine neue Einheit finden. Wir alle sind Brüder und Schwestern. Wir teilen ein Heim, ein Schicksal und eine glorreiche amerikanische Fahne.“

Die Ausnahme, eigentlich waren es zwei, formulierte Donald Trump zwischendurch: „Die Demokraten machen die falschen Dinge für das amerikanische Volk.“ Sie betrieben „Obstruktion und Destruktion. Sie sollten mit uns zusammenarbeiten, um die Steuern zu senken und Jobs zurückzuholen, aber sie tun das nicht.“

Und, natürlich: „Ich möchte zu euch sprechen ohne den Filter durch die Lügenmedien. Die unehrlichen Medien, die eine Lügengeschichte nach der anderen publiziert haben, ohne Quellen. Und selbst, wenn sie vortäuschen, sie hätten welche, erfinden sie die in vielen Fällen. Sie wollen einfach nicht die Wahrheit berichten. Sie berichten über uns seit nunmehr zwei Jahren falsch, und sie kapieren es nicht, aber sie beginnen es zu kapieren, das kann ich euch sagen.“

President Donald Trump bashes the media at a campaign rally in Melbourne, Florida http://cnn.it/2l7kSqZ 

Einen Monat und einen Tag nach seinem Amtsantritt ist der Präsident dem Weißen Haus entwichen und wieder im Wahlkampf. Das war immer sein Element. Tausende begeisterte Anhänger, Demokraten und demonstrierende Gegner draußen und außer Sichtweite. Und die Medien als Mikrofonhalter in ihren abgegrenzten Presseboxen, denen sich die Trump-Fans nur dann wütend oder feixend zuwenden, wenn ihr Held wieder auf die „fake news“ schimpft.

Über die Demokraten ärgert Trump sich, aber die Medien, die er in einem Twitter-Tweet am Vortag zu „Feinden des amerikanischen Volkes“ erklärt hatte, hasst er: „Sie sind Teil des korrupten Systems. Thomas Jefferson, Andrew Jackson und Abraham Lincoln und viele unser größten Präsidenten kämpften mit den Medien und haben sie wegen ihrer Lügen oft zur Rede gestellt.“ Taten Jefferson, Jackson und Lincoln das? War es nicht oft genau andersherum? Trump verzichtet auf jeden Beleg für seine Selbsteinordnung in die Reihe der Säulenheiligen. „Wenn die Medien das Volk belügen, werde ich ihnen das nie, nie durchgehen lassen. Ich werde alles tun, was ich kann. Sie werden damit nicht durchkommen.“

The FAKE NEWS media (failing @nytimes, @NBCNews, @ABC, @CBS, @CNN) is not my enemy, it is the enemy of the American People!

Hier steht einer, der die Nation gegen „das korrupte System“ verteidigt. Denn „das System“ habe das Land absteigen lassen. „Ich bin hier, weil ich bei meinen Freunden und bei dem Volk sein will“, sagte der Präsident. „Dies war eine große Bewegung, eine Bewegung, wie sie zuvor niemals zu sehen war in unserem Land und wahrscheinlich auch nirgends anders. Dies war eine wirklich große Bewegung. Und ich möchte hier sein mit euch, und ich werde immer mit euch sein, ich verspreche euch das.“

Vor dem Präsidenten die jubelnde Masse, hinter ihm ausgewählte Anhänger, Weiße, Hispanics, ein paar Afroamerikaner mit Pappschildern: „BlacksForTrump2020.“

Dann die übliche Klage, dass „keine Fernsehstation diese Menschenmenge zeigen wird, keine einzige, keine einzige. Sie werden diese Menge nicht zeigen“. Aber das ist Tradition der TV-Sender in den USA und war bei Barack Obamas Reden nicht anders. Selbst der zumeist Trump-freundliche Sender Fox News macht keine Kameraschwenks über die laut Polizei von Melbourne rund 9000 Besucher, sondern richtet das Bild weitgehend starr auf den Redner aus.

Trump-Anhänger bei seiner Rede in Florida
Trump-Anhänger bei seiner Rede in Florida

Quelle: REUTERS/X00157

Kann man Fernsehsender ernsthaft der Manipulation zeihen, wenn sie nahezu allesamt diese früheste Wahlkampfveranstaltung der US-Geschichte live übertragen, samt dem einleitenden „Vater unser“ von First Lady Melania? Trotzdem möchte man CNN, ABC, NBC und den anderen den Rat zurufen, künftig mit der Tradition zu brechen und die Zuschauermengen zu zeigen  – aber bitte auch Anti-Trump-Veranstaltungen so großformatig zu übertragen.

Zur etwa gleichen Zeit demonstrieren Tausende in Los Angeles gegen Trumps Einwanderungspolitik
Zur etwa gleichen Zeit demonstrieren Tausende in Los Angeles gegen Trumps Einwanderungspolitik

Quelle: AP/FR170512 AP

Tatsächlich hat Trump die Kampagne für seine Wiederwahl begonnen, übrigens nicht erst an diesem Samstag in Melbourne. Bereits am 20. Januar, dem Tag seiner Inauguration, übermittelte der Präsident um 17.11 Uhr der Bundeswahlkommission die offizielle Bestätigung über den Start seines Wahlkampfes für 2020, samt dem Hinweis, es handele sich dabei nicht um die formale Erklärung seiner Kandidatur. Aber dieser juristische Schritt 47 Monate vor dem Wahltermin, die früher als von jedem anderen Präsidenten kommt und die Barack Obama für seine Wiederwahl 19 Monate und George H.W. Bush zwölf Monate vor dem Termin übermittelte, räumt dem unterstützenden „Donald J. Trump for President“-Team gewisse steuerliche Vorteile ein.

Die Themen in Melbourne sind die altbekannten. Ein Präsident, der etwas tut. Der Firmen mit Konsequenzen droht, die im Ausland produzieren lassen und Waren dann wieder in die USA einführen wollen. Der Obamas Gesundheitsreform ersetzen will. „Unser Plan wird viel besser sein und zu viel niedrigeren Kosten. Okay? Daran gibt’s nichts zu meckern. Obamacare, denkt daran, ist eine Katastrophe.“ Besser und billiger, in der Tat, wer könnte etwas dagegen haben?

Mattis will mehr Nato-Engagement von Europa

Gleich zwei neue US-Minister sind in Deutschland: James Mattis zur Sicherheitskonferenz in München und Rex Tillerson zum G20-Außenministertreffen. Mattis fordert mehr Engagement von Europäern.

Quelle: N24/ Matthias Heinrich

Andere Ideen von Trump sind nachzuvollziehen: Die Nato-Staaten, sie sind zum Teil reich, aber zahlen nicht ihren proportionalen Anteil für die Verteidigung. Ja, da hat der Präsident recht, Europa hat sich zu lange auf den großen Bruder verlassen und lieber in den Sozialstaat als in die Verteidigungsfähigkeit investiert. Gut, wenn dieser Präsident da einen Kurswechsel verlangt.

Er verspricht erneut einen entschiedeneren Kampf gegen Kriminelle, gegen Drogen, gegen Gewalt. Wer wollte etwas dagegen haben? Die Mauer werde gebaut. Nur zu, wenn sie wirklich nutzt und nicht nur ein volkswirtschaftlich unsinniges Prestigeobjekt ist.

Trump will radikale islamistische Terroristen „zur Hölle aus unserem Land halten“. Er wolle das Land sicher halten. „Schaut euch doch an, was in Deutschland passiert, in Schweden.“ Und in Brüssel, Paris, Nizza und in der ganzen Welt. Was aber, wenn ein Generalverdacht gegen Muslime aus bestimmten Ländern den Rekrutierern der Terrornetzwerke geradezu in die Hände spielt?

Trump überantwortet die Gewaltenteilung dem Müll

Zudem haben „die Richter, so unfair“, Trumps partiellen Einreisebann gestoppt: Der Präsident verliest die Entscheidung des Berufungsgerichts gegen seine Dekrete. Das müssten doch auch „schlechte Hauptschüler verstehen“, wirbt er. „Im Grunde bestätigt es, der Präsident hat das Recht, Leute draußen zu halten, wenn er fühlt, das sei nicht im besten Interesse des Landes. Richtig? Unglaublich, unglaublich.“ Trump zerknüllt die Gerichtsentscheidung, wirft sie mit trauriger Mine hinter sich. Es ist die Gewaltenteilung, die der Präsident hier dem Müll überantwortet.

Obwohl Trump sich überzeugt gibt, dass dieser Richterspruch falsch und absurd sei, will er ihn nicht anfechten, sondern einen neuen Präsidialerlass auf den Weg bringen. „Wir werden nächste Woche etwas tun. Ich denke, ihr werdet beeindruckt sein. Lasst uns mal schauen, was passiert.“

Die Bewegung jubelt. Wird es trotzdem noch Richter geben, die zu ihrer Meinung stehen, wenn diese abweicht von der des Mannes im Weißen Haus?

Trump, der vor den Begeisterten steht, war nie Politiker und er ist es auch nicht geworden. Er ist die Personifizierung des volonté générale, des objektiven Gemeinwillens im Rousseauschen Sinne. Der Wille des Volkes und der seine sind homogen, das ist Trumps tiefste Überzeugung, und darum versteht er nicht, dass ihn die Medien im unleidlichen Washington nicht feiern, sondern kritisieren und attackieren.

Hier, in Melbourne, scheint die Identität zwischen dem Mann da vorne und den Menschen da unten offenkundig und unabweislich. Hier begreift Trump sich nicht als Präsident, als Chef der Exekutive, der mit der Legislative und der Judikative Einvernehmen herstellen muss. Hier ist er Mr. Amerika.

https://www.welt.de/politik/ausland/article162196397/Trump-fluechtet-sich-in-die-jubelnde-Masse.html