Die britische Regierung will den harten Schnitt mit der Europäischen Union. Premierministerin Theresa May lehnt jede Bindung an den Kontinent ab, die irgendeine Form von Mitgliedschaft bedeutet. Sie will sich auch nicht an bereits existierenden Modellen orientieren, beispielsweise an der engen Beziehung zwischen der EU und Norwegen oder der Schweiz.

„Wir wollen eine neue und gleichberechtigte Partnerschaft – zwischen einem unabhängigen, selbstbestimmten globalen Großbritannien und unseren Freunden und Partnern in der EU“, wird May am Dienstag in einer Rede in London sagen, aus der Auszüge der „Welt“ vorliegen.

„Wir wollen keine Teilmitgliedschaft in der EU, keine assoziierte Mitgliedschaft oder irgendetwas, das uns halb drinnen, halb draußen hält. Wir wollen kein Modell annehmen, das bereits andere Länder nutzen. Wir wollen nicht an Teilen unserer Mitgliedschaft festhalten, wenn wir die EU verlassen.“

Kontrolle über Zuwanderung

Mays Ankündigung bestätigt die politische Richtung, die die britische Regierung seit dem vergangenen Herbst eingeschlagen hat. Großbritannien will nach dem avisierten Austritt 2019 nicht mehr Mitglied im EU-Binnenmarkt sein und voraussichtlich auch nicht mehr in der Zollunion. Beides bindet die Briten rechtlich an die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs, verpflichtet sie zur Personenfreizügigkeit und unterbindet eine nationale Handelspolitik.

Vorgaben, die May nach dem Brexit-Votum politisch nicht mehr hinnehmen kann und dafür große Unterstützung in ihrer Partei und im Land findet. Die Konservative hatte von Beginn an klargemacht, dass sie den Ausgang des EU-Referendums am 23. Juni 2016 als Auftrag für die Wiederherstellung nationaler Souveränität versteht. Dazu zählt nach Mays Auffassung die alleinige Kontrolle über die Zuwanderung und die Unabhängigkeit von europäischer Rechtssprechung.

In ihrer Rede am Dienstag wird Theresa May zwölf Verhandlungsprioritäten aufzählen, die wiederum unter vier Prinzipien stehen: Sicherheit und Klarheit, ein stärkeres Großbritannien, ein faireres Großbritannien, ein globales Großbritannien. Prinzipien, in denen sich auch das innenpolitische Programm der seit Mitte Juli 2016 amtierenden Regierungschefin wiederfindet, die die Förderung von Geringverdienern und der Mittelschicht zu ihrer Priorität erklärt hat.

Knallhart positioniert

Das seit Monaten von der Konservativen wiederholte Mantra „Brexit heißt Brexit“ füllt sich damit langsam mit Inhalt. Die Rede am späten Dienstagmorgen im Lancaster House in London wird einer der wichtigsten Meilensteine in der gemeinsamen Geschichte von Großbritannien und der EU werden. „Das Vereinigte Königreich verlässt die EU. Meine Aufgabe ist es, dabei den richtigen Deal für Großbritannien abzuschließen“, heißt es laut Redemanuskript.

Die Premierministerin galt nie als ideologische Anti-Europäerin. Im Wahlkampf vor dem Referendum stand sie aufseiten des Pro-EU-Lagers, wenn auch mit größter, weil kalkulierter Zurückhaltung. Schon als langjährige Innenministerin galt sie als politisch pragmatisch. Mit ihrem Abwenden vom Unionsmodell will sie vor den voraussichtlich diesen April beginnenden EU-Verhandlungen klare Fronten schaffen – und sich knallhart positionieren.

>>> Lesen Sie hier das Interview mit Philip Hammond im Wortlaut.

In diesem Zusammenhang sieht man in London auch die Warnung ihres Finanzministers Philip Hammond. Der Schatzkanzler hatte im Gespräch mit der „Welt am Sonntag“ indirekt mit Steuerdumping gedroht, sollten die 27 anderen EU-Staaten den Briten den Zugang zum europäischen Markt versperren. Das jüngste Versprechen des neuen US-Präsidenten Donald Trump, mit den Briten einen „schnellen und guten“ Freihandelsvertrag abzuschließen, hat der Tory-Regierung mit ihrer kraftvollen Haltung gegenüber der EU willkommenen Rückenwind verschafft. London, so viel ist am heutigen Dienstag klar, setzt auf den Showdown mit Brüssel.

https://www.welt.de/politik/ausland/article161240317/Theresa-May-riskiert-den-Showdown-mit-der-EU.html