Noch sind es alles nur Worte. Allerdings lässt sich mittlerweile absehen, wohin die finanzpolitische Reise unter Donald Trump gehen wird: Die Steuern will der neue US-Präsident kräftig senken. Damit begibt er sich auf eine Linie mit der britischen Regierungschefin Theresa May.
Großbritanniens Finanzminister Philip Hammond hatte im Interview mit der „Welt“ bereits angekündigt, die Unternehmensteuern auf das niedrigste Niveau aller Industrieländer zu senken. Das läge dann bei etwa zehn Prozent. In den USA gibt es schon Forderungen, die Körperschaftsteuer ganz zu streichen.
Für die Europäer, vor allem auch für die exportstarken Deutschen, wäre das ein Affront. Großbritannien und die USA als zwei der wichtigsten Standorte in der westlichen Welt würden Unternehmensgewinne viel niedriger besteuern. Firmen dürften daher bei neuen Investitionen überlegen, ob sie Fabriken und Büros nicht lieber dort aufbauen. Das Vorgehen der beiden Staaten in Fragen der Finanzpolitik erscheint derzeit so aggressiv, dass es nach einer europäischen beziehungsweise deutschen Antwort schreit.
Ratlosigkeit in Deutschland
Hier aber bleibt vorerst alles still. „Wir können nicht auf jede Ankündigung reagieren“, hieß es in Regierungskreisen. Man warte in Berlin erst einmal ab, was dann tatsächlich Realität werde. Erst dann könne man reagieren. Gelassenheit statt Hektik soll das signalisieren.
Es signalisiert allerdings auch eine gewisse Ratlosigkeit. Wie geht man mit zwei der wichtigsten Wirtschaftspartnern um, wenn die plötzlich von gemeinsamen Absprachen und Verträgen nichts mehr wissen wollen? Wie reagiert man darauf, wenn sie ankündigen, bestehende Abkommen nicht mehr zu ehren. Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten. In London und Washington scheint sich um diesen ehernen Grundsatz derzeit keiner zu scheren.
Das ist auch einer der Gründe, warum man im Bundesfinanzministerium für die kommende Legislaturperiode ernsthaft über eine Reform der Unternehmensbesteuerung nachdenkt. Einerseits will der Bundesfinanzminister Waffengleichheit bei der Besteuerung von Kapital- und Personengesellschaften, sprich Rechtsformneutralität. Nur könnte das gerade kleine Unternehmen eher belasten. Andererseits scheint es nun aber auch Überlegungen zu geben, die deutsche Wirtschaft insgesamt zu entlasten. „Wir sind in einem Prozess“, hieß es bei Nachfrage dazu von der Bundesregierung. Es sei aber noch zu früh, um konkrete Aussagen zu machen.
Keine Steuersenkungen vor der Wahl
Steuersenkungen, erst recht für die Wirtschaft, sind in der regierenden schwarz-roten Koalition im Bund ein heißes Eisen. Der Koalitionsvertrag sieht keine Steuersenkungen vor. Die SPD würde sie ohnehin nur akzeptieren, wenn die Steuerausfälle an anderer Stelle kompensiert würden. Union und Sozialdemokraten werden sich zumindest in dieser Legislaturperiode nicht auf eine Steuerreform für Firmen einigen – auch weil das Thema genug Munition für den anstehenden Wahlkampf bietet.
Dennoch müssen Deutschlands Politiker sich überlegen, wie sie nun reagieren. „Deutschland muss sich auf einen verstärkten Standortwettbewerb einstellen“, warnt Wolfgang Steiger, der Generalsekretär des Wirtschaftsrats der CDU. „Wir werden unter Umständen sehr schnell auf Steuersenkungen in den USA und Großbritannien reagieren müssen. Die von Wolfgang Schäuble angekündigte Reform der Unternehmensbesteuerung muss dafür genutzt werden.“
Steiger warb für eine breite Entlastung der Steuerzahler: „Generell gibt es bei 140 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen bis 2021 auch genug Spielraum neben einer Entlastung für mittlere Einkommen auch für Unternehmen Steuern zu senken, um im Wettbewerb mit den USA und Großbritannien mithalten zu können.“
Schäuble wollte Unternehmenssteuer harmonisieren
Bislang ist von solchen Summen in der Bundesregierung allerdings nicht die Rede. Über 15 Milliarden Euro an Entlastung bei der Beseitigung der sogenannten kalten Progression denkt Schäuble nach. Wie viel er für eine Reform der Unternehmensteuer veranschlagt, ist bislang unklar, vielleicht noch nicht einmal geklärt.
Für Schäuble kommt die Entwicklung ohnehin zur Unzeit. Eigentlich war der Bundesfinanzminister darauf aus, über die EU zu einer Harmonisierung bei den Unternehmensteuern zu gelangen. Kein Steuerwettbewerb, vergleichbare Bemessungsgrundlagen. Mit der Entwicklung im Vereinigten Königreich und den USA aber dürfte es sehr viel schwieriger werden, diesen Ansatz umzusetzen.
Jeder ist sich bei solchen Fragen in der Regel selbst der Nächste. Wenn Briten und Amerikaner erst Druck machen, werden sich die Europäer sehr beeilen müssen, eine gemeinsame Antwort zu finden. Vermutlich klappt das nicht. Und dann wird jedes Land sehen müssen, wie es mit der neuen Herausforderung zurechtkommt.
Carsten Linnemann, der Chef der Mittelstandsunion, wollte sich zum Thema Steuern zwar nicht äußern, machte aber grundsätzlich klar, dass es an der Zeit sei, sowohl im Aus-, als auch im Inland für offene Märkte zu werben und den Menschen klar zu machen, dass alle von offenen Märkten profitierten. „Wenn wir das nicht schaffen, wird die Realität die Kritiker irgendwann einholen.“
https://www.welt.de/wirtschaft/article161481761/Steuerplaene-von-Trump-und-May-setzen-Schaeuble-unter-Zugzwang.html