Spaniens Justiz ermittelt gegen mehrere hohe russische Funktionäre. Ihnen werden Kontakte zum organisierten Verbrechen vorgeworfen.

In aller Stille hat Spaniens Justiz internationalen Haftbefehl gegen zwölf zum Teil sehr prominente Russen erlassen. Ihnen werden Mord, Erpressung, Drogen- und Waffenhandel sowie Geldwäsche vorgeworfen. Bekannt wurden die schon im Januar ausgestellten Haftbefehle erst in der vergangenen Woche, nachdem die Zeitung «El Mundo» laut eigenen Angaben Zugang zur Anklageschrift erhalten hatte. Spektakulär sind nicht nur die Vorwürfe gegen die Verdächtigen, die alle in Russland leben. Brisant ist auch, dass es sich bei ihnen um jetzige oder einstige Vertreter des russischen Machtapparats aus dem Umfeld von Präsident Putin handelt.

Mehrere ehemalige Minister

Auf der Liste steht beispielsweise Wladislaw Resnik, ein Duma-Abgeordneter und stellvertretender Vorsitzender des Finanzmarktausschusses. Auch Wiktor Subkow, der zwischen 2007 und 2008 russischer Ministerpräsident war, gehört zu den Gesuchten. Der ehemalige Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow sowie weitere Personen aus dem russischen Sicherheitsapparat runden die illustre Schar der Verdächtigen ab. Der spanische Ermittlungsrichter José de la Mata sieht laut der 55 Seiten umfassenden Anklageschrift enge Verbindungen der Betroffenen zu Gennadi Petrow, der als mutmasslicher Chef der Tambow-Mafiagruppe Verbrechen in Spanien begangen haben soll.

Die vom Nationalen Gerichtshof ausgestellten Haftbefehle sind das Ergebnis jahrelanger Ermittlungen im Zusammenhang mit der sogenannten «Troika»-Operation. Unter diesem Codenamen war der spanischen Polizei 2008 ein bedeutender Schlag gegen die russische Mafia gelungen. Bei der Aktion war Petrow in seiner Residenz auf Mallorca festgenommen worden. 2012 kam er aber gegen Kaution wieder auf freien Fuss und floh nach Russland. Die von ihm kontrollierte Bande soll in Spanien Dutzende von Millionen Euro gewaschen haben. Petrow wird zur Last gelegt, mithilfe von Anwälten ein undurchsichtiges Geflecht von Unternehmen geschaffen zu haben, die keinerlei kommerzielle Aktivität ausübten.

Die spanischen Ermittler, die sich unter anderem auf Abhörprotokolle stützen, befanden, Petrows Netzwerk hätten Ministerien und den Sicherheitsapparat Russlands infiltriert. Der frühere Agent Alexander Litwinenko, der (Verweis) mit dem spanischen Geheimdienst zusammengearbeitet haben und bei der Zerschlagung krimineller russischer Vereinigungen geholfen haben soll, war 2006 von spanischen Ermittlern offenbar auch eingeladen worden, um über die Aktivität russischer Krimineller und ihre Verbindungen zum Kreml auszusagen. Zu der Reise kam es nicht. Litwinenko starb an einer Polonium-Vergiftung in London.

Moskau macht Druck

Wie die spanische Internetzeitung «Vozpopuli» berichtet, sollen Mitglieder der russischen Generalstaatsanwaltschaft vor wenigen Wochen nach Madrid gereist sein, um die spanischen Behörden zu bitten, besagte Mafia-Ermittlungen den russischen Behörden zu überlassen. Diese Bemühungen seien aber bisher ohne Erfolg geblieben. Die Zeitung «El Mundo» äusserte auf Anfrage die Vermutung, dass die spanischen Behörden den Haftbefehl gegen russische Funktionäre aus politischen Gründen zunächst geheim gehalten haben könnten. Man habe den Kreml wohl nicht verärgern wollen.

http://www.nzz.ch/international/europa/internationale-haftbefehle-spaniens-justiz-nimmt-putins-umfeld-ins-visier-ld.82537