Viele Parasiten durchwandern bei ihrer Entwicklung mehr als einen Wirt: So sind Katzen bei der bekannten Toxoplasmose der Hauptwirt, in anderen Säugetieren reift der Einzeller heran. Was dabei besonders verstörend erscheint: Infizierte Zwischenwirte zeigen auffällige Verhaltensänderungen. Toxoplasmen sind in der Lage, Signalwege im Gehirn zu beeinflussen. Mäuse beispielsweise verlieren ihre Angst vor Katzen, wenn sich der Erreger in ihrem Körper breit gemacht hat.

Ein ähnlich bizarres Phänomen hat jetzt eine finnisch-russische Forschergruppe untersucht. Ein Egel mit dem wissenschaftlichen Namen Diplostomum pseudospathaceum lebt in fischfressenden Vögeln, die ihm als Hauptwirt dienen. Seine Eier scheiden die Vögel aus. Im Wasser reifen sie zu frühen Entwicklungsstufen, die von Süßwasserschnecken gefressen werden.

Die älteren Tiere werden von der Schnecke wieder abgegeben und befallen gezielt bestimmte Raubfische. Durch deren Haut wandern sie bis zum Auge und setzen sich in der Linse fest. Von dort aus scheinen sie das Verhalten beispielsweise einer Forelle steuern zu können, schreiben die Forscher in ihrer Studie.

Großer Unterschied zwischen reifen und unreifen Parasiten

Bereits vor zwei Jahren hatte sich die Arbeitsgruppe mit dem Phänomen beschäftigt und konnte Verhaltensauffälligkeiten nach der Infektion mit dem Egel beobachten. Wenn die Larven des Parasiten noch unreif im Fischauge heranwuchsen, bewegten Forellen sich besonders vorsichtig in ihrer Umgebung.

Im Vergleich zu gesunden Fischen verhielten sich die infizierten im Wasser eher passiv und waren somit als potenzielles Beutetier schwieriger zu erkennen. Auch Fangversuchen mit einem Netz schienen sie sich besser entziehen zu können.

In einer aktuellen Versuchsreihe wurde das Verhalten der Forellen untersucht, die bereits reifere Egel in den Augen beherbergten. Das erstaunliche Ergebnis: Ganz im Gegensatz zu den Tieren mit unreifen Parasiten, verhielt sich die letzte Gruppe äußerst auffällig. Sie hielt sich dicht unter der Wasseroberfläche auf und bewegte sich vermehrt aktiv durch das Gewässer. Für Vögel auf der Suche nach Beute konnten diese Fische leicht zum Opfer werden.

Die Verhaltensänderungen passen gut zu den Bedürfnissen der Parasiten: Im unreifen Stadium wäre es fatal, wenn sie im Magen des Hauptwirts landen würden. Dort könnten sie ihre Entwicklung nicht fortsetzen. Als reife Parasiten müssen sie jedoch in den Magen der Vögel gelangen, um sich dort reproduzieren zu können. Offensichtlich können die Egel je nach Reifegrad das Verhalten ihres Wirtsfisches steuern.

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