Ein 40-jähriger Mann feiert mit einem Freund, steigt betrunken ins Auto und verursacht einen Unfall. Ein paar Stunden später begeht er Selbstmord in einer Polizeizelle. Warum? Eine Spurensuche.

Ein Mann hat sich in der Nacht auf Montag (29. 9. 2014) in einer Abstandszelle der Kantonspolizei Zürich in Urdorf erhängt. Er hatte zuvor einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht. Es bestehen keine Hinweise auf eine Dritteinwirkung.

Medienmitteilung der Kantonspolizei Zürich.

Andreas Küng* ist auf dem Weg nach Hause. Irgendwann vor 21 Uhr am Sonntagabend steigt er in seinen Firmenwagen, einen weissen Fiat Panda, und fährt in Birmensdorf los. Er war bei einem Freund, dem er geholfen hat, Steckdosen zu installieren, und hat danach mit ihm auf dem Balkon Bier und Schnaps getrunken. Er wäre gerne länger geblieben, aber sein Freund, ein vierfacher Familienvater, hat ihn gedrängt aufzubrechen. Also ist er gegangen.

Es ist schon dunkel, aber noch recht mild. Der Himmel ist bedeckt, die Strasse trocken, und er hat jetzt noch einen Kilometer Fahrt vor sich bis zu seiner Wohnung in Oberwil-Lieli (AG). Dort liegen seine Hosen und sein T-Shirt sauber zusammengefaltet bereit für die Arbeit am Montag. Auf dem Herd steht ein Topf mit vorgekochter Pasta fürs Mittagessen. Seine beiden Katzen Ying und Amos warten darauf, dass sie gefüttert werden. Doch Andreas Küng verliert in der tückischen Linkskurve die Kontrolle über sein Fahrzeug. Ungebremst kracht er mit 80 km/h in einen Zaun und eine Thujahecke. Das Auto wird zurück auf die Strasse geschleudert und bleibt quer zur Fahrbahn stehen.

Schuldgefühle

«Ich fahre nicht gerne dort durch. Ich sehe dann diese Nacht. Ich sehe, wie alles angefangen hat.» Claudia Küng* zündet jeden Tag eine Kerze an für ihren Andi. Auch anderthalb Jahre nach der verhängnisvollen Nacht. Sie hat die dunkle, raue Stimme einer Raucherin, ihre Augen wirken unendlich müde. Wenn sie von ihrem Sohn erzählt, dann flüstert sie beinahe. Die Trauer schnürt ihr den Hals zu. Schuldgefühle nagen an ihr, Fragen zermartern ihren Kopf. Hätte sie anders reagieren können, hätte sie vielleicht nicht darauf insistieren sollen, dass ein Notfallpsychologe aufgeboten wird? Und sie hat eine Wut im Bauch. Darüber, dass niemand nach ihrem Sohn geschaut hat, als er verzweifelt in der Zelle sass. «Manchmal denke ich, ich will jetzt auch nicht mehr. Aber dann sage ich: Nein Andi, ich zeige dir, dass ich stark bin.»

Um 21 Uhr 18 klingelt bei Claudia Küng das Handy. Es ist ihr Sohn. «Mami, es ist etwas Schlimmes passiert. Ich hatte einen Unfall, und jetzt ist die Polizei da und die Feuerwehr.» Sie komme zu ihm, sagt sie, wo es denn passiert sei. «Kurz vor Oberwil-Lieli, nach dem Blumenfeld.»

Stationen einer verhängnisvollen Nacht

Am Ende des Tunnels sieht sie bereits die Lichter der Feuerwehr. Sie schaltet die Warnblinker ein und fährt im Schritttempo dorthin, wo ihr Sohn verunfallt ist. Der weisse Kleinwagen ist vorne rechts zerknautscht, das Dach hinten links ist eingedrückt, der Airbag hängt schlaff vom Steuerrad. Ein Teil des Zauns hat sich in den Wagen verheddert, Dreck liegt quer über die Fahrbahn verstreut. Die Polizistin Veronika Hauser* führt die Mutter zu ihrem Sohn.

Der ist die letzten Minuten unruhig hin- und hergegangen und ist wütend. Die Polizei hat Schwierigkeiten, ihn zu befragen. «Ein Scheiss ist eben passiert», sagt er zu Marc Aebersold,* der ihn mit einiger Geduld dazu bringt, ins Röhrchen zu blasen: 1,23 Promille. Es sei ja offensichtlich, dass er betrunken sei, sagt er genervt zum Polizisten. Wie es zum Unfall gekommen ist, weiss er nicht. Erst als das Auto quer stand, habe er gemerkt, wo er sei. Als er nun seine Mutter sieht, geht er zu ihr und nimmt sie in den Arm. Polizistin Hauser hört mit, wie er zu ihr sagt: «Mami, sei nicht traurig, wenn ich jetzt hier verrecke.»

Witzbold und Pedant

Andreas Küng erträgt keine Fehler. Schon als Kind putzte er seine Schuhe selbst. Wenn er sein Zimmer aufräumte, war immer alles blitzblank. Jetzt, als 40-Jähriger, kontrolliert er von Berufes wegen Elektroinstallationen. Mit seinen ellenlangen Protokollen und seiner Pedanterie geht er seinen Kollegen manchmal gehörig auf die Nerven. Aber auch mit sich selbst geht er hart ins Gericht. Als er einmal ein Messgerät verliert, entschuldigt er sich zigmal bei seinem Chef, ärgert sich schrecklich über sich. Ein spezieller Typ sei er gewesen, sagen jene, die ihn gekannt haben. Mal ein Witzbold an Festen, der begeistert darüber berichtete, wie er sich eine kühlschrankgrosse Musikbox gebaut hat. Aber auch einer, der extrem schnell gekränkt sein konnte, wenn er sich ungerecht behandelt fühlte. Wegen eines belanglosen Streits mit einem Kollegen will er einmal alles hinschmeissen. Zwei Stunden lang spricht sein Chef mit ihm am Telefon, bringt ihn allmählich auf den Boden zurück. Dann ist die Welt wieder in Ordnung für Küng.

«Ich weiss, dass ich einen Seich gemacht habe», sagt er im Streifenwagen zu Marc Aebersold. Zusammen mit dem Polizisten Martin Schmid* sind sie unterwegs ins Spital Limmattal zur Blutentnahme, die später zeigen wird, dass er 1,8 Promille Alkohol im Blut hatte. Auf der Fahrt hadert Küng weiter: Das Firmenauto zusammengelegt im Vollsuff habe er, was er jetzt nur tun solle. Seine Stimmung schwankt hin und her. Einmal ist er nachdenklich, dann wieder wütend. Wie auch jetzt im Spital: «Das ist doch alles ein Scheiss hier», flucht er, als ihn ein Arzt untersuchen will. Nachdem er sich etwas beruhigt hat, erzählt er, dass er Psychopharmaka schluckt wegen Schlafstörungen und einer leichten Depression. Auch seine Mutter ist nun zusammen mit den Polizisten im Untersuchungszimmer. Sie müsse sich keine Sorgen mehr machen, sagt er zu ihr. Morgen werde er nicht mehr da sein. Er werde einfach eine Handvoll Tabletten schlucken.

Der Vater hat die Familie verlassen, als die Kinder noch klein waren. Zur Beerdigung seines Sohnes ist er nicht erschienen.

Aebersold geht mit Claudia Küng vor die Tür. Sie will, dass ein Notfallpsychiater aufgeboten wird, der prüfen soll, ob man ihren Sohn fürsorgerisch unterbringen muss. Via Funk fordert die Polizei einen Arzt an. Später verlassen sie gemeinsam das Spital. Die Polizisten fahren zusammen mit Andreas Küng voraus, die Mutter folgt in ihrem Wagen durch die Dunkelheit nach Urdorf.

Küngs Vater hat die Familie verlassen, als die beiden Kinder noch klein waren. «Er war gewalttätig gegen mich und die Kinder», sagt Claudia Küng. Andi hat sie mit 17 bekommen und dann gleich geheiratet. Vier Jahre später ist sie bereits wieder geschieden, zieht Andreas und seine Schwester alleine auf. Das schweisst die kleine Familie zusammen. Der Kontakt zum Vater hingegen bricht komplett ab. Und so wird er auch nicht erscheinen, als sein Sohn im Oktober 2014 auf dem Friedhof Nordheim beerdigt wird.

Nichts als ein Plasticsack

Andreas Küng ist mit 24 von zu Hause ausgezogen. Eine Zeitlang hat er in Thailand gelebt. Eine längere Beziehung mit einer Frau ging in die Brüche. Später suchte er die Liebe auch auf Online-Dating-Plattformen. Er wollte Kinder, eine Familie. Zu Hause fühlte er sich manchmal einsam. Er sammelte Steine und zeichnete auf Papier kunstvolle Ornamente, die seine Mutter nun in einem Regal im Wohnzimmer ausgestellt hat. Aus einem Bilderrahmen blickt ein Jüngling in den Raum, herausgeputzt in der Ausgangsuniform des Schweizer Militärs. Rote Wangen, blaue Augen, blonde Strähnen unter dem schwarzen Béret. Und ein Lausbubengrinsen.

1 Paar Schuhe, 1 Ledergürtel schwarz, 1 Pack Zigaretten mit Feuerzeug, 1 Jacke Swisscom, 1 Zutrittsausweis, CHF 2.–, 1 Tomtom Navi, 1 Armbanduhr silber, 1 Halskette Gold mit Anhänger, 1 Fz-Schlüssel Fiat, 1 Brief, 1 Samsung Handy.

Bescheinigung der Kantonspolizei Zürich.

«Können Sie sich vorstellen, wie das ist? Sie sind mit Ihrem Sohn auf den Polizeiposten gegangen, und wenn Sie den Posten wieder verlassen, ist alles, was Sie bekommen, so ein Plasticsack mit seinen Sachen.»

Andreas Küng hatte Angst, dass ihn sein Unfall auf der Lielistrasse seinen Job kosten könnte. (Bild: Christoph Ruckstuhl / NZZ)

Vor dem Stützpunkt lassen ihn die Polizisten noch eine rauchen. Sie stehen direkt beim Eingang des dreistöckigen Gebäudes in Urdorf. Es ist ruhig auf dem Werkhofareal, nur das Rauschen der Autobahn ist gelegentlich aus dem Hintergrund zu hören. Der Blick geht auf den Wald, der wie eine schwarze Wand dasteht. Küng will weg, nach Hause, hat Tränen in den Augen. Mit beiden Händen umfasst er zärtlich das Gesicht seiner Mutter: «Mami, ich weiss, dass du stark bist. Du musst stark sein, wenn ich nicht mehr da bin. Du schaffst das.» Die Polizisten drängen darauf, in den Posten zu gehen. Küng folgt genervt. «Denen muss ich dann wieder Kabel installieren, damit sie ihre Filmchen schauen können», ruft er seiner Mutter in spöttischem Ton zu.

Sie kommt mit, bleibt aber im Vorraum stehen und schaut zu, wie Aebersold und Schmid mit ihrem Sohn durch die Glastüre gleich links neben dem Empfang gehen, hinein in den engen Gang, vorbei an grünen Türen und Fotos an den Wänden. Er wehrt sich, dreht sich immer wieder zu ihr um, flucht. Aebersold versucht, ihn vorwärtszuschieben, indem er ihm die Hand gegen das Schulterblatt drückt. Dann dreht Aebersold kurz den Kopf zur Mutter, die im Türrahmen steht, und ruft ihr zu, sie solle aus dem Blickfeld gehen, damit ihr Sohn mitkomme. Sie geht zur Seite. Es ist das letzte Mal, dass sie ihren Sohn lebend sieht.

Mit einem T-Shirt, einem Unterhemd, einer Unterhose und Socken bekleideter Leichnam eines 40 Jahre alt gewordenen Mannes, hängend unter dem Gitter des Lüftungsschachtes einer Einzelzelle des Stützpunktes der Verkehrspolizei Urdorf. Um den Hals des Leichnams eine blaue Jeanshose, welche vor beiden Ohren nach oben Richtung Schläfen zieht. Jeweils beide Hosenbeine der Jeanshose sind mit einem Knoten im Gitter des Lüftungsschachtes verankert. Auf dem Boden der Zelle unter dem Leichnam sowie an einem mit Gitter verschlossenen Fenster finden sich wenige, vertrocknete, blutverdächtige Antragungen.

Aus dem rechtsmedizinischen Bericht.

Er will nicht in die Zelle. Das sei «grusig» hier, sagt er, nachdem ihn die Polizisten ins Untergeschoss des Stützpunktes geführt haben. Sie stehen in einem Vorraum, der zu zwei Zellen mit dunkelgrünen Stahltüren führt. Es bleibe ihm nichts anderes übrig, sagen ihm die Polizisten. Er sei vorläufig verhaftet und müsse nun hier warten, bis der Notfallarzt komme. Er soll jetzt in die Zelle gehen und sich für die Leibesvisitation ausziehen.

Das macht Küng nicht freiwillig, also stossen sie ihn hinein in den schmalen Raum und setzen ihn dann aufs Bett, das eher ein erhöhter Boden mit einer dünnen, grauen Matratze darauf ist. Während ihm Aebersold und Schmid die Schuhe und die Socken ausziehen, sieht er links das Fenster, mit dem weissen Gitter davor, das grüne Holztischen gegenüber, das aus der Wand ragt, und in der rechten Ecke bei der Türe die Toilette und das Spülbecken. Er hilft nun auch mit, zieht sich bis auf die Unterhosen selber aus, während die Polizisten – es stehen nun noch zwei weitere zur Verstärkung im Gang – seine Kleider kontrollieren und ihm Schuhe und Gurt abnehmen. Doch als ihm Schmid sagt, dass er jetzt auch noch die Unterhose ausziehen soll, wird er sauer. «Dann ziehe ich die blöde Unterhose halt auch noch aus, ich muss eh aufs WC.» Unwürdig findet er das alles. Besonders als sie ihm jetzt auch noch den Intimbereich kontrollieren und er die «Füdlibacken» spreizen soll. Er lässt es über sich ergehen und zieht sich wieder an.

Als Schmid die Türe schliesst, sieht er Küng, wie er noch immer vor dem Bett kniet, den Oberkörper auf der Matratze, die Arme seitlich ausgestreckt.

Aber nun ist Küng geladen. Er will raus aus der Zelle, unbedingt. Als die Polizisten versuchen, die Türe hinter ihm zu verschliessen, wirft er sich dagegen, wuchtet sie auf und versucht hinauszustürmen. Zu viert packen sie ihn, Schmid nimmt ihn von hinten in den Würgegriff. Küng versucht sich mit seiner ganzen Kraft loszureissen. Schmid verliert das Gleichgewicht und fliegt mit ihm rücklings auf den schwarzen Plasticboden in der Zelle. Sie halten ihn fest, bis sich die Situation wieder etwas beruhigt. Es ist laut. Er solle jetzt einfach in der Zelle bleiben, sagen ihm die Polizisten.

Nochmals versuchen sie den Raum zu verlassen, wieder stürmt Küng gegen die Türe. Er ist ausser sich, die Polizisten haben Mühe, ihn festzuhalten. Ob sie jetzt wirklich noch den Taser einsetzen müssten, droht einer der Polizisten. «Gebt es mir doch», schnaubt Küng. In einem wilden Handgemenge treiben sie ihn zum Bett, zwingen ihn in die Knie. Rechts und links hält je ein Polizist seinen Arm fest, seinen Oberkörper drücken sie auf die Matratze. Er kann sich nicht mehr bewegen. Schmid redet auf ihn ein. Er verschlimmere doch alles nur mit seinem Verhalten. Aber wenn er sich jetzt anständig benehme, dann würden sie im Rapport nichts vom Handgemenge erwähnen, verspricht er ihm. Er brauche sein Ehrenwort, so von Mann zu Mann, dass er sich jetzt ruhig verhalte, dann liessen sie ihn los. Küng willigt ein, und die Polizisten verlassen die Zelle. Als Schmid die Türe schliesst, sieht er Küng, wie er noch immer vor dem Bett kniet, den Oberkörper auf der Matratze, die Arme seitlich ausgestreckt.

Letzte Worte

«Er fehlt mir einfach», sagt seine Mutter. Sie sitzt am Küchentisch. Auf ihrem Handy zeigt sie Bilder von einem gewaltigen Wolken- und Lichtschauspiel. «Das war im Januar nach seinem Tod. Ich war sehr traurig an diesem Tag, und dann habe ich auf dem Balkon dieses Spektakel gesehen, und meine Trauer war weg. Ich dachte mir: Das kommt von Andi. Als würde eine Macht von Engeln über alles hinwegschweben. Ich habe geweint ob dieser Schönheit. Aber jetzt denken Sie bestimmt, ich sei verrückt geworden.» Und da lacht sie für einmal.

Schmid und Aebersold packen ihre Sachen zusammen. Es ist kurz vor Mitternacht. Ihr Dienst wäre schon seit zwei Stunden zu Ende. Oben in der Zentrale sagt Schmid zu Thomas Fuchs*, der in Abwesenheit der beiden Gruppenchefs die Leitung des Nachtdienstes übernommen hat, man solle unbedingt noch nach Küng schauen. Aebersold unterhält sich in der Zwischenzeit mit der Mutter, erzählt ihr vom Handgemenge mit ihrem Sohn und sagt ihr, dass es noch eine Weile dauern werde, bis der Arzt komme. Deshalb verlässt sie den Posten nun kurzzeitig, um die Katzen ihres Sohnes zu füttern.

«Andi war doch kein schlechter Mensch. Er hat niemandem weh getan.» (Claudia Küng)

Wahrscheinlich wenige Minuten nach Mitternacht drückt Andreas Küng den schwarzen Plastic-Knopf neben der Türe für die Gegensprechanlage. Fuchs meldet sich oben in der Zentrale. Es passe ihm nicht in der Zelle, er fühle sich unwohl, sagt Küng. Wann denn endlich der Arzt komme, fragt er. Und ob seine Mutter noch hier sei. Fuchs antwortet ihm, dass es niemandem in der Zelle gefalle, der Arzt mit Verspätung komme und seine Mutter kurz weg sei, aber bald zurückkehre.

Küng sagt nichts mehr.

Es sind die unbeantworteten Fragen, die Bilder jener Nacht, die Claudia Küng nicht loslassen. «Andi war doch kein schlechter Mensch. Er hat niemandem weh getan.» In der Therapie versucht sie damit leben zu lernen, dass ihr Sohn sich nur wenige Meter entfernt von ihr umgebracht hat. Dass sie da war und doch nichts tun konnte. Sie ist überzeugt davon, dass er noch leben würde, wenn man nur menschlicher mit ihm umgegangen wäre. Und sie kämpft auf dem Rechtsweg weiter gegen die Polizei, auch wenn das Bundesgericht zum Schluss kam, dass den Einsatzkräften jener Nacht nichts Strafbares vorgeworfen werden kann.

Aber es bleibt die bohrende Frage: Warum? Es gab diese melancholische Seite an ihm. Und es hatte ihm zugesetzt, als er einige Jahre zuvor seinen Job verlor und er länger nichts finden konnte. Er war deshalb auch in psychiatrischer Behandlung. In seinem neuen Job allerdings blühte er zusehends auf, machte eine Weiterbildung. Die Swisscom, für die er im Mandatsverhältnis arbeitete, bot ihm noch kurz vor seinem Unfall einen Bürojob an. Es wäre kein Problem gewesen, hätte er den Führerschein verloren. Es hätte sich alles lösen lassen.

Anderthalb Stunden, bis der Arzt kommt

Gegen halb eins geht Fuchs ins Untergeschoss zur Zelle von Andreas Küng. Er habe ihn durch die Türe mit sich selbst sprechen hören, wird Fuchs später bei der polizeilichen Befragung zu Protokoll geben. Ohne durch den Fensterschieber ins Innere zu schauen, geht er wieder nach oben. Etwa zehn Minuten später erscheint der Arzt. Er hatte noch zwei andere Einsätze, weshalb er über anderthalb Stunden braucht, bis er in Urdorf eintrifft.

Der Hausarzt spricht zunächst mit Fuchs und sagt ihm, dass es nicht unüblich sei, wenn jemand in einer solchen Situation Suizidabsichten äussere. Dann klingelt beim Arzt das Telefon. Er nimmt ab und gibt in einer anderen Sache Auskunft. Schliesslich weist Fuchs ihm den Weg zum Empfangsbereich, wo Claudia Küng wartet. Er unterhält sich mit ihr, fragt sie, ob ihr Sohn früher schon einmal Selbstmordgedanken gehabt habe. Bis sich der Arzt zusammen mit fünf Polizisten auf den Weg ins Untergeschoss macht, verstreicht eine gute halbe Stunde. Als sie die Zellentüre öffnen, ist Andreas Küng tot.

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