Nach elf erfolgreichen Vetos läuft Obama zum ersten Mal im Kongress auf. Es geht um ein Gesetz mit noblen Absichten und realem Gefahrenpotenzial.

Der amerikanische Senat hat am Mittwoch mit der erdrückendenStimmenmehrheit von 97 zu 1 ein Veto Präsident Obamas überstimmt. Es geht um ein Gesetz, das Hinterbliebenen von Terroropfern erlauben soll, ausländische Regierungen wegen Unterstützung oder Komplizenschaft vor amerikanische Gerichte zu bringen, auch wenn die Unterstützung im Ausland erfolgte. Konkret soll es den Angehörigen von Opfern von 9/11 erlauben, Zivilklagen gegen die Führung Saudiarabiens einzureichen.

Saudiarabien und der Terrorkomplott von «9/11»
Das Rätsel um 28 geheime Seiten
von Peter Winkler, Washington

Einschränkung der Immunität

Angesichts der Stimmenverhältnisse in der kleinen Kongresskammer ist die Abstimmung von heute Donnerstag in der grossen Kammer, dem Repräsentantenhaus, nur noch eine Formsache. Damit fährt der Präsident nach elf erfolgreichen Vetos zum ersten Mal eine Schlappe ein. Das ist so kurz vor dem Ende einer Amtszeit keine Seltenheit. Schlaflose Nächte wird ihm dies nicht bereiten. Die Suppe, die der Kongress mit der Justice Against Sponsors of Terrorism Act (Jasta) laut den Warnungen der Administration und der aussenpolitischen Experten einbrockt, wird ein anderer Präsident oder eine andere Präsidentin auslöffeln müssen.

Obama kritisiert Kongressvotum zu 9/11-Gesetz

(ap) Amerikas Präsident Barack Obama hat das Kongressvotum über ein umstrittenes Gesetz zu einer Strafverfolgung rund um die Terroranschläge vom 11. September 2011 scharf kritisiert. Dies sei «ein Fehler» und «im Wesentlichen eine politische Abstimmung» gewesen, sagte Obama am Mittwochabend (Ortszeit) bei einem vom Sender übertragenen Bürgertreffen. Zudem hätten einige Abgeordnete im Vorfeld eingeräumt, dass sie zunächst für das Gesetz gestimmt hätten ohne dessen Inhalt zu kennen. Namen nannte Obama nicht. Zwar könne er nachvollziehen, wieso sein Veto ausgehebelt worden sei. Hintergrund sei der Eindruck einer politischen Gefahr, die in einem Votum gegen Hinterbliebene der Terroranschläge vor den US-Wahlen im November läge. Doch wäre es das Richtige und Schwierigere gewesen, sein Veto unangetastet zu lassen, sagte Obama.

Vordergründig ist das Anliegen der Jasta überaus nobel: Die Opfer von Terrorattacken sollen Genugtuung erhalten. Auch Präsident Obama unterstrich in seiner Veto-Botschaft, er habe grosse Sympathien für dieses Anliegen. Konkret bedeutet das Gesetz jedoch eine Einschränkung der Immunität. Bisher konnte nur gegen ausländische Unterstützer von Terroristen vor amerikanischen Gerichten vorgegangen werden, wenn die inkriminierten Taten auf amerikanischem Territorium erfolgten. Nun soll diese Schranke wegfallen. Wer also Terroristen im Ausland Pässe ausstellt oder Geld übergibt, kann zur Rechenschaft gezogen werden. Einzige Voraussetzung bleibt, dass der Terrorakt auf amerikanischem Boden stattfand – und natürlich müssen «sponsors of terrorism» vor Gericht überführt werden.

Gefahr von «Gegenrecht»

Die Gegner, aber auch neutrale Instanzen wie die Europäische Unionhatten zu Bedenken gegeben, dass andere Staaten dem Beispiel folgen könnten. Dies könnte bedeuten, dass auch amerikanische Soldaten, Bürger oder Firmen im Ausland vor Gericht gezerrt würden – und zwar auch da, wo Gerichte nicht unabhängig sind. Wer sich vergegenwärtigt, welche Meisterschaft Staaten wie Nordkorea, Iran oder auch Russland beim Inszenieren von Schauprozessen erreicht haben, muss diese Gefahr für durchaus realistisch halten.

http://www.nzz.ch/international/amerika/15-jahre-nach-den-terroranschlaegen-obama-kritisiert-kongressvotum-zu-911-gesetz-ld.119344