Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich offen gezeigt für die vom künftigen französischen Präsidenten Emmanuel Macron angestrebten tiefgreifenden Reformen der Euro-Zone. „Herr Macron und ich stimmen völlig überein: Es gibt zwei Möglichkeiten, die Euro-Zone zu stärken, durch Veränderungen der Verträge oder pragmatisch zwischenstaatlich“, sagte Schäuble der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“, mit der die WELT in der europäischen Zeitungskooperation „Lena“ verbunden ist. Vertragsänderungen seien derzeit nicht realistisch.

„Aber wir können auch nicht nichts tun, sonst zerbröselt Europa“, sagte Schäuble. „Also ist es die zweitbeste Lösung, einen europäischen Währungsfonds zu schaffen, indem man den ESM-Vertrag weiterentwickelt.“ Schäuble fordert seit Langem, den Euro-Rettungsfonds ESM künftig die Haushalte der Euro-Länder überwachen zu lassen. Dies liegt bisher in der Hoheit der EU-Kommission. Die Übertragung von nationalen Souveränitäten an Europa sei nie an Deutschland gescheitert, sondern „in der Vergangenheit eher an Frankreich“, sagte Schäuble.

Macron hat im Wahlkampf versprochen, die Integration der Euro-Zone voranzutreiben. Macron plädiert auf mittlere Sicht für einen Euro-Zonen-Finanzminister, einen Haushalt der Euro-Zone, soziale Mindeststandards in der EU und für gemeinsame Anleihen der Euroländer (Eurobonds). Von Politikern aus CDU und FDP war nach der Wahl deutliche Kritik an Macrons Plänen gekommen. Sie warnte vor einem Budget ohne ausreichende Kontrolle der Ausgaben. Sie mahnten Frankreich zu Wirtschaftsreformen. Diese hat Macron parallel angekündigt. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hatte zuletzt gesagt, er wolle die Pläne von Macron unterstützen.

„Wenn wir Regeln schaffen, müssen wir diese auch anwenden“

Macron will auch ein Parlament der Euro-Zonen-Länder schaffen, dem jene Abgeordneten des Europaparlaments angehören, die aus den Euro-Staaten stammen. Schäuble sagte, auch über ein solches Parlament habe er schon mit Macron gesprochen. „Man kann über die Abgeordneten des europäischen Parlaments ein Parlament für die Euro-Zone machen“, sagte der deutsche Finanzminister zu „Repubblica“. „Und das kann ja dann auch Informationsrechte beim ESM haben.“

Was Macrons Sieg für Deutschlands Wirtschaft bedeutet

Der künftige Präsident von Frankreich will die Nation wieder einen – das Hauptanliegen von Emanuell Macron. Im N24-Studio gibt Prof. Marcel Fratzscher, der Präsident Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), eine Einschätzung.

Quelle: N24

Schäuble will mit einer Stärkung des ESM nach eigenen Worten dafür sorgen, dass die Regeln für die Haushaltsdisziplin in der Euro-Zone eingehalten werden. „Der Gedanke ist einfach: Wenn wir Regeln schaffen, müssen wir diese auch anwenden“, sagte der deutsche Finanzminister zu „Repubblica“. „Ich lasse mich ungerne dafür kritisieren, dass ich möchte, dass die Regeln respektiert werden. Viel Distanz zu Europa kommt auch daher, dass Regeln nicht respektiert werden. Das ermüdet die Menschen.“

Zugleich wies Schäuble aber – auch von Macron im Wahlkampf geäußerte – Kritik an der deutschen Exportstärke zurück. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss sei „zur guten Hälfte eine Folge des schwachen Euros“, sagte Schäuble zu „Repubblica“. Die Lösung sei nicht, dass Deutschland schwächer werde, sondern dass die anderen Länder stärker werden. „Die Dominanz der spanischen Fußballvereine in der Champions League konnte ja auch nicht dadurch gelöst werden, dass Real Madrid schwächer wird, sondern dass Juventus stärker geworden ist“, sagte der deutsche Finanzminister

Schäuble sagte, Deutschland habe nur eine gute Zukunft, wenn es Europa gut gehe. „In Frankreich ist ein spannender Prozess im Gange“, sagte er. Emmanuel Macron sei im selben Alter, in dem John F. Kennedy war, als er Präsident wurde. „Es ist doch außergewöhnlich, dass er auf die Bühne am Louvre zur europäischen Hymne gegangen ist. Er macht vielen jungen Menschen Hoffnung.“

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