Schärferer Ton gegen Hassprediger
Dänemark erwägt, radikal auftretenden Imamen die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Die Stimmung ist nach
Enthüllungen über Hetzereien an einer notorisch bekannten Moschee in Aarhus gereizt.
Gläubige in der Moschee eines umstrittenen Imams in Kopenhagen. (Bild: Tariq Mikkel Khan / AP)
In einer Serie von Reportagen mit verdeckter Kamera hat die dänische Fernsehstation TV 2 in den vergangenen Wochen ein Licht auf das Milieu radikaler muslimischer Imame geworfen. Im Zentrum stand die notorisch bekannte Grimhöj-Moschee in Aarhus, die mit kontroversen Predigern und hetzerischen Parolen wiederholt für Schlagzeilen gesorgt hatte. In einem inzwischen auch im Internet zirkulierenden Videoclip ist etwa der Imam Abu Bilal zu sehen, wie er Steinigung als Strafe für Ehebruch fordert und ferner für jeden getöteten Muslim Vergeltung nach dem Prinzip «Auge um Auge» verlangt. Vertreter der Moschee sind ausserdem bekannt dafür, dass sie offen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützen.
Radikale Grimhöj-Moschee
Es ist kein Geheimnis, dass die Regierung die Moschee geschlossen sehen möchte, doch laut der Integrationsministerin Inger Stöjberg sind die Möglichkeiten dazu begrenzt. Gemässigte Kreise dänischer Muslime wünschen durchaus mehr staatliche Aufsicht über die islamischen Gemeinden. Imam Muhammad Zakaria Khan, der Vorsteher einer Moschee im Grossraum Kopenhagen, sagte, es müsse für den Staat möglich sein, einen Imam zu entlassen, wenn dieser im Widerspruch zur dänischen Gesetzgebung handle. Der Islam verpflichte die Gläubigen, sich an die Gesetze ihres Wohnlandes zu halten.
Die rechtsnationale Dänische Volkspartei, die zwar nicht an der Regierung der liberalen Venstre-Partei beteiligt ist, diese aber generell unterstützt, hat ihrerseits einen Vorschlag gemacht: Predigern soll die dänische Staatsbürgerschaft entzogen werden, wenn ihre Auftritte gegen die Grundwerte der dänischen Gesellschaft verstossen. Zur Steinigung aufzurufen oder der Frau eines gewalttätigen Ehemannes zu sagen, sie habe dies zu erdulden, könne als Verstoss gegen die öffentliche Ordnung klassifiziert werden, sagte der Volkspartei-Sprecher für Immigration, Martin Henriksen, gegenüber der Zeitung «Berlingske». Die dänische Verfassung garantiere zwar Glaubensfreiheit, postuliere aber auch, dass die Ausübung einer Religion nicht gegen die Moral oder die öffentliche Ordnung gehen dürfe.
Ist die Dänische Volkspartei speziell in Immigrationsfragen mit ihren bisweilen radikalen Vorschlägen häufig isoliert, so hat ihr Vorstoss in dieser Sache laut Medienberichten bei den parlamentarischen Parteien ein breiteres positives Echo gefunden, sogar bei den oppositionellen Sozialdemokraten. Damit ist es wahrscheinlich, dass das Vorhaben im Parlament tatsächlich eine Mehrheit finden kann.
Eine Gratwanderung
Oussama al-Saadi, der Vorsteher der besagten umstrittenen Grimhöj-Moschee, warnte davor, dass eine solche Massnahme islamistische Radikalisierung eher anheizen als reduzieren würde. Er verstehe nicht, was mit dem Vorschlag erreicht werden solle. Dänemark betrachte er als das beste Land, in dem er leben könne, und er habe kein Interesse daran, dass es zerstört werde. Wie sich dies mit seiner vor Jahresfrist geäussertenUnterstützung für den IS und dem Wunsch nach einem «Sieg» der Terrororganisation verträgt, erklärte er nicht. Jedoch bemerkte al-Saadi zur Person des nun in der Kritik stehenden Imams Abu Bilals, dieser sei zuvor ein staatenloser Palästinenser gewesen. Ihm das dänische Bürgerrecht zu entziehen, könne vom Blickpunkt des internationalen Rechts aus problematisch sein.
Der liberale Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen will nach Ostern in Gesprächen mit den parlamentarischen Parteien einen blockübergreifenden Konsens für eine gemeinsame Linie gegenüber dem radikalen Islamismus in Dänemark erreichen. Er sei bereit, den Spielraum vollständig auszureizen, den die Verfassung gebe. Der Umgang mit denjenigen, die die über Jahrzehnte in Dänemark aufgebauten demokratischen Grundrechte missbrauchten und unterminierten, sei eine grosse Herausforderung.
Schwierig ist es für den dänischen Staat auch, eine Balance zu finden zwischen der Respektierung der verfassungsmässig garantierten Religions- und Meinungsfreiheit einerseits und dem Schutz moderater Muslime vor dem Druck radikaler Elemente aus ihrer eigenen Glaubensgemeinschaft andererseits. Die Zeitung «Berlingske» berichtete unlängst von einer in Dänemark geborenen Frau pakistanischer Abstammung, die von ihrer Familie in eine Ehe mit einem fundamentalistischen Muslim gedrängt wurde. Als sie sich scheiden lassen wollte, weil sie sich von den konservativen Vorstellungen ihres Mannes zur Rolle der Frau eingeengt fühlte, fand sie weder in der muslimischen Gemeinde noch bei dänischen Staatsstrukturen Rückhalt. Die Linie der Imame habe sie enttäuscht, aber nicht überrascht; dem dänischen Staat aber werfe sie vor, sich durch fehlende Unterstützung von den gemässigten Muslimen zu entfremden, die aus den Zwängen des Radikalismus zu entfliehen suchten.
Forrás: http://www.nzz.ch