Von Warschau über Amsterdam bis Birmingham: In vielen Ländern ist Pegida längst hoffähig. Es ist die Rede von einer „Pegida-Rally” mit Großkundgebungen in ganz Europa. Kommt es zur Parteigründung?

Pegida, die europaweite Ausbreitung eines Aufbegehrens
Foto: AFP Die rechtsextreme Vlaams Belang in Flandern: eine Gruppe von Nationalisten an der belgischen Nordseeküste

Mit rund 350 Teilnehmern blieb die Gruppe zwar überschaubar, die vor wenigen Tagen in Antwerpen gegen eine Islamisierung Europas auf die Straße ging. Für Pegida-Chef Lutz Bachmann aber ist der Auftritt in der belgischen Hafenstadt ein weiterer wichtiger strategischer Erfolg, denn er war auf Einladung des rechtsextremen und separatistischen Vlaams Belang nach Flandern gereist. Bei den Nationalisten an der belgischen Nordseeküste ist Bachmann wegen der von ihm organisierten Massenaufmärsche mit bis zu über 20.000 Teilnehmern in Dresden ein hoch angesehener Mann. Neben dem Vlaams-Belang-Politiker Filip Dewinter trat er als Hauptredner der Veranstaltung in Antwerpen auf.

Auch Edwin Wagensveld war mit dabei, der deutschen Pegida-Anhängern besser als „Ed der Holländer” bekannt ist. Der gebürtige Niederländer Wagensveld lebt seit vielen Jahren in Deutschland, ist häufiger Gast in Dresden und hat Pegida nach deutschem Vorbild in den Niederlanden aufgebaut. Dort wie in Belgien hat die Bewegung sogar den deutschen Namen übernommen; sie ist also längst mehr als nur ein deutsches Phänomen. Pegida ist zum Exportartikel eines national-reaktionären Aufbegehrens für all jene geworden, die sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlen.

In Dresden freut man sich über Kontaktanfragen von Nationalisten aus ganz Europa. Inzwischen gibt es Pegida in Österreich, Tschechien, Polen, Ungarn, Schweden, Norwegen, Finnland, Estland, Dänemark, Spanien, der Schweiz und Großbritannien. Die Bewegung unterhält gute Beziehungen zum Vlaams Belang, zum französischen Front National, zu den britischen Europagegnern von Ukip und den nationalistischen Parteien Osteuropas bis hin zur italienischen Lega Nord.

Großkundgebung mit Liveschaltung zu anderen Schauplätzen

Dorthin pflegt der selbst ernannte „Pegida-Versteher” Götz Kubitschek die Kontakte für die Bachmann-Bewegung. Kubitschek ist Mitbegründer des umstrittenen Instituts für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda, wo der thüringische AfD-Chef Björn Höcke jüngst eine Theorie über „evolutionsbedingt unterschiedliche Reproduktionsstrategien” von Afrikanern und Europäern verbreitete. Kubitschek gibt die national-konservative Zeitschrift „Sezession” heraus. Im vergangenen Jahr vertrat er Pegida bei einem Kongress der Lega Nord in Rom. Zudem war er „Gast auf einer riesigen Demonstration der Lega auf der Piazza del Popolo”, wie Kubitschek auf seiner Internetseite schrieb.

Wie stark Pegida inzwischen geworden ist, will sie am 6. Februar mit Großkundgebungen in ganz Europa demonstrieren. Die zentrale Veranstaltung ist in Dresden geplant; weitere Demonstrationen sind unter anderem in Warschau, Tallinn, Prag, Bratislava, Amsterdam oder auch Birmingham vorgesehen. Tatjana Festerling aus dem Pegida-Organisationsteam spricht von einer „europaweiten Pegida-Rally”.

„Wir werden uns in Live-Schaltungen zu den einzelnen Schauplätzen gegenseitig grüßen”, sagte sie dieser Zeitung. Es solle eine Demonstration der Stärke gegen eine, aus Pegida-Sicht, an Vertrauen verlierende Politik werden, für die in ganz Europa vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verantwortlich gemacht werde. Letzte Absprachen wollen die Organisatoren am 23. Januar in Prag treffen.

Viele Fans in Tschechien

Mit dabei sein werden Marek Cernoch von der tschechischen rechtspopulistischen Úsvit (Morgenröte) und Vertreter des dortigen „Blocks gegen den Islam”. Aus Großbritannien reist Tommy Robinson an, Gründer der stramm rechten Partei EDL (Englische Verteidigungsliga), der Pegida im Vereinigten Königreich aus der Taufe hob. Auch in Prag müssen sich die Islamkritiker und Nationalisten nicht verstecken. Im Gegenteil. In Tschechien ist Pegida längst hoffähig. Nach dem Treffen ist eine Pressekonferenz im tschechischen Parlament geplant.

„Da hatten wir von Anfang an viele Fans”, sagt Festerling, die im vergangenen Jahr bei der Dresdner Oberbürgermeisterwahl im ersten Anlauf fast zehn Prozent der Stimmen bekommen hatte: „In Prag sind wir quasi Volkshelden.” Obwohl Festerling sehr an den Kontakten nach Osteuropa gelegen ist, wird sie Pegida Ende Februar beim Akademikerball der österreichischen FPÖ vertreten. Pegida sei sehr an „guten nachbarschaftlichen Verhältnissen” gelegen, begründet sie den Aufbau des europäischen Netzwerkes. Vor allem dürfte es um maximale Schlagkraft im politischen Kampf gegen die Feindbilder Europäische Union und gegen den Euro gehen.

Ausgerechnet in ihrer Geburtsstätte Deutschland aber hat die Bewegung dazu bis heute keinen parteipolitischen Anschluss gefunden. „Die AfD kann keinesfalls als die parteipolitische Vertretung Pegidas gelten, obwohl sie es geradezu natürlicherweise sein müsste”, schreibt Kubitschek. Darum denkt Pegida-Chef Bachmann seit Langem über die Gründung einer eigenen Partei nach. Die Arbeit komme gut voran, heißt es.

http://www.welt.de/politik/deutschland/article151089628/Pegida-die-europaweite-Ausbreitung-eines-Aufbegehrens.html