Es ist eine Personalie in der dritten oder vierten Reihe der neuen US-Administration, aber sie sorgt für Aufsehen in Washington: Jon Huntsman Jr., von 2005 bis 2009 Gouverneur von Utah, ist im Gespräch für den Botschafterposten in Moskau. Zuvor war berichtet worden, der erfahrene und russlandkritische Außenpolitiker solle gar Stellvertreter von Außenminister Rex Tillerson werden.

Nichts ist entschieden. Doch interessant ist schon die schlichte Tatsache, dass ein Realpolitiker wie Huntsman überhaupt für wichtige Positionen in der Trump-Administration infrage zu kommen scheint. Erst am 30. Dezember hatte Trump einmal mehr Wladimir Putin via Twitter als „sehr intelligent“ gelobt, weil der russische Präsident angekündigt hatte, Sanktionen seines damaligen Amtskollegen Barack Obama gegen Moskau wegen russischer Hackeraktivitäten im US-Wahlkampf nicht mit ähnlichen Maßnahmen zu kontern.

Berichte der US-Geheimdienste, laut denen die Hackerangriffe auf die Server der Demokraten von russischen Spionen ausgeübt wurden, zog Trump bis kurz vor seiner Amtseinführung in Zweifel.

Great move on delay (by V. Putin) – I always knew he was very smart!

Doch im Rekordtempo hat sich der Ton geändert. Tillerson und Verteidigungsminister James Mattis haben aus ihrer Skepsis gegenüber der Idee einer Partnerschaft mit Moskau nie einen Hehl gemacht. Trumps russophiler Nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn musste zurücktreten, weil er dem Moskauer Botschafter noch vor dem Machtwechsel in Washington eine Aufhebung der von Obama wegen der Hackerangriffe verfügten Sanktionen in Aussicht gestellt haben soll. Flynns Nachfolger H. R. McMaster gilt als „Falke“ auch im Verhältnis zu Russland.

Vor diesem Hintergrund ist die Huntsman-Personalie, ob sie nun auf dem Botschafterposten oder gar im State Department zustande kommt oder letztlich verworfen wird, ein weiteres Indiz dafür, dass die sich vermeintlich anbahnende Romanze zwischen Putin und Trump in einer massiven Krise steckt. In diese Beobachtung passt die überraschende Erklärung von Trumps Sprecher Sean Spicer Mitte Februar vor dem Pressekorps des Weißen Hauses, der Präsident erwarte von der russischen Regierung die Rückgabe der 2014 faktisch annektierten Krim an die Ukraine.

Russische Medien ändern Ton in Berichterstattung

Ungefähr zur gleichen Zeit änderten die russischen Medien ihre Tonlage bei Berichten über Trump. Im Wahlkampf hatten sie ihn noch gepriesen als einen mutigen Kämpfer gegen das „korrupte“ und „russlandfeindliche Washingtoner Establishment“. Im Gegensatz zu Hillary Clinton strebe Trump Kooperation und eine friedliche Außenpolitik an. Doch am 17. Februar klagte das Regierungsblatt „Rossijskaja Gazeta“ laut einem Bericht der BBC: „Unlängst hat das Weiße Haus etliche widersprüchliche und unvereinbare Äußerungen über die außenpolitische Richtung von Trumps Mannschaft gemacht, einschließlich Fragen, die die Interessen Russlands betreffen.“

Am gleichen Tag warf die „Komsomolskaja Prawda“ dem amerikanischen Präsidenten „widersprüchliche Äußerungen zur Nato“ vor. Im Wahlkampf habe Trump das westliche Verteidigungsbündnis „obsolet und nutzlos genannt“. Doch kaum sei er ins Oval Office eingezogen, „äußerte er seine volle Unterstützung für die Nato“. Das Blatt fügte laut einem BBC-Bericht hinzu: „Wie man zu sagen pflegt, man muss betrunken sein, um die wirkliche Position eines amerikanischen Präsidenten zu verstehen.“

„Hab nicht zurückgerufen“

Alkohol könnte allerdings auch das Verständnis fördern, sollte Trump tatsächlich den moderaten Republikaner Huntsman in seine Administration holen. Denn in der Vergangenheit äußerte der Milliardär heftige Abneigung gegen den Mormonen aus Utah, der ebenfalls unternehmerisch tätig ist und dessen Vater Jon Huntsman Sr. Milliardär wurde durch den Aufbau einer Chemiefabrik in Salt Lake City. In einer Serie von Tweets verulkte Trump 2011 den Junior, der selbst im folgenden Jahr Präsident werden wollte und sich gerade für die republikanischen Primaries warmzulaufen begonnen hatte.

Huntsman, der in den beiden Jahren zuvor für die Obama-Regierung Botschafter in Peking war, habe ihn angerufen, um ein Treffen zu vereinbaren. „Hab nicht zurückgerufen“, ließ Trump die Öffentlichkeit im September wissen. Im Dezember 2011 befand er: „Unsere Diplomaten sind schwach: @Jon Huntsmans China-Politik beweist, dass wir Geschäftsleute brauchen, um gegen China zu verhandeln.“

Oder bekam Huntsman den Posten in Russland nur angeboten, weil Trump ihn nicht als Vizeaußenminister sehen will? Schlicht abschlagen kann er dem vormaligen Exxon-Mobile-Chef Tillerson diese Personalie nicht so einfach, weil Trump seinem Außenminister erst vor wenigen Tagen einen anderen Kandidaten für den Stellvertreterposten abgelehnt hatte, nämlich den ebenfalls hocherfahrenen Diplomaten Elliott Abrams. Doch Abrams, der schon unter den Präsidenten Ronald Reagan und George W. Bush diente, hatte im Wahlkampf kein Geheimnis aus seiner Abneigung gegen Trump gemacht und ihm im republikanischen Leitmedium „The Weekly Standard“ eine klare Niederlage vorausgesagt.

Aber ob mit oder ohne Huntsman an Bord, Trump wird von den Russland-Kontakten seines Teams in der Zeit des Wahlkampfes weiter geplagt. Die „New York Times“ berichtete am Mittwochabend, dass Mitarbeiter Obamas in den letzten Tagen ihrer Amtszeit nach allen Kräften versucht hätten, geheimdienstliche Erkenntnisse über die Kanäle von Trump-Vertrauten zu russischen Offiziellen zu verbreiten. Um zu verhindern, dass entsprechende Informationen nach dem Machtwechsel unter den Teppich gekehrt würden, stellten Obama-Mitarbeiter bei Geheimdienst-Briefings gezielt spezifische Fragen, weil diese Gespräche aufgezeichnet und archiviert werden – so sollte einem eventuellen Untersuchungsausschuss der Zugang zu diesen Informationen gesichert werden.

Abgekühlte Drähte

Das „Wall Street Journal“ und die „Washington Post“ vermelden unterdessen, das FBI habe die Russland-Kontakte des neuen Justizministers Jeff Sessions untersucht. Der vormalige Senator hatte bei seiner Anhörung durch die Senatskollegen im Januar unter Eid erklärt, er habe in seiner Eigenschaft als Trumps Wahlkampfberater keinerlei Kontakte zu russischen Offiziellen gehabt. Doch tatsächlich habe Sessions im Juli und im September zweimal mit dem russischen Botschafter in den USA, Sergej Kisljak, gesprochen. Das erste Gespräch fand in Cleveland (Ohio) bei einer Veranstaltung der Heritage-Stiftung am Rande des Nominierungsparteitags für Trump statt und war laut einer Erklärung von Sessions’ Büro „kurz und informell“; beim zweiten Treffen handelte es sich um einen Termin im Büro des Senators.

Sessions ließ dazu mitteilen, er habe mit Kisljak in seiner Eigenschaft als Mitglied des Streitkräfteausschusses des Senats gesprochen, nicht als Trump-Berater. Im Übrigen habe er im vorigen Jahr 25 Begegnungen mit Botschaftern gehabt, darunter denen Großbritanniens, Koreas, Japans, Polens, Indiens, Chinas, Kanadas, Australiens und Deutschlands.

Für die Debatten über Trumps Drähte nach Russland geben diese Enthüllungen dennoch neuen Stoff. Auch wenn diese Drähte derzeit möglicherweise ziemlich abgekühlt sind.

https://www.welt.de/politik/ausland/article162509752/Mit-einem-Trick-stellte-Obamas-Administration-Trump-eine-Falle.html