Am Ende seiner Amtszeit wird der in der Außenpolitik sonst so weiche Barack Obama plötzlich hart. In den vergangenen Tagen hat erst der Partner Israel mehrere Breitseiten abbekommen, im UN-Sicherheitsrat und per Rede von Außenminister John Kerry.
Nun hat der Präsident die bisher schärfsten Sanktionen in Sachen Cyberattacken gegen Russland verhängt für dessen Angriffe auf den demokratischen Wahlprozess in den USA.
35 russische Diplomaten müssen innerhalb von 72 Stunden mit ihren Familien das Land verlassen. Moskau muss auch zwei diplomatische Einrichtungen schließen, eine in New York und eine in Maryland, die zu Spionagezwecken benutzt wurden.
Der Präsident hat zudem den russischen Geheimdienst FSB und den Militärgeheimdienst mit Sanktionen belegt, die erstrecken sich auch auf die höchste Führungsebene des Militärgeheimdienstes, deren Leiter und drei Stellvertreter ebenfalls sanktioniert werden.
Drei Firmen, die bei den Angriffen auf die demokratische Partei geholfen haben sollen, stehen ebenfalls auf der Liste und zwei kriminelle Hacker, die Millionen von Dollar von amerikanischen Firmen erbeutet haben sollen.
„Eine notwendige und angemessene Reaktion“
„Diese Maßnahmen folgen auf wiederholte private und öffentliche Warnungen, die wir an die russische Regierung gerichtet haben, und sie sind eine notwendige und angemessene Reaktion auf die Bemühungen, US-Interessen zu beschädigen, die gegen etablierte internationale Verhaltensregeln verstoßen“, erklärte Obama in seiner Mittteilung.
Der Datenklau, der vor allem die demokratische Partei betraf und Hillary Clintons Wahlkampfchef John Podesta, und die Veröffentlichung dieser Daten seien darauf gerichtet gewesen, in den amerikanischen Wahlprozess einzugreifen, meinte Obama.
Und sie könnten nur auf der höchsten russischen Regierungsebene organisiert worden sein. Die Ausweisung der Diplomaten rechtfertigte Obama jedoch auch mit einem „unakzeptablen Niveau von Übergriffen“ russischer Sicherheitskräfte gegen amerikanische Diplomaten in Russland im vergangenen Jahr.
Die amerikanischen Geheimdienste und das FBI sind inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass Moskaus Eingreifen das klare Ziel verfolgte, Hillary Clinton zu verhindern und Donald Trump ins Weiße Haus zu hieven.
Zwar ist es nicht ungewöhnlich, dass Nationen auch die Parteien anderer Länder ausspähen, um besser zu wissen, was sie nach einem Wahlsieg möglicherweise erwartet. Das ungewöhnliche an Moskaus Vorgehen war jedoch, dass die Russen die gefundenen Informationen über eine eigens geschaffene Internetplattform (DC Leaks) und über Wikileaks veröffentlichten, um den Demokraten mit einem ständigen Strom von Skandalen und Skandälchen zu schaden.
Es war jedenfalls auffällig, dass offenbar auch die republikanische Partei von den Russen gehackt worden war – ohne dass diese Informationen ihren Weg in die Öffentlichkeit fanden.
Obama zwingt Trump Farbe zu bekennen
Mit den Sanktionen demonstriert Obama nun im Abschied plötzlich Stärke. Dabei ist die Geschichte der russischen Angriffe auf die freien Wahlen Amerikas auch eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen – und von einem zögerlichen Präsidenten, der vor der Wahl keine Mittel fand gegen die russischen Aktivitäten vorzugehen.
Schon im Herbst 2015 hatte das FBI Hinweise darauf, dass das E-Mail-System der demokratischen Parteizentrale gehackt worden war. Damals wurde das aber nur halbherzig weitergemeldet und es brauchte Monate, bis die entsprechenden Stellen innerhalb der Partei sich des Problems bewusst geworden waren.
Als dann endlich Maßnahmen ergriffen wurden, war es schon zu spät und der Inhalt von hunderttausenden Mails war von den russischen Hackern abgegriffen worden.
Donald Trump hatte die Anschuldigen der Obama-Regierungen gegenüber Moskau stets zurückgewiesen und Zweifel angemeldet, ob die US-Dienste wirklich wüssten, wer die demokratische Partei gehackt hat.
Noch am Mittwoch hatte er gefordert, die Sache zu den Akten zu legen und gesagt, dass im Computerzeitalter niemand so genau wisse, was eigentlich passiere. Obama zwingt Trump nun Farbe zu bekennen, sobald er am 20. Januar ins Weiße Haus einzieht.
Erhebliches Konfliktpotenzial für Trump
Sollte er wirklich ernst machen mit seinem Schmusekurs gegenüber Russland, dann könnte er die Sanktionen schnell zurücknehmen. Das würde ihn aber in erheblichen Konflikt mit seiner Partei und besonders mit republikanischen Außenpolitikexperten bringen.
Der republikanische Senator Lindsey Graham hat etwa gerade erst gesagt, dass 99 der 100 Senatoren im Senat anderer Meinung sind als Trump und überzeugt sind, dass Russland hinter den Cyberangriffen stehe und dass es dafür bestraft werden müsse.
Auch der republikanische Abgeordnetenhaussprecher Paul Ryan hat die Sanktionen in einer ersten Reaktion begrüßt, die man auch als deutliche Absage an Trumps putinfreundliche Positionen lesen kann. „Russland teilt Amerikas Interessen nicht. Tatsächlich hat es kontinuierlich versucht, sie zu unterminieren, indem es gefährliche Instabilität auf der Welt gesät hat. Die heutigen Maßnahmen der Regierung sind zwar längst überfällig, sie sind aber ein angemessener Weg, um acht Jahre gescheiterter Russlandpolitik zu beenden.“
Es ist also durchaus möglich, dass der US-Kongress noch weiter geht und den Sanktionen der Obama-Regierung weitere eigene hinzufügt. Es zeigt aber auch, dass das Thema Russland erhebliches Konfliktpotenzial zwischen Trump und dem republikanisch kontrollierten Kongress birgt.
Russland droht Vergeltung an
Moskau selbst hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen und hatte in einer ersten Reaktion Vergeltung angedroht für die amerikanischen Sanktionen. Obamas Ziel sei es „die russisch-amerikanischen Beziehungen für immer zu erledigen, die schon auf einem Tiefpunkt waren, um einen Schlag gegen die außenpolitischen Pläne der zukünftigen Regierung und des neuen US-Präsidenten zu führen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax.
Allerdings sind die russischen Unschuldsbehauptungen wenig glaubwürdig. Um die eigenen Vorwürfe zu untermauern hat die amerikanische Regierung sich gar zu einem außergewöhnlichen Schritt entschlossen und am Donnerstag auch einen Bericht darüber offengelegt, was sie über die technische Vorgehensweise der russischen Hacker herausgefunden hat.
Das diene auch dem Ziel anderen Regierungen, Organisationen sowie Privatfirmen zu erlauben, sich in Zukunft gegen russische Hackerangriffe zu schützen. Allerdings veröffentlichen die Amerikaner damit auch Material, dass man gegenüber einem Gegner normalerweise geheimhalten würde, um ihn im Ungewissen zu lassen über die eigenen Erkenntnisse.
Die nun veröffentlichten amerikanischen Sanktionen stellen laut Aussagen des Präsidenten auch nicht die einzigen Maßnahmen dar, die Amerika als Vergeltung ergreifen wird. „Diese Aktionen sind nicht die ganze Summe unserer Antwort auf Russlands aggressive Aktivitäten“, sagte Obama.
Wird Moskau den Konflikt eskalieren?
Wir werden auch weiterhin eine Vielzahl von Aktionen zu einer Zeit und einem Ort unserer Wahl ergreifen, manche davon werden nicht öffentlich gemacht werden“, sagte Obama. Das soll heißen, man will künftige russische Angriffe auch mit verdeckten Aktionen abschrecken, deren dann möglicherweise nur der Kreml verstehen wird.
Die Frage ist, ob Moskau nun seinerseits eskalieren wird – oder ob man darauf vertraut, dass es Präsident Trump dann schon im russischen Sinne richten wird.
https://www.welt.de/politik/article160709411/Mit-diesem-Schachzug-setzt-Obama-seinen-Nachfolger-unter-Druck.html