Beide Seiten haben die nächtlichen Beratungen über die griechische Schuldenkrise als konstruktiv bezeichnet. Allerdings lehnte Tsipras geforderte Rentenkürzungen ab.
Das Spitzentreffen in Brüssel zum griechischen Schuldenstreit hat Annäherungen, aber keinen entscheidenden Durchbruch gebracht. In wenigen Tagen würden weitere Gespräche geführt, sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem nach Beratungen mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die EU-Kommission sprach in einer Mitteilung von Fortschritten im gegenseitigen Verständnis. Die „intensive Arbeit” soll nun fortgesetzt werden, hieß es.
„Die Diskussionen werden in den nächsten Tagen weitergehen”, sagte Tsipras nach dem mehr als fünf Stunden langen Treffen mit Juncker. „Umso mehr man spricht, desto näher kommt man einer Lösung.” In einzelnen Bereichen sei man einer Einigung sehr nahe gekommen. Offenbar sind Griechenlands Geldgeber bereit, niedrigere Primärüberschüsse zu akzeptieren, als bislang im Hilfspaket festgelegt. Ein Primärhaushalt betrachtet Staatseinnahmen und -ausgaben ohne die Zinszahlungen für Staatsschulden.
Bei anderen Themen scheinen Kompromisse schwieriger: Tsipras sagte, die Geldgeber hätten gefordert, dass Zusatzrenten abgeschafft werden oder dass die Mehrwertsteuer für die Energie erhöht werde. „Das haben wir natürlich abgelehnt.” Aufseiten der Kommission gebe es aus seiner Sicht allerdings eine konstruktive Haltung, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. „Das Positive des heutigen Tages ist, dass unsere Gesprächspartner zumindest der Kommission die Absicht haben, dass wir sehr bald zu einer realistischen Einigung kommen.”
Ohne eine Einigung mit den Geldgebern droht Griechenland die Staatspleite. Konkret geht es um die Auszahlung von 7,2 Milliarden Euro aus dem bis Ende Juni laufenden Hilfsprogramm. Gleichzeitig muss Griechenland bis Monatsende Kredite an den Internationalen Währungsfonds (IWF) von insgesamt 1,6 Milliarden Euro zurückzahlen. Auf die Frage, ob die Regierung in Athen die für Freitag anstehende Rückzahlung einer Rate an den IWF in Höhe von 300 Millionen Euro leisten werde, antwortete Tsipras nach dem Treffen: „Machen Sie sich keine Sorgen, wir werden weiter zahlen.”
Am Mittwoch hatte der Sprecher der Syriza-Parlamentsfraktion in Athen, Nikos Filis, mit einem Zahlungsstopp an den IWF gedroht, falls es keine Aussicht auf eine Einigung gebe. Ihm zufolge könnte die griechische Regierung auch Neuwahlen ausrufen. Das gelte für den Fall, dass die Geldgeber Forderungen stellten, die über die „rote Linie” der Partei hinausgingen, sagte er.
Vor dem Treffen hatten mehrere Politiker die Erwartungen an einen schnellen Durchbruch gedämpft. Dijsselbloem gab sich pessimistisch: „Wir haben noch viel Arbeit vor uns.” EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagte: „Es wird weder heute noch morgen eine endgültige Lösung geben.” Angesichts der akuten Geldnot des griechischen Staates werden Zwischenlösungen erwogen, um Zeit zu gewinnen. Alle Optionen lägen auf dem Tisch, hieß es in Brüssel aus EU-Kreisen. Eine sei, die im Juni fälligen Kreditraten von insgesamt fast 1,6 Milliarden Euro an den IWF zusammenzufassen und sie erst am Monatsende von Griechenland zu fordern. Eine andere Möglichkeit sei eine Verlängerung des Ende Juni endenden Hilfsprogramms über den Sommer hinweg.