Die Aufhebung internationaler Sanktionen bereitet Teheran wieder den Weg an die globalen Ölmärkte. Irans Ölförderung wird nach Ende der Sanktionen aber noch länger stottern.
Dank der Aufhebung der internationalen Sanktionen darf Iran nun wieder Erdöl und Erdgas ohne Einschränkungen an den internationalen Energiemärkten verkaufen und das weltweite Finanzsystem für den Handel nutzen. Die Rückkehr des Landes mit den viertgrössten konventionellen Erdölreserven der Welt an den Weltmarkt wird das Angebot in einem ohnehin gut versorgten Ölmarkt erhöhen. Auch wenn die zusätzlichen iranischen Öllieferungen über die Zeit keine Überraschung sein dürften, werden sie die Erdölpreise weiter unter Druck halten, die so niedrig wie schon seit zwölf Jahren nicht mehr sind.
Schwimmende Lager
Teheran liess bereits verlauten, unmittelbar 500 000 Fass Erdöl pro Tag mehr zu exportieren. Innert Monaten sollen es rund 1 Million Fass mehr werden, was einer Verdoppelung der bisherigen Ausfuhren gleichkommen würde. Auch nach der Verschärfung der Wirtschaftssanktionen hat Iran nach 2011 noch Öl in Länder wie China, die Türkei, Japan, Südkorea oder Indien exportiert. Traditionell ist aber Europa der grösste Markt gewesen. Hinter den neuen Plänen steht jedoch ein grosses Fragezeichen.
Um an zusätzliche Einnahmen zu kommen, muss Teheran in einem übersättigten Markt wohl Preisnachlässe gewähren. Wie gewillt Iran zu solchen Rabatten ist, bleibt fraglich. Gegenstand von Spekulationen sind aber auch die iranischen Produktionskapazitäten und wie schnell diese hochgefahren werden können. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA), einem Energie-Think-Tank der Industrieländer, förderte Iran im November vergangenen Jahres 2,9 Millionen Fass pro Tag. Das Fördervolumen, das in einigen Monaten erreicht werden kann, gibt die IEA mit 3,6 Millionen Fass an. Die Erdölproduktion kann nicht wie ein Wasserhahn auf- und zugedreht werden. Je nachdem, wie sorgfältig der Produktionsrückgang bewerkstelligt wurde, kann die Förderung unterschiedlich schnell wieder aufgenommen werden. Auf alle Fälle kann Teheran aber rasch rund 36 Millionen Fass Öl freisetzen, die derzeit in Tankern zwischengelagert sind. Dabei handelt es sich laut IEA zu 67 Prozent um Kondensat, eine Form ultraleichten Rohöls.
Spannungen mit Saudiarabien
Um die Produktion langfristig substanziell zu erhöhen, ist Iran auf Kapital und Technik ausländischer Konzerne angewiesen. Die Zeiten sind schon lange Vergangenheit, als in den 1970er Jahren vor der Revolution eine Produktionsspitze von rund 6 Millionen Fass pro Tag erreicht worden war. Die iranische Regierung rührt seit einiger Zeit die Werbetrommel für Investitionen in die Erdöl- und Gasbranche. Iran ist nicht nur eine Ölmacht, die Erdgasreserven sollen laut Zahlen von BP gar grösser als diejenigen Russlands sein. Im November hatte Iran an einer Konferenz mit neuen Investitionsbedingungen geworben. Neben den politischen Spannungen zwischen Teheran und dem Westen liess bisher auch ein unattraktives Investitionsregime ausländische Unternehmen einen Bogen um Iran machen. Konzerne wie Royal Dutch Shell, Total oder Lukoil aus Russland haben sich bereits für Felder interessiert. Im Februar findet eine weitere Investorenkonferenz in London statt. Auffällig ist die Abwesenheit amerikanischer Unternehmen. Auf einem Engagement in Iran lasten immer noch teilweise Sanktionen, niedrige Ölpreise, Probleme bei der Finanzierung sowie ein politisch schwieriges Regime.
Irans Einfluss auf die Ölmärkte wird aber indirekt beträchtlich sein. Innerhalb der Organisation erdölexportierender Länder (Opec), die durch Saudiarabien dominiert wird, hat Teheran klargemacht, sich an keine Quoten zu halten. Dies hatte auch zum Ergebnis des Opec-Treffens im Dezember geführt, dass jedes Mitglied machen kann, was es will. Mit den jüngsten Spannungen zwischen Saudiarabien und Iran ist es auch unwahrscheinlich, dass sich die Opec auf eine neue Linie einigt. Damit dürfte es weiterhin bei einer Politik der offenen Hähne bleiben, bei der kein Land Konzessionen machen will, wenn nicht andere auch die Förderung drosseln.
Die Folgen der Aufhebung der Sanktionen
Die Sanktionen, die die Staatengemeinschaft gegen Iran aufgrund von dessen Nuklearaktivitäten verhängt hatte, galten neun Jahre. Im Dezember 2006 beschloss der Uno-Sicherheitsrat die erste von vier Sanktionsresolutionen. Die USA und die EU verhängten weitergehende Sanktionen. Zuletzt beschloss die EU 2012 einen Importstopp für Öl und Gas aus Iran.
Dieses Importverbot ist mit dem «Implementation Day» gefallen. Der Export von iranischem Öl und Gas ist wieder erlaubt. Damit dürfte noch mehr Öl auf den Weltmarkt fliessen und der Rohölpreis weiter fallen. Geschäfte mit Irans Energiesektor sind wieder erlaubt, auch Ausrüstung für die Öl- und Gasfelder dürfen westliche Unternehmen wieder nach Iran liefern. Dies dürfte dem Regime ermöglichen, die Fördermenge massiv zu erhöhen. Für den Export ist ebenfalls wichtig, dass Versicherungsunternehmen iranische Öltanker wieder versichern dürfen. Grundsätzlich sind Geschäfte mit Schifffahrts- und Hafenbetreibern wieder zulässig. Zudem ist auch die Lieferung von Flugzeugen und Ersatzteilen für zivile Zwecke wieder möglich, Irans Fluggesellschaften dürfen Flughäfen der EU wieder anfliegen. Auch Geschäfte mit der Automobilbranche sind erlaubt.
Aufgehoben werden die Sanktionen gegen iranische Banken, Finanztransaktionen via das Zahlungsverkehrssystem Swift sind wieder möglich. Westliche Banken dürfen zudem wieder Darlehen sprechen für Handelsgeschäfte mit Iran. Teheran erhält ferner Zugang zu eingefrorenen Geldern in der Höhe von mindestens 100 Milliarden Dollar. Schliesslich werden zahlreiche Sanktionen gegen Unternehmen und Einzelpersonen im Zusammenhang mit dem Atomprogramm aufgehoben.
Einige Sanktionen bleiben aber vorläufig in Kraft, etwa die Beschränkungen hinsichtlich der Weitergabe von Atomgütern und das Embargo für Waffen und Trägersysteme. Vom Atomabkommen nicht betroffen sind zudem Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen und Unterstützung des Terrorismus.
Forrás: http://www.nzz.ch