Mats Hummels wollte sich vom BVB mit einem Titel verabschieden. Das misslang gründlich. Er musste mit Krämpfen vom Platz und haderte mit seinem Schicksal. Dann gab ihm auch noch der Trainer einen mit.
Es waren 78 Minuten im Berliner Olympiastadion gespielt, als eine Ära zu Ende ging. Mats Hummels, der achteinhalb Jahre für den BVB gespielt hatte, humpelte im DFB-Pokalfinale gegen den FC Bayern München vom Feld. Wadenkrämpfe machten ein weiteres Mitwirken in seinem letzten Spiel für die Dortmunder unmöglich. Der Showdown einer hart umkämpften und für ihn selbst besonders pikanten Partie blieb ihm so erspart – ab dem 1. Juli ist Hummels wieder Profi des FC Bayern München.
„Jeder von uns hatte Krämpfe. Man hat gesehen, glaube ich, dass ich mit rechts keinen vernünftigen Schritt, keinen Sprint mehr anziehen konnte. Das ist auf jeden Fall ein Scheiß-Ende. Definitiv”, sagte Hummels bei Sky.
Den letzten Traum, den sich als Dortmunder noch erfüllen wollte, blieb dem Nationalspieler verwehrt. Um 22.46 Uhr, als Douglas Costa beim Elfmeterschießen Anlauf lief, stand Hummels an der Seitenauslinie, eingehakt mit seinen Noch-Mannschaftskollegen und musste hilflos mit ansehen, wie der Ball ins Tor ging. „Wir haben das Pech auf unserer Seite gehabt”, sagte Hummels in der ARD. Es sei unfassbar schade und traurig: „Vielleicht hat es sich Bayern verdient. Für unsere kämpferische Leistung wäre es auch nicht unverdient gewesen.”
Das Pokalfinale war entschieden: Wie im Vorjahr, als der BVB dem VfL Wolfsburg unterlegen war, und wie 2014, als die Dortmunder ebenfalls gegen die Bayern verloren hatte, durften die Borussen denDFB-Pokal nicht berühren. „Natürlich werde ich jetzt Abschied feiern. Wir hatten ein unfassbare schöne Zeit, die verlorenen Finals taten weh. Ich bin unfassbar froh, dass ich das mit den Jungs erleben durfte. Ich werde sie alle sehr vermissen”, sagte Hummels.
Hummels hatte alles für einen perfekten Abschied getan. Noch einmal wolle er wie 2011, als er mit BVB erstmals Deutscher Meister geworden und 2012, als er gar Schale und DFB-Pokal gewinnen konnte, dieses Triumphgefühl genießen und auf einem Truck um den Borsigplatz gefahren werden. „Dafür werde ich alles geben”, hatte er versprochen und Wort gehalten: Er war ein umsichtiger Abwehrchef, organisierte die BVB-Defensive, die sich am Samstag als sehr variabel und stabil erwies.
Stark in der Defensive, Fehler im Spielaufbau
Sobald die Bayern in Ballbesitz waren, agierte die Borussen-Abwehr mit einer Fünferkette. Speziell in der ersten Halbzeit gab es deshalb kaum Gelegenheiten für die Münchener. Und wenn doch einmal – dann war Hummels zur Stelle. Wie in der 33. Minute: Roman Bürki konnte einen Schuss von Douglas Costa nur nach vorne abklatschen lassen – Hummels aber bereinigte die Situation.
In der zweiten Halbzeit, als der Druck der Bayern stärker wurde, zeigte Hummels dann seine wahren Qualitäten: Er wurde zum Aggressiv-Leader, wie moderne Trainer einen Spielern gern nennen, der die Mitspieler pusht und durch harte Zweikampführung Zeichen setzte: Hummels wurde bei den gefährlichen Angriffen der Bayern gemeinsam zum Turm in der Schlacht.
In der 56. Minute funkte er entscheidend dazwischen, so dass weder Thomas Müller, noch Robert Lewandowski oder Franck Ribéry zum Abschluss kamen. In dieser Phase war Hummels wertvoll wie nie: Er hielt die Abwehr zusammen, er ging voran, er gab die Richtung vor – bis zur 73. Minute: Eine Grätsche gegen Ribéry, wieder einmal in höchster Not, war zuviel. Er bekam Krämpfe. Hummels zeigte in der Defensive eine starke Partie, war im Spielaufbau aber nicht so stark wie gewohnt, da die Bayern ihn mit ihrem aggressivem Pressing zu Fehlern zwangen. „Hummels hat um die Auswechslung gebeten. Er kann es besser”, sagte BVB-Trainer Thomas Tuchel nach dem Spiel recht deutlich.
Danach konnte er auf dem Platz nicht mehr helfen. Bis zur Pause in der Verlängerung: Hummels kehrte auf den Rasen zurück, sprach seinen Kollegen Mut zu, versuchte ihnen Siegesgewissheit einzureden. Er zitterte bis zum Schluss als Kapitän mit, war allerdings in den letzten Minuten ein hilfloser Leitwolf: Er musste von der Bank aus mitansehen, als Sven Bender, der sich in der 110. Minute verletzte, trotzdem tapfer bis zum Schlusspfiff über den Platz humpeln musste, weil der BVB nicht mehr auswechseln konnte. Nach der Verlängerung ging er noch einmal auf den Platz, redete seinen Noch-Kollegen erneut Mut zu.
Dann erlebte er das Elfmeterschießen mit. Davor hatte er sich gefürchtet. „Wow, da muss man abwarten, wie ich mich fühle”, hatte er vor dem Spiel gesagt und die tragische Geschichte von Lothar Matthäus erinnert. „Ich weiß, dass er 1984 vor seinem Wechsel von Mönchengladbach nach München im Pokalfinale verschossen hat. Da liegen wohl 20 Tonnen Last auf den Schultern”, hatte erklärt. Uli Hoeneß, der Ehrenpräsident der Bayern hatte Hummels deshalb vorsorglich geraten, keinen Elfmeter zu schießen. Diese Entscheidung wurde ihm durch seine Verletzung abgenommen. Doch seinen Schmerz dürfte das nicht gelindert haben.
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