Der Laienprediger und Publizist Georg Kropp war es, der 1921 im württembergischen Wüstenrot die erste deutsche Bausparkasse gründete. Auch weniger begüterte Familien konnten sich fortan den Traum vom Wohneigentum erfüllen. Heute kommt knapp jeder fünfte Euro, mit dem der private Hausbau hierzulande finanziert wird, von einer der mehr als 20 deutschen Bausparkassen.
Noch, möchte man sagen. Denn von der Aufbruchstimmung von einst ist nicht mehr viel übrig. Knapp 100 Jahre später steht Kropps Wüstenrot Bausparkasse vor Gericht, nicht vor irgendeinem, sondern vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Sie ist dort stellvertretend für die ganze Branche zum Siegen verdammt. Unterliegt sie gegen zwei ihrer langjährigen Kundinnen, verschärft sich die ohnehin angespannte finanzielle Situation vieler Bausparkassen weiter, was auch Kunden spüren werden.
Der Zeitpunkt des Streits könnte ungünstiger kaum sein. Denn erstmals seit Jahren spricht einiges dafür, dass sich der Neuabschluss eines oft als spießig verschrienen Bausparvertrags für Kunden wieder lohnt. Denn in den vergangenen Monaten haben sich die Hypothekenzinsen spürbar erhöht. Von einer Zinswende zu sprechen wäre zwar noch zu früh. Wer aber Gewissheit haben will, dass er auch in acht oder zehn Jahren noch Baugeld zu einem Zins von zwei Prozent bekommt, kann sich das aktuelle Niveau per Bausparvertrag jetzt sichern.
Bausparvertrag könnte ein Comeback bevorstehen
Endlich könnte die Grundidee des Bausparens wieder zum Tragen kommen: Der Kunde spart sieben, acht Jahre lang Geld an und bekommt dafür einen angenehm niedrigen Zins. Hat er 40 bis 50 Prozent der vereinbarten Bausparsumme beisammen, ist der Kredit zuteilungsreif. Dann kann er das Darlehen abrufen und zahlt dafür dank des angesammelten Eigenkapitals recht tiefe Zinsen. Der Bausparvertrag könnte sozusagen sein Comeback erleben. Das Produkt wäre wieder eine echte Option für die Immobilienfinanzierung.
In den zurückliegenden Jahren war das wegen der Zinsverwerfungen infolge der Euro-Krise nicht so. Die Kunden sparten lieber weiter, schließlich gab es dafür sehr viel höhere Sparzinsen als heute üblich sind, etwa auf Tagesgeldkonten. Das vor Jahren vereinbarte Darlehen lohnte sich dagegen nicht mehr. Die Kreditzinsen sind aktuell so niedrig, dass ein normales Hypothekendarlehen günstiger zu haben ist. So häuften sich bei den Bausparkassen immer höhere Guthaben an, das Volumen der ausgereichten Darlehen sank hingegen kontinuierlich. Ein schlechtes Geschäft für die Anbieter.
Die Kassen, so beteuern sie, wussten sich nicht anders zu helfen, als alte Verträge zu kündigen. Fast alle griffen zu diesem Mittel. Rund einer Viertel Million Verbrauchern flatterte die Kündigung ins Haus, weil sie die hohen Guthabenzinsen des Bausparvertrages gerne einsteckten, aber gar nicht daran dachten, nach ein paar Jahren den Kredit abzurufen. Das wollten viele Kunden nicht auf sich sitzen lassen und zogen vor Gericht. In den BGH-Fällen, die am Dienstag verhandelt werden, hätten die Kunden das Darlehen seit mehr als zehn Jahren abrufen können.
Kündigungen und neue Gebühren
In den Kündigungsschreiben wird gerne an die „Verantwortung für das Kollektiv der Sparer“ appelliert. Weil Altkunden noch hohe Zinsen kassierten, bekämen Neukunden schlechtere Konditionen. So rechtfertigen Bausparkassen bislang nicht nur Kündigungen, sondern auch neue Gebühren. Altkunden der Debeka Bausparkasse beispielsweise sollen, abhängig von der Höhe des Guthabenzinses, seit Jahresanfang 24 Euro oder zwölf Euro im Jahr als Servicepauschale entrichten – Neukunden nicht. Die Aachener Bausparkasse hat Kunden aufgefordert, in einen schlechter verzinsten Tarif zu wechseln.
Solche Maßnahmen werden gerne als Notwehr dargestellt. „Die Kündigung von hochverzinslichen Altverträgen ist leider unverzichtbar“, sagt Andreas Zehnder, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Privaten Bausparkassen. Für einen „ewigen Guthabenzins“ seien sie nie gedacht gewesen. Er hoffe, dass der BGH die Rechtsauffassung der weit überwiegenden Zahl der Vorinstanzen bestätigt und damit die Gemeinschaft der Bausparer stärkt.
Zwar haben die meisten Gerichte bislang pro Anbieter entschieden, doch es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Richter des XI. Zivilsenats bei Finanzstreitigkeiten auf die Seite der Verbraucher stellen. So gibt man sich denn auch keinen Illusionen hin. Komme es anders, so Verbandschef Zehnder, werde der Druck auf die Anbieter noch einmal steigen, da diese einem Teil ihrer Kunden auf ungewisse Zeit noch die hohen Zinsen zahlen müssten. „Der Sparkurs würde dann fortgesetzt werden“, sagt er und droht indirekt mit weiteren Stellenstreichungen. Hinzu kommt ein gewaltiger Reputationsschaden für die Branche.
Zins von häufig nur 0,1 Prozent
Als reines Sparprodukt, wie es in der Vergangenheit gerne von den Anbietern selbst beworben wurde, hat der Bausparvertrag so oder so ausgedient. Das wird auf absehbare Zeit auch so bleiben. Nur wer wenig verdient und wenig einzahlt, kann dank Zulagen wie Wohnungsbauprämie oder Arbeitnehmersparzulage den Sparmotor noch auf eine Leistung von bis zu neun Prozent Rendite im Jahr frisieren. Viele andere landen in der Sparphase angesichts eines Zinses von häufig gerade noch 0,1 Prozent im negativen Bereich. Dafür sorgen die Abschlusskosten, die bei einem Prozent der Bausparsumme liegen.
Spannend ist wieder der Kredit. „Gerade für ältere Sparer, die womöglich Schwierigkeiten haben, an ein klassisches Hypothekendarlehen zu kommen, kann dies eine Alternative sein“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die wollen vielleicht nicht mehr bauen, aber das Dach sanieren oder eine Solaranlage anbringen. Angesichts durchschnittlicher Bausparsummen von 30.000 Euro wurde das Geld schon immer eher für solche Investitionen genutzt.
Nauhauser gibt mit Blick auf die Masse der Verbraucher zu bedenken: Damit sich der Bausparvertrag trotz der Verluste in der Sparphase rechnet, muss der Zins für ein alternatives Sofortdarlehen in einigen Jahren mindestens bei drei Prozent liegen. Aktuell gibt es einen Hypothekenkredit über zehn Jahre laut des Zinsportals FMH im Durchschnitt für 1,37 Prozent.
Am Ende den Kredit doch nicht zu nehmen, sondern weiter zu halten und die Zinsen zu kassieren, wird übrigens in Zukunft schwierig – unabhängig von der BGH-Entscheidung. Bei Schwäbisch Hall sind Kunden, die das Darlehen nicht wollen, seit dem 1. Januar gezwungen, ihren Vertrag voll zu besparen. Ist er voll, kann ihnen gekündigt werden. Das ist unstrittig.