- Bei einer Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Terroranschläge erlitt sie einen Schwächeanfall.
- Videoaufnahmen zeigen, wie sie fast zusammenbricht. Ein schwerer Rückschlag, der ihre Wahlchancen schmälern dürfte.
Seit Monaten verbreitet das Trump-Wahlkampfteam und seine Verbündeten Gerüchte über Hillary Clintons Gesundheitszustand. Und nun das: Bei der Gedenkfeier an die Opfer des Terroranschlages vom 11. September 2001 verlässt Clinton nach eineinhalb Stunden abrupt die Veranstaltung.
Eine Stunde lang herrscht Funkstille, keine Erklärung gegenüber der Presse. Dann heißt es, die demokratische Präsidentschaftskandidatin habe sich „überhitzt gefühlt“, sei zum Apartment ihrer Tochter Chelsea gegangen und fühle sich schon viel besser. Später dann folgt die Diagnose von Clintons Ärztin: Lungenentzündung.
„Ministerin Clinton hat Husten gehabt, der von Allergien ausgelöst wurde. Am Freitag, nach einer Folgeuntersuchung wegen ihres Hustens, wurde bei ihr dann eine Lungenentzündung festgestellt“, so Lisa Bardack. Clinton sei auf Antibiotika gesetzt worden und man habe ihr geraten, sich auszuruhen und ihren Terminplan zu verändern. Clinton hat diesen Rat offenbar nicht befolgt und ist am Sonntagmorgen dennoch zur Gedenkfeier gegangen. Dort sei sie dann überhitzt und dehydriert gewesen.
Verstörende Videobilder
Es ist schlimm genug, dass Clinton im Schlussspurt der Präsidentschaftswahl, die nicht einmal mehr zwei Monate entfernt ist, aus gesundheitlichen Gründen kürzertreten muss. Noch sehr viel schlimmer jedoch sind die Videobilder, die Passanten gemacht haben, als Clinton – von der Veranstaltung kommend – in das bereitstehende Auto stieg. Wobei steigen nicht der richtige Begriff ist. Getragen oder geschleift werden trifft es schon eher.
Man sieht, wie Clinton kurz vor dem Auto offenbar zusammensackt, erst von einem Sicherheitsbeamten gestützt wird und dann gänzlich leblos ins Auto gehievt wird. Letzteres ist nicht mehr genau zu erkennen, weil die Entourage von Clinton die Sicht verdeckt. Was man jedoch auf manchen Aufnahmen sieht, ist der Fuß und der Unterschenkel Clintons, die den Eindruck erwecken, sie habe gar keine Kontrolle mehr über ihren Körper, vielleicht ist sie sogar ohnmächtig geworden.
Das ist ein GAU für die demokratische Kandidatin, weil es die von Trumps Leuten gestreuten Gerüchte zu bewahrheiten scheint über ihren Gesundheitszustand. In den sozialen Netzwerken sind die Trump-Fans elektrisiert von dieser Entwicklung. Unter dem Hashtag #HillarysHealth (Hillarys Gesundheit) ergießt sich auf Twitter ein Schwall von Häme über die Kandidatin. Die Trump-Fans spüren, dass Clinton, die bisher als die wahrscheinliche Siegerin im Kampf ums Weiße Haus galt, plötzlich verwundbar geworden ist.
Amerikaner erwarten eine eiserne Gesundheit
Die Amerikaner verzeihen ihren Politikern viel, wie das Beispiel Trump beweist, aber eines gilt als unabdingbare Voraussetzung für den mächtigsten Job der Welt: eine eiserne Gesundheit, die den enormen Anforderungen des Amtes gewachsen ist. Und da gab es sowohl bei Clinton wie auch bei Trump erhebliche Zweifel. Schließlich sind sie das älteste Kandidatenpaar der amerikanischen Geschichte. Und beide sind nicht besonders freigiebig, was ihre medizinischen Daten anbelangt.
Clintons letztes ärztliches Bulletin, das ihr Kampagnenteam freigab, stammt vom Juli 2015. Trumps Arzt Harold Bornstein hingegen hat eine gänzlich unwissenschaftlich formulierte Jubelarie auf den Kandidaten veröffentlicht, die so klang, als sei sie vom Kandidaten selbst formuliert worden. Vor Kurzem hat Bornstein zugegeben, dass er das kurze Schreiben in nur fünf Minuten verfasst hat, während eine von Trump geschickte Limousine vor dem Haus seiner Praxis darauf wartete, das Dokument zu Trump zu bringen.
Die Zurückhaltung mit Clintons Gesundheitsdaten gab der Trump-Seite die Gelegenheit, Zweifel zu säen. Zumal im Bulletin von 2015 erwähnt wurde, dass Clinton 2012 nach einem Sturz als Außenministerin einen Blutklumpen im Gehirn hatte und eine Zeit lang doppelt sah. Die Verschwörungstheoretiker im Netz fabulierten von epileptischen Anfällen, Blackouts und fortschreitender Demenz bei der Kandidatin, es kursierte gar eine gefälschte Krankenakte von Clinton im Netz. Eine Sprecherin Trumps sagte vor einigen Wochen gar, Clinton habe eine Sprachstörung, die auf eine Fehlfunktion des Gehirns zurückgehe.
Clinton muss ohnehin gegen Vorurteile kämpfen
Die Bilder vom Schwächeanfall sind nun ein gefundenes Fressen für all jene, die glauben, Hillary verberge wieder einmal etwas. Wenn die notorisch geheimniskrämerischen Clintons so etwas Gravierendes wie eine Lungenentzündung zugäben, so der Tenor, wer weiß, worunter sie dann wirklich leide. Dazu kommt, dass Clinton als Frau gegen Vorurteile zu kämpfen hat über das angeblich weiche Geschlecht. Sie weiß, dass sie Stärke demonstrieren muss, um als kommende Oberbefehlshaberin der mächtigsten Streitkräfte der Welt akzeptiert zu werden. Und nun zeigt sie Schwäche, weil sie ihrem Körper offenbar mehr abverlangt hat, als der zu leisten vermochte.
Ein amerikanischer Wahlkampf ist eine unglaublich kräftezehrende Veranstaltung, es ist, als würde man einen anderthalb Jahre andauernden Triathlon absolvieren, während die Kameras dauernd jede Bewegung und jeden Pickel im Gesicht in Nahaufnahme registrieren. Und mit 68 Jahren steckt der Körper solch eine Tortur nicht mehr so einfach weg wie früher. Dass Clinton trotz Lungenentzündung zur Gedenkfeier für 9/11 ging zeigt, dass sie sich keine Blöße geben wollte. Das Ergebnis sind jedoch Bilder, die verheerender sind, als es jede Absage hätte sein können. Es ist erschütternd zu sehen, wie Clinton da plötzlich ins sich zusammensackt. Von diesen Bildern wird sie sich für den Rest des Wahlkampfs nicht mehr befreien können.
Clinton ist Profi genug, um zu wissen, wie kritisch dieser Moment ist. Zwei Stunden, nachdem sie die Gedenkfeier verlassen hatte, zeigte sie sich winkend vor der Wohnung ihrer Tochter um zu signalisieren, dass alles gar nicht so schlimm ist. „Ich fühle mich großartig, es ist ein wundervoller Tag in New York“, antwortete Clinton auf die Fragen der Reporter, bevor sie in das Auto des Secret Service stieg. Am späten Abend gab ihr Team jedoch bekannt, dass die Kandidatin für Montag und Dienstag geplante Wahlveranstaltungen in Kalifornien abgesagt hat.
Lage hat sich dramatisch verändert
Und Clinton weiß, dass die Fragen nach ihrer Physis sie nun für den Rest der Kampagne begleiten werden. „Das wird dazu führen, das Fragen über ihre Gesundheit nicht mehr nur ein Thema für konservative Verschwörungstheoretiker sind, sondern in den kommenden Tagen vielleicht zur zentralen Diskussion des Präsidentenwahlkampfs werden“ schreibt Polit-Analyst Chris Cillizza von der„Washington Post“. Fünf Tage zuvor hatte Cillizza gefordert, endlich aufzuhören mit den Spekulationen über Clintons Gesundheit.
Doch seitdem hat sich die Lage dramatisch verändert. Gab es damals keine belastbaren Hinweise für irgendwelche Probleme, außer gelegentlichem Husten, so ist das nun anders. „Es reicht nun nicht mehr, nur den Worten von Clintons Kampagne über ihre Gesundheit zu glauben“, schreibt Cillizza. Clinton müsse nun einen detaillierteren Bericht über ihren Gesundheitszustand vorlegen.
Die Kandidatin hat körperliche Schwäche gezeigt in einem Moment, in dem Trump in den Umfragen wieder näher an sie herankommt. Es ist nun nicht mehr ausgeschlossen, dass Zweifel über Clintons Gesundheit Trump den entscheidenden Push geben könnten, an ihr vorbeizuziehen.
Trump hat in den vergangenen Wochen auch mehr Disziplin gezeigt als vorher und weniger Kontroversen ausgelöst als sonst. Bis zum späten Abend Ostküstenzeit hatte er Clintons Gesundheit auf Twitter auch noch nicht kommentiert, ganz gegen seine sonstigen Gewohnheiten. Offenbar hat er erkannt, dass die Sache derzeit auch so genau in seine Richtung läuft.
https://www.welt.de/politik/ausland/article158066615/Ein-verstoerender-Moment-erschuettert-Clintons-Kandidatur.html