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Echte Siege statt echter Liebe?

Der neue BVB-Trainer Thomas Tuchel ist ein Fußballwissenschaftler. Ein Menschenfänger wie Jürgen Klopp ist er nicht. Doch etwas mehr Besonnenheit könnte dem Club guttun. Ein Kommentar von Christian Spiller

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Thomas Tuchel ist der Avantgardist auf dem Platz.  |  © Fredrik von Erichsen/dpa

Es sollte nicht sentimental werden, aber dann stand Jürgen Klopp am Samstag doch wieder vor der Südtribüne in Dortmund und fuchtelte mit den Armen, und einige Zuschauer hatten sicherlich Tränen in den Augen. Erst recht, als sie ihren Emotionsbolzen, der sich als Fußballtrainer tarnt, hinterher sagen hörten, dass er jetzt „nicht jede Woche flennen” könne, bei seinen letzten Spielen im BVB-Trainingsanzug.

Ein paar Stunden später steht fest: Thomas Tuchel wird Klopps Nachfolger. Und schon jetzt kann man sagen, dass sich die Dortmunder Fans umstellen müssen. Tuchel wird bestimmt nicht vom Flennen reden. Er wird Tore nicht bejubeln, wie Bob Beamon weitsprang. Er wird sich nicht wie ein Rapper immer wieder mit der Faust dahin klopfen, wo das Herz schlägt.

Doch vielleicht ist es genau das, was die Verantwortlichen des BVB wollten. Und was dem Club guttut. Nachdem Jürgen Klopp das Team mit viel Adrenalin in höchste internationale Fußballsphären geschossen hat, braucht es nun einen kühleren Wissenschaftler, einen Nerd, der keine Werbespots dreht, sondern sich in sein Trainerstübchen einschließt, hier tüftelt und da bastelt und dem bei einem Club Mate einfällt, was der BVB so alles anstellen könnte, wenn er mal den Ball hat.

Nase rümpfen über den Tuchel-Hype

Bevor sich der BVB nun seine Dienste gesichert hat, war Thomas Tuchel fast ein Jahr lang arbeitslos. Er wollte es so und hat etwas geschafft, wovon jeder träumt: nichts tun und trotzdem mit jedem Tag begehrter werden. Je länger die Zeit des Müßiggangs dauerte, desto öfter war er bei potenziell neuen Arbeitgebern im Gespräch. Nur Pep Guardiola gelang während seines Sabbaticals Ähnliches, ehe er sich schließlich von Uli Hoeneß für den FC Bayern begeistern ließ.

Aber Tuchel und Guardiola – ist dieser Vergleich überhaupt zulässig? Schließlich hatte Guardiola zu dieser Zeit mit dem FC Barcelona schon 14 Titel gesammelt. Und Thomas Tuchel in einem etwa ähnlichen Zeitraum mit dem FSV Mainz keinen einzigen. Ein Fakt, der den einen oder anderen Kommentator über den Tuchel-Hype die Nase rümpfen ließ.

Das ist etwas unfair, weil mit den Mainzern Titel ein wenig schwerer zu gewinnen sind als mit Barcelona. Tuchel machte aus einem Abstiegskandidaten immerhin einen Europapokalteilnehmer (was Guardiola übrigens noch nicht gelang). In einer Bundesligatabelle, die alle fünf Spielzeiten unter Tuchel zusammenfassen würde, stünde der kleine 1. FSV Mainz auf Platz fünf. Hinter den vier Großen: Bayern, Dortmund, Leverkusen, Schalke.

Versprechen, der innovativste Trainer des Landes zu sein

Doch bei Tuchel geht es immer auch um mehr als nur den augenblicklichen Erfolg. So wie in einen Aktienkurs stets die künftigen Erwartungen eingepreist sind, bemisst sich der Wert von Thomas Tuchel an dem Versprechen, der wahrscheinlich innovativste Trainer des Landes zu sein.

Tuchel ist Avantgarde, ist ein Querdenker. Er war es, der das Wort Matchplan geprägt hat, er trifft sich mit Pep Guardiola zum Gedankenaustausch und besucht Mathematiker, um von ihnen etwas über Fußball zu lernen. Und er sagt dazu Sätze wie: „Es geht unter anderem darum, wie schwer es Menschen fällt, statistisch richtig zu denken, und wir uns durch unsere individuelle Wahrnehmungsverzerrung selbst in die Irre führen oder als scheinbare Experten ein viel zu großes Vertrauen in das eigene Wissen haben.”

Kein zweiter Jürgen Klopp

Tuchel ist ein Fußballintellektueller. Was er nicht ist: ein zweiter Jürgen Klopp. Klopp ist ein Menschenfänger, ein Hypnotiseur, ein Gefühlsausbruch in Trainingsjacke. Klopp war als Trainer wie gebacken für den BVB, diesen Verein, der das Mantra „Echte Liebe” vor sich herträgt, was Fans anderer Vereine spotten lässt, aber einen Großteil der Identität des Herz-und-Seele-Ruhrgebietsclubs ausmacht.

Der verschlossenere Tuchel, dem der Philosoph Wolfram Eilenberger in einem TV-Fußballstammtisch am Wochenende eine „aspergerhafte Eingesponnenheit” attestierte, ist in dieser Hinsicht beinahe das Gegenteil von Jürgen Klopp.

Tuchel ist kein einfacher Typ. Er kann auch furchtbar arrogant wirken. Wenn er sich aber auf den BVB einlässt und der sich auf ihn, könnte es bald heißen: echte Siege statt Echte Liebe. Und die Emotionen beim Klopp-Abschied werden wohl sowieso für ein paar Jahre reichen.

Forrás: http://www.zeit.de/sport/2015-04/tuchel-bvb-dortmund-trainer

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