Die USA haben Donald Trump zum Präsidenten gemacht – und das Establishement und die Eliten in Washington abgewählt.
  • Kaum ein Umfrageinstitut hatte das erwartet: Die Börsen gingen auf Talfahrt, die Welt schaltete in den Krisenmodus.
  • Trumps Strategie, bis zum Schluss um die alten Industriestaaten mit hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen, ging voll auf.
Warum das wichtig ist:
Die USA haben sich für einen Mann entschieden, der das „Alte” zerstören will, ohne zu sagen, was an dessen Stelle treten soll. Die Folgen für die Welt sind noch nicht absehbar.

Was kaum jemand für möglich gehalten hatte, ist eingetreten: Donald Trump hat die Wahl gewonnen und wird nächster Präsident der Vereinigten Staaten. Das ist das Ergebnis einer Wahlnacht, die kaum jemand vorhergesehen hatte. Als die ersten Wahllokale um 6.30 Uhr Ostküstenzeit schlossen und die ersten Exit Polls eingingen, gab das Rechenmodell der „New York Times“ Trump eine Siegeschance von nur 20 Prozent.

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Und die nächsten zwei Stunden änderte sich daran relativ wenig. Dann liefen die ersten belastbaren Ergebnisse aus den einzelnen Wahlbezirken ein, aus Florida, aus Virginia, wo Trump lange überraschend gut lag, aus dem „Battleground State“ North Carolina und anderen Ostküstenstaaten – und plötzlich stellte sich heraus, dass die Exit Polls offenbar weit neben den tatsächlichen Stimmabgaben lagen.

Die „Times“ wertete Trumps Siegchancen immer weiter nach oben. Gegen 21.30 Uhr sah sie den Republikaner plötzlich als den wahrscheinlichen Gewinner. Und von da an ging es nur noch aufwärts.

Die Welt schaltet in den Krisenmodus

Noch bevor Hillary Clintons Niederlage offiziell fest stand, war klar, wer die ersten Verlierer dieses Wahlabends waren: die Meinungsforschungsinstitute. Der republikanische Umfragenguru Frank Luntz etwa machte seiner Verblüffung auf Twitter Luft. „Die 2016 Exit Polls von vor 5 Stunden sind bisher die schlechtesten und am wenigsten genauen, die wir je gesehen haben“, schrieb er auf Twitter.

Da waren die Börsen weltweit schon auf Talfahrt gegangen, der mexikanische Peso abgestürzt, und der grüne Außenpolitiker Omid Nouripour rief zu einem europäischen Krisengipfel auf, falls Trump tatsächlich gewinnen sollte. Die Welt schaltete in den Krisenmodus. Viele sprachen von einer Katastrophe für den Westen, die noch weitaus schlimmer sei als die britische Entscheidung für den Brexit.

Trump-Wahl schickt Dax ins Minus

Schon die Aussicht auf einen Sieg von Donald Trump hat manche Börsen einbrechen lassen. Der US-Dollar verliert weiter. Auch der Dax sieht rote Vorzeichen.

Quelle: Die Welt

Viele Experten hatten im Vorfeld Trumps Strategie kritisiert, weil der noch in Staaten wie etwa Michigan oder Wisconsin wahlkämpfte, die sich Umfragen zufolge klar im Clinton-Lager befanden. Doch es stellte sich heraus, dass Trump recht hatte mit seiner „Rustbelt“-Strategie, also auf die Staaten in den ehemaligen Industrieregionen zu setzen, die besonders von der Globalisierung und Abwanderung ganzer Industriezweigen betroffen sind.

Der Schlüssel zu Trumps Sieg lag jedoch in Florida, das er eine halbe Stunde vor Mitternacht gewann. Und das mit einem weitaus klareren Ergebnis, als vorausgesagt worden war. Auch die angebliche Mobilisierung der hispanischen Wählerschaft gegen Trump scheint dort und anderswo nicht stattgefunden zu haben. Die Demokraten haben einen großen Teil der Arbeiterschaft verloren und offenbar trotz Trumps weißer Identitätspolitik nicht genug Stimmen von den Minderheiten bekommen, um das auszugleichen.

Ein Sieg über das Establishment, die Eliten

Donald Trump hat jedoch nicht nur eine schwache und vielfach beschädigte demokratische Kandidatin geschlagen. Tatsächlich hat er einen Sieg über das Washingtoner Establishment, das politische System und die Eliten in Wirtschaft und Politik erzielt.

„Trump – weil ich ihn für frei und unbestechlich halte“

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Quelle: Die Welt

Trump war angetreten mit der Botschaft, dass das System korrupt sei und gänzlich abgerissen werden müsse. Und auch wenn weite Teile der Bevölkerung ihn ablehnten, traf er damit einen Nerv. Clintons ebenfalls hohe Ablehnungswerte, die E-Mail-Affäre und die Tatsache, dass sie für viele Bürger das Establishment verkörpert, waren weitere entscheidende Ursachen.

Trump hat innerhalb nicht einmal eines Jahres die beiden mächtigsten politischen Dynastien des Landes geschlagen, die Bushs und die Clintons. Das Bedürfnis nach einem Wandel war offenbar so groß, dass viele Amerikaner bereit waren, über Trumps Ignoranz in vielen Politikfragen hinwegzusehen, genauso wie über seine Charakterschwächen.

Ganz im Gegenteil, seine cholerischen Ausfälle und seine Unfähigkeit, sich unter Kontrolle zu halten, ließen ihn als authentischer erscheinen als die komplett kontrollierte und politisch stromlinienförmige Clinton. Auch seine Taktik, auf Ressentiments eines Teils der weißen Bevölkerung zu setzen, die das Gefühl haben, von den städtischen Eliten verachtet zu werden und Angst vor einem ethnisch immer gemischteren Amerika, ist offenbar aufgegangen.

WAHLERGEBNISSE

In Trumps Kampagne war ständig die Rede von den „verschwundenen“ weißen Wählern, die sich in den vergangenen Wahlperioden gänzlich aus der Politik verabschiedet hatten. Offenbar ist es ihm gelungen, viele von ihnen wieder zu mobilisieren und an die Urnen zu bringen. Ganz zu schweigen von den weißen Rassisten, allen voran der Ku-Klux-Klan und die Alternative Rechte, die Trump als ihren Kandidaten sahen und in den sozialen Netzwerken gezieltes Mobbing gegen Trump-Gegner praktizierten.

Welche Rolle spielten Moskau und das FBI?

Es wird in den kommenden Tagen viel Ursachenforschung betrieben werden. Und am Ende wird man auch die Frage stellen, ob Russland, Wikileaks und das FBI den entscheidenden Anstoß dazu gaben, die Wahl in Richtung Trump zu kippen. Moskau hat gezielt demokratische Politiker gehackt, zuletzt den Account von Clintons Wahlkampfchef John Podesta, und die E-Mails dann über die Clinton-Hasser der Enthüllungsplattform Wikileaks verbreiten lassen. Das verursachte ständig neue Skandälchen und Enthüllungen, die Trump fortlaufend mit neuem Angriffsmaterial ausstatteten.

Und dann kam 11 Tage vor der Wahl noch die Ankündigung von FBI-Chef James Comey, die Ermittlungen gegen Clinton in der E-Mail-Affäre wieder aufzunehmen, weil ein neuer Computer mit Mails aufgetaucht war. Das ließ Clintons Werte kurz vor der Wahl steil abstürzen. Am Ende musste Comey zugeben, dass das falscher Alarm gewesen sei. Aber da war nicht mehr genug Zeit, um Clintons Ansehen bei den Wählern noch zu korrigieren.

FBI-Chef entlastet Hillary Clinton

Das FBI hat die Ermittlungen gegen Hillary Clinton in der E-Mail-Affäre überraschend wieder eingestellt. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine Anklage. Ihr Konkurrent Donald Trump reagierte ungehalten.

Quelle: Die Welt

Was auch immer am Ende den Ausschlag gegeben hat, es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Trumps Wahl einen tiefen Einschnitt für die amerikanische Demokratie bedeutet. Viele Intellektuelle, nicht zuletzt viele konservative Publizisten, warnten vor der Wahl vor den autoritären Neigungen Trumps und den Folgen, die das für die amerikanische Demokratie und Verfassung haben könnte.

Doch die Wähler haben entscheiden, dass sie dieses Risiko eingehen wollen und dass ein „Weiter so“, für das ihrer Meinung nach Clinton stand, die schlechtere Variante sein würde. Vor acht Jahren haben viele Amerikaner mit Barack Obama den optimistischen Kandidaten des Wandels gewählt. Nun haben sie sich für den wütenden, Hass predigenden Bilderstürmer entschieden, dessen Wandel vor allem darin besteht, das Alte zerstören zu wollen – ohne deutlich gemacht zu haben, was er an dessen Stelle setzen will.

Die mächtigste Nation der Welt hat sich in der Nacht zum 9. November, dem historischen Schicksalstag der Deutschen, für ein Experiment entschieden, dessen Folgen für Amerika und die Welt nicht abzuschätzen sind.

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