Um 18 Uhr, kurz vor dem Konzert der „Piano Guys“, wird die Idee mit den vier Prozent zu Amerikas offizieller Politik. Es ist der 20. Januar, der Tag, an dem Donald Trump in Washington das Präsidentenamt antritt. Während der Ball beginnt, auf dem Trump später mit Melania tanzt, programmiert ein Mitarbeiter die Internetseite des Weißen Hauses um. Er tilgt Barack Obama, löscht die alten Texte, lädt stattdessen Trumps Vision ins Netz. Die Versprechen aus dem Wahlkampf werden damit zu Positionen der Regierung. Auch all jene, die sich nicht erreichen lassen.

Trump prahlt, er werde sein Land in eine Ära des Superwachstums führen. Nicht um zwei Prozent soll die Wirtschaft zulegen, wie unter Barack Obama. Nicht um zweieinhalb Prozent, wie die National Association for Business Economics voraussagt, der größte Ökonomenverband der Welt. Nicht um drei Prozent, der Wert, den die USA seit 1950 durchschnittlich erreichten. Trump will mehr: vier Prozent.

Vier Prozent kann niemand schaffen

Ein „mutiger Plan“ soll das ermöglichen, wie es auf der Seite des Weißen Hauses heißt. Trump will die Steuern senken, damit die Bürger mehr Geld ausgeben und die Firmen mehr investieren. Er will Unternehmen weniger Vorschriften machen. Und er will Milliarden aufbringen, um neue Highways, Schienen, Brücken zu bauen. All das könnte tatsächlich das Wachstum beschleunigen, aber auf vier Prozent? Unmöglich, glauben Ökonomen. Das zentrale wirtschaftliche Versprechen des neuen Präsidenten ist wohl eine Illusion.

Vier Prozent Illusion
Mit Investitionen in die Infrastruktur will Donald Trump die Konjunktur beleben

Quelle: Bloomberg/Getty Images

„Vier Prozent“, sagt Robert Gordon und betont jede Silbe. „Das kann in Amerika niemand schaffen.“ Gordon zählt zu den renommiertesten Ökonomen des Landes, er lehrt an der Northwestern University in Illinois. Es sei egal, welche Politik Trump verfolge – die USA könnten den Wert unter keinen Umständen erreichen. Erstens fehlten die Arbeitskräfte, zweitens lasse sich die Produktivität nicht ausreichend steigern. „Keine Chance“, sagt Gordon.

Arbeitskräfte und Produktivität – davon hängt das Wirtschaftswachstum maßgeblich ab. Das Problem ist: In einem reichen, entwickelten Land kann die Regierung wenig tun, um das zu beeinflussen. Die Menschen in Amerika, Europa, auch in Teilen Asiens bekommen weniger Kinder als früher, die Generation der Babyboomer geht in den Ruhestand – dagegen können auch die Mächtigen nichts ausrichten.

„Wir sehen keine wirtschaftliche Linie“

Die Wirtschaftspolitik von Donald Trump und der Brexit sind aktuell die großen Themen an den Märkten. Diese Ratschläge gibt der Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank Ulrich Stephan Anlegern in dieser Zeit.

Quelle: N24

Ebenso wenig können sie ihren Ländern Fortschritt aufzwingen. Der Welt, sagt Gordon, sind schlicht die Ideen für umwälzende Innovationen ausgegangen. Elektrizität, Flugzeug, Internet – all das habe unser Leben revolutioniert. Aber nun sei die Epoche der ganz großen Erfindungen vorüber. Und damit die Zeit des starken Wachstums in den Industrienationen.

Ära des großen Wachstums ist längst vorbei

Um die Wirtschaft dauerhaft mit vier Prozent wachsen zu lassen, sei eine neue Ökonomie gefragt, keine Rezepte der Vergangenheit, sagt auch Bart van Ark, Chefökonom des US-Forschungsinstituts The Conference Board. „Die Regierung Trump scheint sich aber gar nicht darum zu bemühen, das wirtschaftliche Potenzial des Landes zu stärken.“

Tatsächlich liegen die guten Jahre für Amerika schon etwas zurück. Es gab sie, die Ära der vier Prozent: Während des Nachkriegsbooms, zwischen 1950 und 1973, legte die Wirtschaftsleistung im Jahresdurchschnitt um 4,3 Prozent zu. Aber seit der ersten Ölkrise 1974 kommen die USA nur noch auf 2,7 Prozent. Und der Trend weist nach unten.

Quelle: Infografik Die Welt

Das letzte Mal, dass es für vier Prozent reichte, war gegen Ende der Dotcom-Blase, im Jahr 2000. George Bush und sein Sohn George W. konnten sich in zusammen zwölf Amtsjahren nicht ein einziges Mal über eine derart große Dynamik freuen. Fast 30 Jahre ist es her, dass eine Vier vor dem Komma stand, während ein Republikaner im Weißen Haus saß. 1988 war das, der Präsident hieß Ronald Reagan.

Protektionismus schadet dem Wachstum

Auch wenn ein Reagan-Wert für Trump undenkbar scheint – Erfolge dürfte auch er verbuchen. Oder etwas, das er dafür verkaufen kann. „In den USA hat sich die Stimmung deutlich erholt“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Begonnen habe das schon vor Trumps Wahlsieg. „Trotzdem wird er sich das auf seine Fahnen schreiben“, so Krämer. Ein Wachstum von vier Prozent hält auch er für unrealistisch. „Das wäre nur möglich, wenn die Wirtschaft gerade aus der Rezession kommt. Aber der Aufschwung ist bereits alt, nun nähern wir uns der Vollbeschäftigung.“

Dennis Snower, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, glaubt ebenfalls nicht an das geplante Revival: „Es scheint fraglich, ob die US-Wirtschaft überhaupt Kapazitäten mobilisieren kann, um zusätzliche Nachfrage zu bedienen. Statt höherem Wachstum wären wohl vor allem steigende Preise und Löhne die Folge.“

Robert Gordon sieht noch ein weiteres Hindernis für Trumps Ziel: Donald Trump. Sein Kampf gegen den Freihandel werde das Wachstum eher verlangsamen. Und ausgerechnet die eine Möglichkeit, neue Arbeitskräfte herbeizuschaffen, nutze er nicht. Um die Wirtschaftskraft zu steigern, sagt Gordon, brauchte Amerika vor allem eines: mehr Zuwanderung.

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