Zum Nationalfeiertag beschreiben vier Frauen und sechs Männer ihr Verhältnis zur Schweiz. Für den Skispringer Simon Ammann ist die Schweizer Genauigkeit ein Vorzug, dem er auch seinen Erfolg verdankt.
Sie kennen und mögen sich, Simon Ammann und die Schweizer Fahne. Der Skispringer war an der Eröffnung der Olympischen Spiele von Sotschi 2014 Fahnenträger. Und viermal in seiner Karriere erlebte er Berauschendes mit dem weissen Kreuz auf rotem Grund. Zweimal, 2002 und 2010, wurde Ammann Doppelolympiasieger. Die Siegerehrungen waren im Überschwang der Emotionen immer auch ein Moment der inneren Einkehr, aber jedes Mal viel zu schnell vorbei. «Man möchte den Moment festhalten, die Pausentaste drücken», sagt Ammann. Wenn er heute die Schweizer Hymne hört, werden automatisch Erinnerungen wach an die Siegerehrungen von Salt Lake City und Sotschi. «Wer die Schweizer Hymne so wie ich erlebt hat, muss sie mögen. Für mich ist sie die Hymne für den speziellen Moment.»
Simon Ammann, was schätzen Sie an der Schweiz?
Die Genauigkeit, mit der gearbeitet wird. Das ist anerzogen. Diese Präzision pflege ich auch an der Schanze. Sie hat zu meiner langen Karriere beigetragen. Ich schätze auch die Bodenständigkeit des Toggenburgs. Das Tempo ist hier anders als am Zürichsee.
2003 verliess Ammann Unterwasser, wo er als Bauernbub aufgewachsen war, und liess sich in Schindellegi nieder. Das hatte steuerliche, aber auch praktische Gründe: Das Nationale Leistungszentrum der Skispringer in Einsiedeln ist mit dem Auto zehn Minuten entfernt. Obschon der 35-Jährige seither auch ein Schwyzer ist, würde kaum jemand ihn als solchen bezeichnen. Auch als St. Galler wird er nicht wahrgenommen. Ammann und das Toggenburg, das passt. Nach Karriereende will er dorthin zurückkehren.
Die Bergwelt weckt bei Ammann die stärksten Heimatgefühle. Und kein Anblick schafft das besser als die sieben Churfirsten, jene formvollendete Bergkette, an deren Fuss Ammann aufgewachsen ist. Auf dem Chäserrugg, dem östlichsten Gipfel, wurde 2015 ein von Herzog & de Meuron entworfenes, für sein Erscheinungsbild viel gelobtes Bergrestaurant eröffnet. Ammann investierte eigenes Geld, er sitzt auch im Verwaltungsrat der zuständigen Toggenburg Bergbahnen AG. Er sagt: «Ich ging als kleiner Sportler in die Welt hinaus und habe nun die Chance, meiner Heimatregion etwas zurückzugeben.» Ihn stört das Gejammer rund um den Bergtourismus in der Schweiz; er findet, schwierige Zeiten würden zu wenig als Chance wahrgenommen, etwas Neues, etwas Eigenes entstehen zu lassen. Oder mit Kreativität eine Nische zu füllen.
Zehn Plädoyers für Zuversicht
Vier Frauen und sechs Männer beschreiben ihr Verhältnis zur Schweiz.
Unlängst ist Ammann an einem Sommerwettkampf in Courchevel gestartet. Stark genutzte Berge wie in den Savoyen verlieren für ihn die Ästhetik. Auch deshalb ist er froh über die Annahme der Zweitwohnungsinitiative, für das Toggenburg sei das ein Segen. Der Schutz der Heimat führt für ihn über Qualität. So wie auf dem Chäserrugg, «dieser kleinen Perle». Sein Tipp: Innerlich bei der Talstation runterfahren, das Handy ausschalten, die Ruhe der Gegend auf sich wirken lassen. Und die Schweiz von ihrer schönsten Seite geniessen.
Simon Amman, was ist das Unschweizerischste an Ihnen?
(Überlegt sehr lange) Dass ich keine Schweizerin geheiratet habe.
Simon Ammann ist Skispringer, Privatpilot, Teilhaber der Sportagentur ASP und Verwaltungsrat der Toggenburg Bergbahnen AG.
http://www.nzz.ch/gesellschaft/meine-schweiz/simon-ammann-ld.108085