Seit dem Bekanntwerden des Abgasskandals bei Volkswagen ist der Anteil von Dieselfahrzeugen an den Neuzulassungen in Deutschland eingebrochen. Der Marktanteil sank in den vergangenen eineinhalb Jahren um fast zehn Punkte von knapp 50 Prozent auf nur noch gut 40 Prozent. Damit werden in Deutschland rund ein Fünftel weniger Dieselfahrzeuge neu zugelassen als vor Beginn des Skandals im Herbst 2015.
Der Abwärtstrend beschleunigt sich zudem. So lag der Marktanteil im März nur noch bei 40,6 Prozent, im Vorjahresmonat hatte die Quote noch 47,2 Prozent betragen. Das stellt vor allem die Autohersteller zunehmend vor Probleme, denn sie sind auf einen anhaltend hohen Dieselanteil angewiesen, um die CO2-Grenzwertziele für ihre Flotte erreichen zu können. Dieselfahrzeuge stoßen zwar mehr Stickoxide aus als Benziner, im Gegenzug produzieren sie aber weniger klimaschädliches Kohlendioxid.
Für die sinkende Zahl neu zugelassener Dieselfahrzeuge gibt es laut Experten mehrere Ursachen. Neben dem Imageverlust durch den Abgasskandal bei VWspielen vor allem drohende Fahrverbote in einigen Städten wie Stuttgart eine Rolle. Sie schrecken immer mehr Privatkunden vom Kauf eines Diesel-Pkw ab. Laut Zahlen des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen wurden 2015 noch fast 359.000 Dieselautos von Privatkunden neu zugelassen, im vergangenen Jahr waren es nur noch gut 344.000. Der Marktanteil im Privatkundensegment sank damit von 32,7 auf 29,3 Prozent. Auch im laufenden Jahr setzt sich dieser Trend fort, in den ersten beiden Monaten lag der Marktanteil nur noch bei 26,2 Prozent.
„Der Diesel ist zum Risiko geworden“
Doch deutlich bedrohlicher für die Hersteller ist die Tatsache, dass inzwischen auch Firmenkunden für ihre Dienstwagenflotten seltener auf den Diesel setzen. Bislang dominiert der Selbstzünder dieses Segment: Noch im Jahr 2011 lag der Anteil der neu zugelassenen Diesel-Pkw von Unternehmen bei 76,4 Prozent. Laut dem Marktforschungsunternehmen Dataforce, das die Zahlen der deutschen Dienstwagenflotten auswertet, sank dieser Wert im vergangenen Jahr auf nur noch 71,4 Prozent – ein Minus von rund drei Prozentpunkten allein 2016. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres lag der Anteil noch niedriger bei nur noch 70,1 Prozent. „Der Diesel ist zum Risiko geworden, und es wird zusehends schwieriger, ihn auch sozial zu rechtfertigen“, sagte CAR-Direktor Ferdinand Dudenhöffer. Das schrecke Firmen ab, obwohl der Diesel durch die steuerliche Subventionierung des Kraftstoffs insbesondere für Firmenwagen noch deutliche Vorteile bringe.
Laut der Unternehmensberatung EY handelt es sich bei den sinkenden Dieselmarktanteilen keineswegs nur um ein deutsches Phänomen: In Frankreich sank die Quote im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ebenfalls um 4,8 Prozentpunkte, sodass nun erstmals seit Jahren weniger als die Hälfte der Neuzulassungen Diesel sind. Der Marktanteil in Frankreich liegt nun nur noch bei 47,4 Prozent. In Spanien fiel der Rückgang mit sieben Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahresquartal auf nun noch 51,3 Prozent sogar noch drastischer aus. Lediglich Italien verzeichnete nur ein geringes Minus von 0,4 Prozentpunkten.
„In den kommenden Monaten und Jahren dürfte der Marktanteil von Dieselfahrzeugen voraussichtlich weiter zurückgehen, denn der Dieselantrieb hat derzeit ein Imageproblem – trotz der guten Umwelteigenschaften moderner Dieselmotoren, bei denen gerade die europäischen Autobauer stark sind“, prognostizieren die Experten von EY. „Damit geraten die Hersteller unter zusätzlichen Druck, die von der EU gesetzten Emissionsziele ab 2020 zu erreichen – andernfalls drohen hohe Strafzahlungen.“
„Diesel ist ein ganz wichtiges Standbein“
Tatsächlich ist bereits zu beobachten, dass die Elektrooffensiven einiger Hersteller noch einmal an Fahrt gewinnen. Daimler hat beispielsweise erst vor wenigen Tagen angekündigt, schon bis 2022 zehn vollelektrische Fahrzeugmodelle auf den Markt bringen zu wollen – drei Jahre früher als bislang geplant. Zwar sagte Entwicklungschef Ola Källenius, dass bei Mercedes bislang keine Veränderung der Dieselquoten zu sehen sei. Er betonte aber auch: „Diesel ist ein ganz, ganz, ganz wichtiges Standbein, wenn wir unser Ziel von 100 Gramm CO2 erreichen wollen.“ Im vergangenen Jahr lag der Wert für Daimlers Flotte unverändert bei durchschnittlich 123 Gramm CO2 pro Kilometer – zum ersten Mal seit Jahren war kein weiterer Rückgang zu verzeichnen.
Auch der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Matthias Wissmann, warnte vor den Folgen von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge. „Wer den Diesel verbieten will, stellt sich auch gegen den Klimaschutz“, sagte er. Moderne Euro-6-Diesel würden bis zu 15 Prozent Kohlendioxid ausstoßen als vergleichbare Benziner.
Ein Fahrverbot für Diesel-Pkw sei auch sozialpolitisch fragwürdig: „In Stuttgartsollen ab 2018 bei ‚Feinstaubalarm‘ bereits Euro-5-Diesel-Pkw nicht mehr fahren dürfen“, sagte Wissmann. „Diese Autos wären dann gerade einmal zweieinhalb Jahre alt. Die Verbotsankündigung hat Bürger, viele Gewerbetreibende und Handwerker erheblich verunsichert.“ Die Politik müsse überlegen, „ob bei einem so massiven Eingriff in die Eigentums- und Vermögensverhältnisse vieler Menschen noch die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird“.