Die US-Regierung um Präsident Donald Trump kämpft an mehreren Fronten mit gravierenden Problemen. Der Rücktritt des nationalen Sicherheitsberaters Michael Flynn – neuerlich „Flynngate“ betitelt – wächst sich zu einer handfesten Affäre aus.
Kern des Vorgangs ist ein Telefonat zwischen Flynn und dem russischen Botschafter, das beide vor Trumps Amtsantritt im Dezember führten. Es ging um die Sanktionen der scheidenden Regierung gegen Moskau. Flynn hat lange abgestritten, dass dies Thema war. Das FBI hatte andere Erkenntnisse und befragte ihn.
Trump soll schon am 26. Januar erfahren haben, dass sein Sicherheitsberater falsche Angaben machte. Das Weiße Haus ließ Flynn fallen – aber nicht wegen des Telefonats und dessen Inhalt, sondern, vermutlich weil er gelogen hatte. Im Kern geht es aber um den Umgang mit vertraulichen Informationen.
Im Wahlkampf hatte Trump noch gesagt, Clintons E-Mail-Affäre sei größer als Watergate. Watergate steht für den größten Politskandal der USA, einer Amtsenthebung kam Präsident Richard Nixon 1974 durch Rücktritt zuvor.
Trump selbst wird nun von manchen bereits mit Nixon verglichen. „Was wusste Präsident Trump? Was wusste der Präsident und wann wusste er es?“, sagte etwa der demokratische Senator Chris Coons dem Sender MSNBC in Anspielung auf eine Frage, die in der Form auch während des Watergate-Skandals gestellt wurde, der zum Rücktritt von Präsident Richard Nixon 1974 führte.
Trump schon jetzt unter Druck
Auch wenn der Vergleich verfrüht sein mag, werden Parallelen gezogen zwischen der Isoliertheit, Unbeliebtheit und großen Problemen beider Präsidenten.
Trumps Kandidat für das Arbeitsministerium Andy Puzder etwa warf vom Widerstand entnervt bereits das Handtuch. Ein Kontrollgremium des Kongresses unter dem Republikaner Jason Chaffetz verlangt von Trump Details zur Vertraulichkeit des Briefings über einen Raketentest unter freiem Himmel am Wochenende. Und angekündigter Ersatz für den gerichtlich untersagten Einreisestopp lässt auf sich warten.
Die Affäre um Michael Flynn hat nun noch einmal größere Sprengkraft, auch wenn für Trump alles eine Verschwörung der Medien ist. Die Affäre ist überhaupt nicht auf Flynn begrenzt. Viele tiefere Zusammenhänge sind ungeklärt. Die US-Regierung ringt um Transparenz, Ehrlichkeit, Vertrauen und Kompetenz.
US-Medien beschreiben den Vorgang bereits als größten Skandal seit der Iran-Contra-Affäre, als unter Ronald Reagan Gelder geheimer Waffenverkäufe an den Iran an Guerillas in Nicaragua weitergeleitet wurden. Trumps Krisenmanagement lässt Viele bang fragen, in welchem Zustand die Regierung wohl auf eine außenpolitische Krise antworten würde.
Welche Zusammenhänge gibt es mit Russland?
Der ganze Fall wirft die Frage auf, warum Trump so ein großes Interesse daran hat, die Verbindungen nach Moskau zu verbessern. Schon früh sprach er bewundernd über Kremlchef Wladimir Putin. Er holte Menschen in sein Team, die diese Ansicht teilten, darunter Flynn. Nach Recherchen der „New York Times“ sollen Mitglieder aus Trumps Stab vor der Wahl wiederholt Kontakte zu hohen russischen Geheimdienstenvertretern unterhalten haben. Demnach erfuhren US-Geheimdienste etwa zur selben Zeit davon, als der Verdacht aufkam, Russland stehe hinter den Hackingangriffen auf Computer der Demokraten. Sie prüften, ob es eine Verbindung zwischen Kontakten und Cyberangriffen gibt, fanden aber bislang keine.
Der Druck auf Trump kommt indes von mehreren Seiten. Die Demokraten fordern Ermittlungen, normal für eine Partei in der Opposition. Aber auch von Republikanern droht Ungemach. Der republikanische Fraktionschef im Senat, Mitch McConnell, will wahrscheinlich im Geheimdienstausschuss das Telefonat von Flynn untersuchen lassen.
Senator Lindsey Graham erklärte, der Kongress müsse erfahren, ob Flynn bei dem Gespräch eigenständig oder auf Anweisung gehandelt habe. Auch abseits des Kongresses gibt es Mahner. Der Kommandeur der US-Spezialeinheiten, Tony Thomas, sieht die Regierung in „unglaublichen Turbulenzen“. „Ich hoffe, dass sie das bald geregelt bekommen, denn wir sind eine Nation, die sich im Krieg befindet.“ Das waren sehr deutliche Worte, die für einen ranghohen Militärvertreter ungewöhnlich sind.
Trump ließ Pence lange im Dunkeln
Vizepräsident Mike Pence Pence hat nach eigenem Bekunden am Abend des 9. Februar aus der „Washington Post“ von den Vorgängen erfahren. Das ist erstaunlich, weil Trump schon viel länger im Bild war, er seinen Vize aber offensichtlich im Unklaren ließ.
Wenn er aber so lange im Dunkeln tappt, lässt das auch Rückschlüsse auf den Grad der Vernetzung und die Machtposition des Vize zu. Pence war sehr viel mehr Mann des republikanischen Establishments als Trumps Wunschkandidat. Man darf gespannt sein ob und wie lange sich Pence das gefallen lässt.
https://www.welt.de/politik/ausland/article162116533/Der-Watergate-Vergleich-geistert-durch-Washington.html