Hillary Clintons Beraterin Huma Abedin gibt Anthony Weiner den Laufpass. Schon zweimal hatte der Politiker Schlagzeilen gemacht durch unziemliche Fotos. Aber der aktuelle Fall ist schlimmer.
Die Sensation liegt ganz und gar nicht darin, dass Huma Abedin, die engste Beraterin von Hillary Clinton, am Montag ihrem Mann Anthony Weiner, einem ehemaligen Kongressabgeordneten, nach einem „Sexting”-Skandal den Laufpass gab.
Die eigentliche Sensation war vielmehr, dass Abedin in den vergangenen fünf Jahren an Weiners Seite geblieben war, obwohl er bereits im Mai 2011 via Twitter Fotos seiner eng anliegenden Unterhose mit einer sich darin deutlich abzeichnenden Erektion verbreitet hatte. Und dass sie weiter zu ihm hielt, als er sein bizarres Verhalten im Juli 2013 wiederholte.
Jetzt allerdings ist Abedins Geduldsfaden gerissen. Weiner hat es erneut getan, und diesmal mit einer widerwärtigen Besonderheit: Wie erst jetzt bekannt wurde, schickte er im Juli 2015 einer Twitter-Bekannten ein Foto jenes Körperteils, dessen Aktivitäten er offenkundig besonderen Nachrichtenwert beimisst. Und neben ihm auf dem Bett lag der fünfjährige Sohn, mutmaßlich schlafend. „Das ist Babysitten – im Anthony-Weiner-Stil”, schreibt dazu die „New York Post”, die den neuesten Fotobeweis veröffentlichte.
In dem Boulevardblatt ist zu lesen, dass sich der Twitter-Austausch zwischen dem 51-jährigen Weiner und einer geschiedenen Frau in den 40ern am 31. Juli vorigen Jahres morgens um drei Uhr zutrug. Er textete ihr per Direktnachricht, die nur der Empfänger lesen kann, seine Gedanken über Massagesalons „in der Nähe meines alten Appartments” und wechselte dann das Thema: „Jemand ist gerade in mein Bett geklettert.” – „Wirklich?”, antwortete die Frau, mit der Weiner nach späterem Eingeständnis seit einem halben Jahr in digitalem Kontakt stand. Daraufhin schickte er ihr ein Foto: Er im Bett liegend, mit nacktem Oberkörper, weißen Boxershorts, diese deutlich ausgebeult, und daneben das sich an den Vater kuschelnde Kind.
„Du weißt schon, dass man deinen Weiner auf dem Bild sehen kann???”, fragte die Frau zurück. Sie nutzte die amerikanische Bezeichnung für das Wiener Würstchen, das als Spitzname für des Mannes Gemächt herhalten muss, und sich– böse Ironie – so schreibt wie der Nachname des obsessiven Kurznachrichtendienstlers.
„Hör auf, meine Genitalien anzuschauen”
„Ooooooh… Ich habe mich erschrocken. Für eine halbe Sekunde dachte ich, ich hätte etwas gepostet. Hör auf, meine Genitalien anzuschauen”, antwortete Weiner. Dazu muss man wissen, dass der damalige Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus den ersten Skandal 2011 durch eine Riesendummheit lostrat. Auch damals sollte ein Foto von Weiners Weiner per Direktnachricht an eine einzelne Bekannte gehen, aber er postete es versehentlich so, dass es für jeden Twitter-User zugänglich war.
Anfängliche Behauptungen, jemand habe seinen Account gehackt, wurden als Lügen entlarvt, zumal auf einigen Bildern das Gesicht des damals als zukunftsträchtig geltenden Demokraten zu sehen war. Weiner musste angesichts der öffentlichen Empörung sein Abgeordnetenmandat aufgeben.
Im aktuellen Fall wurde das Foto von Weiners Twitter-Verhältnis, eine Trump-Anhängerin und Clinton-Gegnerin, an die Zeitung gegeben. „Nach langen und schmerzlichen Überlegungen und Arbeit an meiner Ehe habe ich mich entschlossen, mich von meinem Ehemann zu trennen”, ließ die brüskierte Abedin am Montag über das Wahlkampfteam von Hillary Clinton verlauten, dessen stellvertretende Vorsitzende sie ist. Während Clintons Zeit als Außenministerin war Abedin Vize-Stabschefin und bezog ein zusätzliches Gehalt als Beraterin für die Clinton-Stiftung.
Die Muslima, ein Kind indischer Eltern, wurde in den USA geboren, wuchs aber in Saudi-Arabien auf. Ihren Eltern und vereinzelt auch Huma Abedin selbst sagten Republikaner, darunter Donald Trump, immer wieder Verbindungen zur Muslim-Bruderschaft nach; einem Faktencheck halten diese Behauptungen allerdings kaum stand.
Warum hielt Abedin so lange an Weiner fest?
Die derzeit wesentlich pressierendere Frage: Warum hielt Abedin so lange an Weiner fest, mit dem sie seit Juli 2010 verheiratet ist? Während des ersten Skandals vor fünf Jahren war sie mit dem Sohn schwanger, der jetzt auf dem Foto neben Weiner schlummerte. War für sie die Vorstellung, das Kind vaterlos aufwachsen zu lassen, schlimmer als das weitere Leben an der Seite ihres offenkundig exhibitionistisch veranlagten Mannes?
Weiner hatte damals nach dem fehlgeleiteten Tweet eingeräumt, mit fünf weiteren Frauen ähnliche unziemliche Bilder und Texte ausgetauscht zu haben. Er schwor Besserung und trat 2013 als Kandidat für das Bürgermeisteramt von New York City mit der Bitte um eine zweite Chance an. Doch just in jener Phase ereignete sich der zweite Sexting-Skandal, und die Hoffnung auf Rehabilitation war vertan.
Mitunter mögen Macht, Ruhm oder Geld des Mannes Anlass für eine Frau sein, einen Seitensprung zu vergeben. Doch zwischen Abedin und Weiner gab es ein solches Abhängigkeitsverhältnis nicht. Nach Weiners Ausscheiden aus dem Kongress war er keine sonderlich attraktive Partie mehr, und Abedin als enge Vertraute der Kandidatin, die gute Chancen hat, US-Präsidentin zu werden, ist zweifellos in einer stärkeren Position als der Ex-Politiker.
Der Fall Strauss-Kahn lässt grüßen
Wir erinnern uns an Dominique Strauss-Kahn („DSK”), den Chef des Internationalen Währungsfonds, der im Mai 2011 mit einem Zimmermädchen in einem New Yorker Luxushotel Sex hatte. Sie sei von dem Franzosen vergewaltigt worden, sagte Nafissatou Diallo. Strauss-Kahn wurde in Handschellen aus dem Flugzeug geführt, mit dem er zurück nach Paris wollte. Das Strafverfahren gegen den damals 62-Jährigen musste später aus Mangel an Beweisen eingestellt werden; in einem Zivilverfahren einigte er sich mit Diallo außergerichtlich.
Das Erstaunliche: Als er auf Geheiß der amerikanischen Staatsanwaltschaft mehrere Monate in New York verbleiben musste, reiste seine Frau zu ihm und unterstützte ihn im Prozess. Erst ein gutes Jahr später trennte sie sich von dem Mann, der freimütig einräumte, sich auch andernorts gern außerehelich vergnügt zu haben.
Hillary Clinton blieb nach der Monica-Lewinsky-Affäre und weiteren Amouren an der Seite von Bill. Gibt es prominente Beispiele für Männer, die ähnlich gelassen auf serienmäßige Seitensprünge ihrer Frauen reagierten?
http://www.welt.de/politik/ausland/article157899656/Der-dritte-Sex-Skandal-war-Clintons-Beraterin-zu-viel.html