Wer ab Januar auf den deutschen Autobahnen zum Überholen ansetzt, sollte sich auf ein längeres Unterfangen einstellen. Denn dort werden immer häufiger die sogenannten Monstertrucks unterwegs sein, 25 Meter lange Lastwagen. Was bisher nur vereinzelt und im Feldtest geschah, wird dann dank Gesetzesänderung zum Regelbetrieb.

Die Fuhrunternehmen freuen sich auf ihre Lang-Lkw. So will die Logistikfirma Ebeling aus Wedemark in Niedersachsen demnächst Achsen für Daimler-Autos aus der Fabrik in Hamburg auf der Strecke nach Baden-Württemberg in die Werke Sindelfingen und Böblingen nicht mehr in einem „normalen“, sondern im neuen Lang-Lkw fahren. Auch der Transport von Textilien für die Modekette KiK vom Standort Bönen am Kamener Kreuz ins Verteillager in Hannover will die Firma nächstes Jahr mit den 25-Meter-Lkw abwickeln.

Das Logistikunternehmen Huettemann aus Duisburg plant den Einsatz von bis zu zehn dieser langen Laster. Sie sollen Elektronik wie Waschmaschinen, Spielwaren oder Autositze kreuz und quer in Deutschland an Lagerstandorte verteilen. „Wir werden die 25-Meter-Lkw vor allem nachts auf unseren festen Relationen einsetzen“, sagt Manfred Köhler aus der Geschäftsführung von Huettemann.

Ab 2017 sind Gigaliner in Deutschland erlaubt

Der Gigaliner, Monstertruck oder einfach Lang-Lkw, wird auf die deutschen Straßen kommen – und das in einer viel größeren Zahl als bislang erwartet. Heute sind im Rahmen des Feldversuchs gerade einmal 159 dieser Fahrzeuge unterwegs. Aus den Angaben der Fuhrunternehmer und auch aus den Prognosen der Behörden ergibt sich für 2017 eine Vervielfachung auf mehrere Tausend der langen Lastwagen. Die Diskussion über Sinn und Unsinn der verlängerten Trucks und der Konkurrenz zwischen der Straße und der Schiene als Transportweg dürfte damit andere Dimensionen bekommen.

In Deutschland gibt es etwa 800 große Mittelständler, die als Fuhrunternehmer jeden Tag viele Tausend Lkw auf Transporttouren schicken. Bei einer Stichprobe unter mehreren für die Branche bedeutenden Firmenchefs war kein Unternehmer darunter, der nicht auf den langen Lastwagen umsteigen will. Der Auslöser dafür ist zunächst, dass sich die Gesetzeslage ab Januar 2017 ändert: Erstmals sind diese Fahrzeuge dann im sogenannten Regelbetrieb erlaubt.

Die Deutschen und der 25-Meter-Truck

Im Rahmen eines Feldversuchs fahren derzeit 145 Riesen-Lkw auf deutschen Straßen. Sie sind bis zu 25 Meter lang und wiegen 40 Tonnen. Geleitet wird der Versuch vom Bundesministerium für Verkehr.

Quelle: Die Welt

Betroffen sind fünf verschiedene Lkw-Typen, die von knapp 18 Meter Länge bis zu gut 25 Meter reichen. Eine entsprechende Verordnung hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt gerade auf den Weg gebracht. Bislang waren diese Lkw im Rahmen eines vor fünf Jahren begonnenen Feldversuchs nur eingeschränkt und zeitlich befristet zugelassen.

Bis zu 10.000 Gigaliner könnten in Deutschland fahren

Branchenexperten erwarten, dass die Zahl explodieren wird: Heute sind bei der dafür zuständigen Bundesanstalt für Straßenwesen 60 Speditionsfirmen mit jenen 159 Lang-Lkw registriert. Doch das wird der neue Regelbetrieb, bei dem sich Speditionen eine einfache und nicht mehr zeitlich begrenzte Erlaubnis einholen können, wesentlich ändern. Schließlich nennt diese Bundesanstalt in ihrem Zwischenbericht zu dem Test die Prognose von 4000 bis 10.000 der Riesen-Lkw – wenn statt der Sondergenehmigung der normale Betrieb anrollt.

Erlaubt sind die langen Lkw in 13 der 16 Bundesländer und auf einem Straßennetz von rund 11.600 Kilometer Länge. Rheinland-Pfalz hat als Nummer 14 kürzlich die Teilnahme angekündigt. Betroffen sind davon vor allem Autobahnen. Nur auf diesen Strecken dürfen die langen Lastwagen fahren. Allerdings wird das Netz durch neue Anträge ständig überprüft und ausgeweitet. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis der neue Lkw im ganzen Land auf den Fernstraßen unterwegs sein wird.

Allein der Blick in die geographische Mitte Deutschlands zeigt, welches Potenzial die Logistikkonzerne in den langen Fahrzeugen sehen. Rund um Kassel und Fulda sind alle großen Paketdienste des Landes mit riesigen Lagerhallen vertreten. Jede Nacht kommen Hunderte Lastzüge dorthin, liefern Millionen Paketsendungen vor den Hallen ab und nehmen ebensolche Mengen für andere Standorte wieder mit. Ihre Anhänger sind sogenannte Auflieger, zwei davon können sie derzeit transportieren. Auf den Lang-Lkw passen jedoch bei bestimmten Varianten drei dieser Einheiten. Die Unternehmen haben bereits angekündigt, dass sie diesen Vorteil in großem Stil nutzen wollen.

Riesen-Lkw senken Umweltbelastungen und Verbrauch

Die Lkw-Lobby führt als Vorteil der größeren Lkw denn auch ins Feld, dass zwei dieser Fahrzeuge drei herkömmliche Lastwagen ersetzen können. Entsprechend geringer sind die Umweltbelastungen aus den Emissionen der Dieselmotoren sowie der Dieselverbrauch selbst. Das Gewicht der Riesen-Lkw bleibt laut der Verordnung bei den heute üblichen 40 Tonnen festgeschrieben.

Eingesetzt werden sie zwischen Lagerstandorten in Industriegebieten, in den Städten sind sie nicht erlaubt. Die Fahrzeuge werden in den meisten Fälle aus vorhandenen Einheiten in den Fuhrparks zusammengestellt. Möglich wird dies durch eine spezielle Achsverbindung zwischen den verschiedener Lkw-Anhängerformen. Dadurch vermeiden die Unternehmen eine Neuanschaffung. Nur auf diese Weise wird die rasch steigende Zahl dieser Fahrezeuge überhaupt erst möglich.

Quelle: Infografik Die Welt

Allerdings könnte es schwierig werden, die Fahrer dafür zu finden. Ohnehin gibt es in Deutschand einen Fahrermangel: Derzeit gehen jedes Jahr rund 30.000 Berufskraftfahrer in den Ruhestand und längst nicht so viele werden als Nachwuchs ausgebildet. Aber es kommt noch etwas anderes hinzu: „Wir müssen geeignete Lkw-Fahrer ohne Punkte finden“, sagt Unternehmer Matthias Krage.

Die Bedingungen für das Fahren eines Lang-Lkw sind streng. Die Kandidaten müssen über mindestens fünf Jahre Praxis und Berufserfahrung verfügen. Auch ist im Gespräch, dass sie keine oder nur wenige Punkte in der Flensburger Verkehrsdatei angesammelt haben dürfen.

Unternehmer Krage selbst will in seiner Firma Lang-Lkw anschaffen. „Die verlängerten Fahrzeuge werden zum üblichen Straßenbild auf den Autobahnen werden“, sagt Krage, der zugleich Präsident des größten Branchenverbandes DSLV ist.

Mehr Schäden an Brücken und Straßen erwartet

Die Gegner des langen Lkw befürchten die Verlagerung des Transports von der Schiene auf die Straße. Sie erwarten Schäden an Brücken und Straßen und rechnen mit mehr Unfällen. Aber auch der Blick über die Grenzen sorgt unter den Kritikern für Unmut. In den Nachbarländern sind nämlich Riesen-Lkw mit mehr als 60 Tonnen erlaubt.

„Wenn Dobrindt jetzt die Grenzen öffnet, werden 60-Tonner aus den Niederlanden und Dänemark und 64-Tonner aus Schweden bald auch bei uns Einzug halten“, sagt Dirk Flege, der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. Bislang gibt es keinen Grenzverkehr mit den langen Lkw, es fehlt an einer Vereinbarung dazu in der Europäischen Union.

Der Ärger über das Verkehrsministerum geht weit. „Statt zum Testende das Pro und Kontra seriös zu diskutieren, arbeitet das Ministerium bereits am grenzüberschreitenden Regelbetrieb durch die Hintertür“, sagt Lobbyist Flege. Seine Organisation macht sich für den Transport auf der Schiene stark. Aus dieser Sicht sind Lang-Lkw gefährlich, teuer und umweltschädlich.

https://www.welt.de/wirtschaft/article159700573/Bis-zu-10-000-Monstertrucks-auf-deutschen-Autobahnen.html