In seiner außenpolitischen Grundsatzrede bestätigt Präsidentschaftsanwärter Trump den Eindruck der Experten, es mit einem unsteten Charakter zu tun zu haben. Er häufte Widersprüche auf Widersprüche.
Die gute Nachricht in Donald Trumps außenpolitischer Grundsatzrede: Er würde die Nato, die er im Wahlkampf schon als „überflüssig” bezeichnet hat, als Präsident nicht sofort abschaffen, sondern erst mal sehen wollen, ob die Alliierten finanziell mehr für die gemeinsame Verteidigung tun. Und er hat versucht, im Washingtoner „Mayflower Hotel” wenigstens vom Ton her moderat und nachdenklich zu wirken und irgendwie präsidentenhafter.
Die schlechte Nachricht: Obwohl Trump eine vorbereitete Rede vom Teleprompter ablas, waren seine Ausführungen so inkonsistent und sprunghaft wie seine improvisierten Wahlkampfauftritte.
Da wechselten sich große Linien ab mit nickeligen Details. Und er häufte Widersprüche auf Widersprüche. Was deshalb besonders putzig war, weil einer seiner öfter wiederholten Kritikpunkte war, dass Amerikas Außenpolitik nach dem Ende des Kalten Krieges inkonsistent und ziellos geworden sei. Er sagte zwar, er wolle das abstellen, lieferte aber tatsächlich sich ständig widerstreitende Aussagen ab.
Trump sagte, man müsse den „Rost von der amerikanischen Außenpolitik schütteln” und zurückkehren zu einem „heiligen Prinzip, wonach Amerikas Interessen an erster Stelle stehen, das wird ein überwölbendes Thema meiner Präsidentschaft sein”. Trump attackierte sowohl die Bush-Regierung als auch die von Obama für ihre Außenpolitik besonders im Nahen Osten und führte Irak, Ägypten, Libyen und Syrien als Beispiele an.
Die Probleme hätten mit „der gefährlichen Idee begonnen, dass man diese Länder in westliche Demokratien verwandeln könnte”, sagte Trump. Viele Billionen von Dollar seien so verschwendet worden, und insgesamt hätte nur der Iran davon profitiert. „Unsere Außenpolitik ist ein komplettes Desaster”, sagte Trump.
Auch Amerikas Alliierte bekamen ihr Fett weg
Er wiederholte dann viele Themen seiner Wahlkampfreden. Amerika habe seine Ressourcen überdehnt und sein Militär geschwächt, weil es seine Wirtschaft geschwächt habe. Eine Rückkehr zu einem starken Amerika führe nur über eine wirtschaftliche Gesundung und einen Abbau des US-Handelsdefizites durch bessere Handelsverträge.
Dann bekamen Amerikas Alliierte ihr Fett weg, die keinen fairen Beitrag zahlen würden für den amerikanischen Sicherheitsschirm. Sie würden Amerika als schwach und nachgiebig sehen. Um das zu ändern, müsse Amerika auch bereit sein, sich aus den gemeinsamen Verteidigungsverpflichtungen zurückzuziehen – als Druckmittel in Verhandlungen.
„Wenn sie ihren fairen Anteil nicht zahlen, dann müssen die USA bereit sein, es diesen Ländern zu überlassen, sich selbst zu verteidigen”, sagte Trump. Das stand jedoch in starkem Widerspruch zum nächsten Punkt seiner Ausführungen, als Trump beklagte, dass Amerika von seinen Alliierten nicht mehr als vertrauenswürdiger Partner gesehen werde. Später sprach er etwa davon, die Nato „aufwerten” zu wollen und sie auch für den Kampf gegen den islamischen Terrorismus und Einwanderungsströme einsetzen zu wollen. Was denn nun?
Trump versuchte sich als Anhänger der realpolitischen Schule darzustellen, der vor Interventionen im Ausland zurückschreckt und Amerikas Interessen sehr eng definiert. „Krieg und Aggression werden nicht meine ersten Instinkte sein. Eine große Macht muss Diplomatie benutzen und Zurückhaltung pflegen.” Wenn er jedoch Soldaten in den Kampf schicke, dann nur, um auch zu siegen. Er sei auch bereit, Amerikas wirtschaftliche und finanzielle Macht einzusetzen, aber nur in gut gewählten Fällen.
Er werde sich bemühen, trotz erheblicher Differenzen freundschaftliche Beziehungen zu Russland und China aufzubauen. Es sei falsch, einander als Feinde zu sehen, das müsse aufhören, meinte Trump. Das ginge aber nur aus einer Position amerikanischer Stärke. Er wolle austesten, ob die Russen vernünftig seien oder nicht. Wenn er einen Deal mit Russland schließe, dann aber nur einen „großartigen”.
Wenn das nicht möglich sei, dann müsse man den Verhandlungstisch eben verlassen. Er wolle der Welt klarmachen, dass Amerika nicht raus in die Welt gehe, um nach Feinden zu suchen. Vielmehr sei Amerika froh, wenn Feinde zu Freunden würden, sagte Trump. Das werden viele Nationen der Welt mit Überraschung gehört haben, etwa die Chinesen oder die Mexikaner oder auch die viel gescholtenen Verbündeten in Asien und Europa. Bisher hatte man jedenfalls von Trumps Wahlkampf den Eindruck, er folge dem Motto „Viel Feind, viel Ehr”.
Wie Donald Trump den Terror besiegen will
Großen Raum gab Trump dem Kampf gegen den islamischen Terrorismus. Da forderte er einerseits eine enge Zusammenarbeit mit den muslimischen Verbündeten in der Region – wiederholte andererseits aber seine Forderung, keine Leute mehr ins Land zu lassen, von denen man nicht wisse, wie gefährlich sie seien. Eine Erinnerung an seine Forderung nach einem Einreisestopp für Muslime.
Er beschwerte sich darüber, dass die gegenwärtige Regierung gar nichts gegen den IS unternehme. „Wir bomben nicht, wir machen gar nichts dagegen”, sagte Trump. Eine seltsame Aussage angesichts der Tatsache, dass das Pentagon am Dienstagabend aktualisierte Statistiken auf seine Webseite gestellt hatte, die von 11.876 bisher durchgeführten Bombenangriffen in Syrien und im Irak zeugten. Trumps Aussage sei „natürlich falsch”, twitterte etwa der angesehene Außenpolitikexperte und Ex-Diplomat Nicholas Burns. „Er bewegt sich in einer faktenfreien Zone.”
In Widersprüche verfing sich Trump auch bei der Frage der Verbreitung von Demokratie und Menschenrechten. Einerseits geißelte er die Neocons und linke Internationalisten, die in der Vergangenheit auf Demokratieexport gesetzt hatten. „Wir müssen raus aus dem Nation-Building-Geschäft und unseren Fokus in Zukunft auf Stabilisierung verlegen”, sagte Trump.
Andererseits verurteilte er die Obama-Regierung dafür, dem Abschlachten in Syrien einfach nur zugeschaut zu haben. „Wir haben zugelassen, dass die Christen intensiv verfolgt wurden und einem Völkermord ausgesetzt waren”, sagte er. Dann sprach er davon, westliche Institutionen und die westliche Zivilisation stärken zu wollen. Schlummert in diesem isolationistisch gestimmten Realpolitiker also doch ein heimlicher Missionar westlicher Werte?
Da hilft auch kein Teleprompter
Trumps Rede, die gelegentlich mit müdem Applaus bedacht wurde, hat die meisten der anwesenden und zugeschalteten Außenpolitikexperten in ihrem Eindruck bestätigt, dass sie es hier mit einem unsteten Charakter und außenpolitischen Leichtgewicht zu tun haben, wovon auch die vielen Twitter-Kommentare von Mitgliedern der außenpolitischen Gemeinde zeugten (mit einigen Ausnahmen: Der republikanische Senator Bob Corker, immerhin Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses, bezeichnete es als eine „sehr gute Außenpolitikrede”).
Eine Abneigung, die auf Gegenseitigkeit beruht. Trump forderte nämlich vor den versammelten Außenpolitikexperten, man müsse endlich nach neuen Leuten suchen mit neuen Ideen. Das gleicht dem Fuchs, der über die angeblich bitteren Trauben räsoniert.
Denn tatsächlich hat Trump größte Schwierigkeiten, auch nur einigermaßen fähige und bekannte Experten der Außen- und Sicherheitspolitik für sein Team zu gewinnen. Namhafte Außenpolitiker seiner Partei haben vor einigen Monaten sogar ein Manifest unterzeichnet, in dem sie seine Außenpolitik geißeln und ihn als „komplett unpassend für das Amt” bezeichnen.
Trump hat nun versucht, manche Sorgen mit seiner Rede zu zerstreuen, etwa auch die der amerikanischen Verbündeten. Aber angesichts der vielen Widersprüche in seinen Positionen bleibt der Eindruck, dass es ein erhebliches Risiko wäre, diesem Mann die Außen- und Sicherheitspolitik der mächtigsten Nation der Welt anzuvertrauen. Da hilft auch kein Teleprompter.
http://www.welt.de/politik/ausland/article154826844/Als-US-Praesident-waere-Trump-ein-Sicherheitsrisiko.html