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„Aleppo darf nicht zu einer Bühne für Massenmord werden”

In Aleppo tobt die entscheidende Schlacht um den Syrien-Krieg. 300.000 Menschen sind eingeschlossen – und werden zu Opfern von Lügen und Propaganda. Die Täter: Assad – und wohl auch Russland.

Dicker schwarzer Rauch zieht über Aleppo und legt sich in seiner ganzen Klebrigkeit über die Ruinen der zerbombten Stadt. In den Straßen brennen Autoreifen. Die Einwohner haben sie selber angezündet, der Gestank des verbrannten Gummis muss bestialisch sein. Der giftige Rauch soll Flugzeugen und Helikoptern die Sicht auf die Stadt nehmen und die Bewohner so vor den ständigen Angriffen der syrischen und russischen Luftwaffe schützen. Eine selbst gemachte Flugverbotszone, die letzte Hoffnung von rund 300.000 Menschen, die derzeit in Aleppo eingeschlossen sind.

Vor gut zwei Wochen hatte die syrische Armee zusammen mit ihren russischen Verbündeten die von Rebellen kontrollierten Stadtteile Aleppos umzingelt und so von der Versorgung abgeschnitten.

Aleppo, einst die zweitgrößte Stadt in Syrien, ist so zum Schlüsselpunkt des Krieges geworden. Würde es dem Regime von Baschar al-Assad gelingen, die Stadt komplett unter seine Kontrolle zu bringen, wäre das sein größter Sieg und womöglich die entscheidende Wende. Alle Parteien wissen das, weswegen sie unerbittlich kämpfen: Assads Truppen werfen Bomben, die Rebellen schlagen zurück, und die in der Stadt verbliebenen Zivilisten stehen vor einer humanitären Katastrophe, wie es sie im syrischen Krieg noch nicht gegeben hat.

Aleppo ist komplett abgeriegelt

„Wir denken immer, es kann doch nicht schlimmer kommen”, sagt Ibrahim, der in Aleppo eingeschlossen ist. „Und dann bombardiert das Regime doch wieder ein Krankenhaus.” Ibrahim gehört zu den White Helmets, einem Zusammenschluss von Zivilisten, die in ganz Syrien Verletzte und Tote aus den Ruinen bergen. „Der Montag war ein guter Tag”, sagt der 27-Jährige. „Da waren es nur vier Opfer, die wir ausbuddeln mussten.”

Den Menschen in Aleppo fehlt es an allem: Essen, Benzin, medizinischer Versorgung. Es ist nicht das erste Mal, dass das Regime eine Stadt komplett abgeriegelt hat. Homs war zwei Jahre lang belagert – aber dort harrten nur schätzungsweise 30.000 Menschen aus. In Aleppo sind es zehn Mal so viel. „In drei Tagen ist unser Brot alle”, berichtet Ibrahim, „wir wissen nicht, wie es ab dann weitergeht.”

Es ist nicht nur militärisch die größte Schlacht zwischen den Rebellen und dem Regime. Es ist auch ein Propagandakrieg, der um Aleppo tobt. Allen voran die Russen, die versuchen, sich nicht als Verbündete von Assad zu präsentieren, sondern als Helfer der Zivilbevölkerung. Was für viele als eine Vorbereitung des Sturms auf Aleppo aussieht, nennt Russland eine „humanitäre Operation”. Und die beinhaltet angeblich auch Rettungsmöglichkeiten für die Zivilisten.

Zwei Rebellenmilizen mit unterschiedlicher Ideologie

Die syrische Regierung und die russische Armee erklärten bereits vor Tagen, sie hätten für die Einwohner der östlichen Stadtteile Hilfskorridore eingerichtet, über die sie die umkämpfte Stadt verlassen können. Nur war dieses Angebot weder mit den Vereinten Nationen noch mit den Mitgliedern der von den USA angeführten Anti-Terror-Koalition oder mit den Rebellen abgestimmt. Die Einwohner der Stadt haben daher die begründete Angst, dass dies eine Falle ist, ein Vorwand, alle, die in der Stadt noch bleiben, nach einer Weile zu Terroristen zu erklären und Aleppo flächendeckend zu bombardieren.

Es sind mehrere sehr unterschiedliche Rebellenmilizen, die Assads Truppen in den östlichen Vierteln und Vororten der Stadt ins Visier nehmen. Die eine Gruppe sind Islamisten wie die Gruppe Dschabat Fatah al-Scham, die sich noch bis vor kurzem Nusra-Front nannte und mit al-Qaida verbündet ist. Seit der Umbenennung hat sich an der ideologischen Ausrichtung nichts geändert.

Die zweite Gruppe besteht aus ideologisch gemäßigten Rebellen, einige von ihnen werden von den USA unterstützt. Die syrische Regierung und Moskau machen jedoch keinen Unterschied. Wenn der russische General Sergej Rudskoj über die Gegner von Assad spricht, die bei Aleppo kämpfen, nennt er sie „Terroreinheiten von IS, al-Nusra und die sogenannte gemäßigte Opposition, die sich ihnen angeschlossen hat”. Am Montag informierte er im Verteidigungsministerium in Moskau Journalisten knapp über die Lage um Aleppo, Nachfragen waren nicht eingeplant.

Einwohner vermuten in Hilfskorridoren reine Propaganda

Er zeigte eine Karte mit sieben „humanitären Korridoren”, die die syrische Regierung mit Russland eingerichtet haben will. Im Norden gebe es einen Korridor für Rebellen, die ihre Waffen niederlegen wollen. Hinter Rudskojs Rücken wurde eine Videosequenz eingeblendet: Hubschrauber der syrischen Regierung werfen Flugblätter über Aleppo ab, darauf ist die Karte der Stadt mit gekennzeichneten Korridoren zu sehen. Angeblich würden täglich rund 100.000 solche Blätter über den östlichen Stadtvierteln verbreitet. Außerdem werde die Bevölkerung per SMS und über Lautsprecher über die Gefahrenlage informiert. Medikamente und Lebensmittel würden aus der Luft auf die Stadt abgeworfen.

Doch sogar nach russischen Angaben haben bis jetzt nur sehr wenige Menschen die belagerten Stadtteile verlassen. Rudskoj sprach von 324 Zivilisten, die seit dem vergangenen Donnerstag die Hilfskorridore genutzt hätten – ein Bruchteil der rund 300.000 Menschen. Außerdem hätten 82 Rebellen ihre Waffen niedergelegt und seien dabei, von der Regierung amnestiert zu werden. Auch das syrische Staatsfernsehen hat am Wochenende Dutzende Zivilisten und Rebellen gezeigt, die Aleppo verlassen haben.

„Eine glatte Lüge”, sagt Ibrahim, der Einwohner aus Aleppo. „Die Korridore gibt es nicht. Ich kenne niemanden, der so etwas bestätigen kann. Das ist reine Propaganda des Regimes.” Die Videos von Rebellen, die sich angeblich ergeben, seien Fälschungen und dienten der psychologischen Kriegsführung. Tatsächlich, erklärt Ibrahim, würden Scharfschützen im Auftrag des Regimes Menschen an der Flucht aus der Stadt hindern.

Nicht nur Einwohner und Aktivisten bezweifeln die russischen Angaben zu den Hilfskorridoren. Insgesamt 35 namenhafte Nichtregierungsorganisationen haben sich in einem gemeinsamen Aufruf an die Öffentlichkeit gewandt, in dem sie die Art der Einrichtung sowie die Organisation der Rettungswege stark kritisieren. „Eine echte Hilfsaktion würde die Menschen nicht vor die Wahl stellen, sich entweder ihren Angreifern auszuliefern oder weiter in eingeschlossenen Stadtteilen unter Bombardierung zu leben.” Die Organisationen fordern, dass die Vereinten Nationen den Schutz der Zivilisten übertragen bekommen. „Aleppo darf nicht zu einer Bühne für Massenmord werden.”

http://www.welt.de/politik/ausland/article157459225/Aleppo-darf-nicht-zu-einer-Buehne-fuer-Massenmord-werden.html

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