Die EU-Kommission beginnt eine umfassende Prüfung umstrittener Reformen in Polen. Sie nutzt dazu erstmals ein 2014 geschaffenes Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union.

EU-Kommission leitet Verfahren gegen Polen ein

Polens Ministerpräsidentin Szydlo und Parteichef Kaczynski: Die EU-Kommission startet eine Prüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen. (Bild: Jacek Turczyk / EPA)

(Agenturen)

Die EU-Kommission eröffnet ein Verfahren gegen die rechtskonservative Regierung Polens wegen möglicher Verstösse gegen die Rechtsstaatlichkeit. Der Beginn der Überprüfung diene dazu, die Fakten zu klären, sagte der erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, am Mittwoch. Der Fokus des Verfahrens liege auf der Reform des Verfassungsgerichts. Man wolle mit der Regierung in Warschau kooperieren. «Unser Ziel ist es, die Probleme zu lösen und nicht, jemanden zu beschuldigen oder polemisch zu sein.» Die EU-Kommission habe eine vertragliche Verpflichtung, die Rechtsstaatlichkeit zu überprüfen, sagte Timmermans.

Seit Wochen steht die Regierung der rechtsnationalen PiS wegen der Reformen des Verfassungsgerichts und der öffentlich-rechtlichen Medien in der Kritik. Die EU-Kommission hat seit 2014 die Möglichkeit, die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in einem EU-Land genauer unter die Lupe zu nehmen. Sollten in dem mehrstufigen Verfahren Verstöße festgestellt werden und sich das EU-Land weigern, die Regeln zu befolgen, droht am Ende der Entzug der Stimmrechte im EU-Rat.

«Keine Aussenpolitik auf den Knien führen»

Auch angesichts eines EU-Verfahrens zeigt sich die nationalkonservative polnische Regierungschefin Beata Szydlo kämpferisch. «Wir werden keine Politik auf Knien führen», sagte sie am Mittwoch im polnischen Parlament in einer Debatte zur Aussenpolitik und den Beziehungen zur EU. «Wir werden die Partnerschaft in der EU nicht als Privileg bezeichnen, sondern als unser Recht.» Polen werde von ausländischen Medien und Politikern zu Unrecht angeklagt. Es sei eine falsche Behauptung, «dass in Polen die Grundlagen eines demokratischen Polens gebrochen werden», betonte Szydlo noch vor der Ankündigung der EU-Kommission, ein Verfahren gegen Polen einzuleiten.

Polens rechtskonservative Regierungspartei PiS hatte mit ihrer Parlamentsmehrheit beschlossen, dass das Verfassungsgericht seine Urteile künftig nur noch mit Zweidrittelmehrheit fällen darf. Das bedeutet, dass das Gericht in vielen Fällen praktisch zu keiner Entscheidung kommt und damit als Kontrollinstanz der Regierung weitgehend ausfällt. Ausserdem wurde die Zahl der Richter erhöht, die an einer Entscheidung mitwirken müssen.

Sollte es zu einem förmlichen Rechtsstaatsverfahren kommen, könnte Polen am Ende Stimmrechte in der EU verlieren.

Folgt mehr.

Forrás: http://www.nzz.ch