US-Vizepräsident Biden beschwichtigt: Er lobt den Einsatz der irakischen Armee gegen den IS. Verteidigungsminister Carter hatte ihr „fehlenden Kampfeswillen” vorgeworfen.

Ein irakischer Soldat patrouilliert in der Gegend von Jurf Sakhar, 50 Kilometer südlich von Bagdad.

Ein irakischer Soldat patrouilliert in der Gegend von Jurf Sakhar, 50 Kilometer südlich von Bagdad.   |  © Haidar Hamdani/Getty Images

US-Vizepräsident Joe Biden hat sich bemüht, die Spannungen zwischen dem US-Außenminister Ash Carter und der irakischen Armee aufzulösen. Er habe persönlich den irakischen Regierungschef Haidar al-Abadi angerufen, teilte das Weiße Haus mit. In dem Gespräch habe er al-Abadi versichert, dass die USA die „enormen Opfer und den Mut der irakischen Truppen” anerkennen. 

Carter hatte die Iraker ungewöhnlich scharf kritisiert und ihnen „mangelnden Kampfeswillen” vorgeworfen. Während des Kampfes um die Stadt Ramadi seien die Iraker der Terrormiliz zahlenmäßig weit überlegen gewesen, dennoch hätten sie sich zurückgezogen, sagte er in einem Interview mit dem Fernsehsender CNN.

Die Sicherheitskräfte in Syrien und im Irak sind in die Kritik geraten, nachdem der IS binnen weniger Tage die beiden
strategisch wichtigen Städte Ramadi und Palmyra erobern konnte und jetzt auch einen wichtigen Posten der syrisch-irakischen Grenze kontrolliert. 

 „Wir können sie ausbilden, wir können ihnen Ausrüstung geben, aber wir können ihnen keinen Willen zum Kampf geben”, sagte Carter. Dennoch wollten die USA weiter versuchen, die irakischen Truppen zu trainieren und auszurüsten. Als Reaktion auf die jüngsten Vormärsche des IS hatten die USA zuvor beschlossen 2.000 leichte Waffen an die irakische Armee zu liefern.

Der iranische General Ghassem Sulejmani, Kommandeur des Al-Kuds-Korps der Iranischen Revolutionsgarden, wies die Kritik zurück und machte die USA für die jüngste Niederlage gegen den IS verantwortlich. „Amerikanische Truppen sitzen unter dem Vorwand, der irakischen Nation zu helfen, nur ein paar Kilometer von Ramadi entfernt und tun verdammt nichts”, zitierte die iranische Nachrichtenagentur Mehr den iranischen General. „Die Amerikaner haben keinen Willen, gegen den IS zu kämpfen.”

Kommentatoren in Washington bezeichnen die Äußerungen Carters als die bisher härteste öffentliche Kritik an den irakischen Truppen. Zwar kritisieren amerikanische Regierungsvertreter immer wieder den Zustand der irakischen Armee, doch meist hinter vorgehaltener Hand. 

Irak und Syrien beginnen Gegenoffensive

Al-Abadi entgegnete, dass Carter wohl „mit falschen Informationen gefüttert worden sei”. Er kündigte die Rückeroberung von Ramadi innerhalb von Tagen an, berichtete der Sender BBC

Die syrische und die irakische Armee setzten inzwischen zu Gegenschlägen an. Die syrische Luftwaffe flog am Montag mindestens 15 Angriffe in der Region Palmyra. Das berichtet die oppositionsnahe Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Im Irak rückten Soldaten und schiitische Milizionäre weiter auf das vor gut einer Woche vom IS eingenommene Ramadi vor.

Aus Polizeikreisen wurde berichtet, die irakische Armee habe ein Gebiet südlich der Provinzhauptstadt zurückerobert. Der IS schickte angeblich weitere Kämpfer zur Verstärkung nach Ramadi, sagten Augenzeugen.

In einer Videobotschaft äußerte sich der Chef der libanesischen Hisbollah-Miliz, Hassan Nasrallah, zu den Luftangriffen der von den Vereinigten Staaten geführten Militärkoalition. Er kritisierte deren Gegenangriffe als nahezu wirkungslos. Die IS-Kämpfer bewegten sich trotz der Bombardements weiter frei im Land.

Besonders brisant scheint weiterhin die Lage in Palmyra zu sein. Das syrische Staatsfernsehen berichtete am Wochenende, der IS habe seit der Einnahme der Stadt am vergangenen Mittwoch mehr als 400 Menschen getötet – die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Die Angaben ließen sich nicht überprüfen. Sie deckten sich jedoch weitgehend mit Berichten syrischer Oppositioneller.  

Der IS hatte in den vergangenen Wochen die Städte Ramadi und Palmyra eingenommen. Zuletzt eroberte die Terrormiliz einen strategisch wichtigen syrisch-irakischen Grenzübergang und kontrolliert nun weite Teile der Route zwischen Bagdad und Damaskus. Die irakischen Sicherheitskräfte zogen sich von dem Posten Al-Walid komplett zurück, wie das irakische Militär in Bagdad erklärte.

Die vollständige Kontrolle über die irakisch-syrische Grenze an dieser Stelle ist von enormer strategischer Bedeutung. In Friedenszeiten war Al-Walid/Al-Tanf der Grenzübergang für Reisende auf der direkten Strecke zwischen Bagdad und Damaskus. Nun kann der IS über diese Strecke beliebig Soldaten und Waffen zwischen der westirakischen Provinz Anbar und der syrischen Provinz Homs verschieben.

Forrás: http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-05/irak-usa-verteidigungsminister-islamischer-staat