Noch sind Elektroautos hierzulande Ladenhüter – staatliche Kaufprämie hin oder her. Doch schon bald könnte die Nachfrage nach alternativen Antrieben anziehen. Denn Öl wird nach der jüngsten Prognose der Internationalen Energieagentur in wenigen Jahren relativ knapp werden – und das dürfte dann auch die Preise von Benzin und Diesel wieder stark nach oben treiben.

Das geht aus der Fünfjahresprognose zum globalen Ölmarkt hervor, die Fatih Birol, Chef der Internationalen Energie Agentur (IEA), in Houston/Texas vorlegte. „Die Marktbedingungen“, sagte Birol, „erscheinen heute deutlich anders als noch vor einem Jahr.“ Damit bezog sich Birol auf die Folgen des jüngsten Strategiewechsels der OPEC. Das Kartell der Ölförderländer hatte jahrelang auf maximale Produktion gesetzt, um den Marktanteil der US-amerikanischen Schieferölproduzenten kleinzuhalten. Folge: Die weltweiten Rohölnotierungen verfielen auf Werte von unter 30 Dollar pro Barrel (Fass mit 159 Litern).

Doch mit Billigöl ist Schluss, seit sich die OPEC im vergangenen Jahr gemeinsam mit 13 weiteren, nicht im Kartell organisierten Förderländern auf eine Produktionsbeschränkung verständigt hatte: Die Angebotsverknappung bewirkte, dass die Ölnotierungen bereits wieder deutlich angezogen sind und derzeit bei rund 55 Dollar pro Barrel liegen. Das liegt zwar immer noch weit unter den Höchstständen von rund 125 Dollar pro Barrel in den Jahren 2011 und 2012.

Zu wenig Geld für neue Förderprojekte

Doch der Preisanstieg dürfte bald weitergehen, warnt die IEA jetzt. Denn die zurückliegende Phase billigen Öls hat Konsequenzen, die erst in drei oder vier Jahren mit voller Wucht spürbar sein werden. Denn kaum ein Förderland hatte zuletzt noch das Geld, um in neue Förderprojekte zu investieren. Somit wird unsicher, aus welchen Quellen ab 2020 noch die stetig steigende Ölnachfrage bedient werden soll.

Oelpreis, Preisentwicklung
Oelpreis, Preisentwicklung

Quelle: Infografik Die Welt

Laut der IEA-Marktanalyse (Oil 2017) waren die jährlichen Einnahmen der OPEC-Länder wegen des Ölpreisverfalls zwischen 2012 und 2016 von 1,2 Billionen US-Dollar auf nur noch 450 Milliarden US-Dollar eingebrochen. Einige Länder wie Venezuela rutschten dadurch in eine gravierende Finanznot. Gespart wurde danach bei der Erschließung neuer Ölfelder: Die Investitionen gingen 2015 und 2016 um jeweils etwa 25 Prozent zurück.

Schon in wenigen Jahren könnte es deshalb an Nachschub fehlen, glaubt die IEA: „In den kommenden drei Jahren wird das Ölangebot noch komfortabel sein, doch danach deutlich zurückfallen“, heißt es in der Fünfjahresprognose: „Der Trend spricht für einen knappen Ölmarkt 2022, wenn die freien Förderkapazitäten auf den tiefsten Stand der vergangenen 14 Jahre fallen werden.“ Dass die Ölnachfrage weltweit weiter steigt, ist für die Internationale Agentur ausgemachte Sache.

Schon 2019 dürfte die „magische Schwelle“ von 100 Millionen Barrel pro Tag nach oben hin durchbrochen werden. 2022 wird die Menschheit der Prognose zufolge 104 Millionen Barrel Erdöl pro Tag verbrauchen. Die neue Nachfrage entsteht nach IEA-Einschätzung hauptsächlich in Asien, vor allem in China und Indien. „Obwohl Elektroautos ein wichtiger Faktor für die Ölnachfrage sind, werden sie nach Einschätzung der IEA bis 2022 nur einen begrenzten Teil der fossilen Kraftstoffe ersetzt haben.“

Sinkende Nachfrage in entwickelten Industrieländern

„Das globale Ölangebot wird es nach 2020 sehr schwer haben, mit der Nachfrage Schritt zu halten, wenn nicht neue Förderprojekte sofort genehmigt werden“, lautet das Fazit von IEA-Chef Birol. Zwar werden die USA sowie einige OPEC-Mitglieder wie Iran, Irak und die Arabischen Emirate die Ölproduktion steigern. Doch werde dies nicht genügen, die Preise auf dem heutigen Niveau zu halten. Denn Russland dürfte seine Produktion bestenfalls stabil halten, andere Förderländer wie Nigeria, Algerien und Venezuela werden voraussichtlich eher weniger produzieren.

Die entwickelten Industrieländer der OECD konnten nach Einschätzung der IEA ihr Wirtschaftswachstum weitgehend von der Ölnachfrage abkoppeln. Die Ölnachfrage werde hier weiterhin jährlich um rund 0,2 Millionen Barrel pro Tag fallen. In Nicht-OECD-Ländern werde die Nachfrage jedoch um 1,4 Millionen Barrel pro Tag wachsen. Unter diesen Ländern wird Indien voraussichtlich eine stärkere Ölnachfrage aufweisen als selbst China.

Die Abkehr Pekings von der energieintensiven Grundstoffindustrie und die Hinwendung zu Veredelungsprodukten und Dienstleistungen zeigt hier Wirkung. Während die Ölnachfrage Chinas zwischen 2011 und 2016 noch um 4,8 Prozent jährlich gewachsen ist, wird sich das Nachfragewachstum wohl auf 2,4 Prozent pro Jahr abschwächen.

https://www.welt.de/wirtschaft/article162629248/Ab-2020-droht-der-Oel-Nachschub-zu-versiegen.html