Zwei türkische Journalisten haben Mohammed-Karikaturen gedruckt. Dafür müssen sie vielleicht ins Gefängnis. Konservative Redakteure fänden das angemessen. von Çiğdem Akyol, Istanbul

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Ein Mann protestiert im Januar 2015 gegen die liberale türkische Zeitung „Cumhuriyet”, nachdem sie den Propheten Mohammed abgebildet hat.  |  © reuters

Als alles vorbei war, saßen die Journalisten in ihren Büros und wagten sich nicht mehr nach draußen. Innerhalb weniger Stunden waren Tausende Hassmails eingegangen, draußen tobte ein wütender Mob und die Polizei musste die Straßen drumherum tagelang absperren. „Es ging um die Verteidigung der Demokratie. Es ging um Selbstzensur, und es war natürlich auch die letzte Ehre, die wir den Ermordeten gegenüber erweisen konnten”, sagt die Journalistin Şükran Soner: „Deswegen haben wir die Provokation gewagt und unsere eigenen Leben riskiert.”

Um sich mit den ermordeten Redakteuren des französischen Satire-Magazins Charlie Hebdo zu solidarisieren, hatte die Tageszeitung Cumhuriyet, für die Soner arbeitet, in einer ersten Reaktion selbst Bilder von Propheten gedruckt, nicht jedoch Mohammed. Die Redaktion sei sich einig gewesen, dass Je-suis-Charlie-Buttons nicht ausreichen würden, um sich mit ihren ermordeten Kollegen zu solidarisieren. Später ist sie noch einen Schritt weiter gegangen und hat eigene Mohammed-Karikaturen veröffentlicht. Seitdem kommt die Zeitung nicht mehr zur Ruhe. 

Die 69-jährige empfängt in ihrem kleinen, chaotischen Büro. An ihren Wänden hängen Poster von Guevara, und dem 2007 von Nationalisten ermordeten armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink. Ihr Tisch ist vollgestellt mit Auszeichnungen für ihre Arbeit, Soner ist landesweit bekannt für ihre bissig-besonnenen Kommentare gegen die Mächtigen.

Seit 1966 arbeitet sie bei dem Blatt im Istanbuler Stadtteil Şişli, einem mit Shoppingmalls zubetonierten Viertel auf der europäischen Seite. Die linksnationale Tageszeitung ist Verfechter des Laizismus. Cumhuriyet ist eines der wenigen unabhängigen Medien in der Türkei, das regierungskritisch berichtet. Die Auflage liegt bei 50.000 Stück. Jetzt, kurz vor den Parlamtenswahlen, hängt vor dem Redaktionsgebäude ein riesiges Wahlwerbeplakat der kemalistischen Oppositionspartei CHP.

Die Regierung hatte davor gewarnt, die Bilder zu drucken. Polizisten hatten sich die Ausgabe vor der Verteilung angeschaut, aber die Journalisten behalfen sich mit einem Trick: Sie spekulierten darauf, dass sie die Kontrolleure irreführen könnten, indem die Autoren Ceyda Karan und Hikmet Çetinkaya zwei kleine Mohammed-Karikaturen in ihren Kolumnen zwischen ganz viel Text versteckten. Und tatsächlich übersahen die Beamten diese Bilder, die Sonderausgabe von 100.000 Exemplaren war nach wenigen Stunden ausverkauft. Nun drohen Karan und Çetinkaya bis zu viereinhalb Jahre Haft.

Die Staatsanwaltschaft in Istanbul wirft ihnen vor, den öffentlichen Frieden gestört und die religiösen Werte der Menschen in der Türkei beleidigt zu haben. Die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen verletze die „heiligen Werte der Muslime”, kritisierte Vizeregierungschef Yalçın Akdoğan. „Unsere Leser sind intelligent genug, um zwischen Anstiftung zum Religionshass, Solidarität und Satire unterscheiden zu können”, sagt Soner.

Forrás: http://www.zeit.de/kultur/2015-05/satire-mohammed-charlie-hebdo