Gerhard Schröder und Helmut Kohl. Angela Merkel wollte nie so enden als Kanzlerin wie ihre Vorgänger. Der eine hatte sich um das Land verdient gemacht, den übergriffigen Sozialstaat symbolisch eingehegt und wurde abgewählt; der andere hatte den richtigen Zeitpunkt verpasst, an einen Kronprinzen zu übergeben. An diesem Wochenende, so sind sich Experten einig, wird sich die Kanzlerin erklären, ob sie im September wieder antritt. Es spricht einiges dafür, dass sie es erneut tut.
Hinter der Persona der Abwägenden und Stimmungswellen respektierenden Staatsfrau lauert eine Unbekannte. Eine Frau, die sich eine radikale Autonomie stets für alle Notfälle aufbewahrt. Noch 2013 fuhr Angela Merkel mit 41,5 Prozent ein spektakuläres Ergebnis ein. Dem Land ging es gut, die Murrenden in der Partei waren durch den Erfolg zum Schweigen gebracht.
Keiner ahnte zu diesem Zeitpunkt, welche politische und gesellschaftliche Sprengkraft die Flüchtlingskrise haben würde. Drei Jahre später hat die Union zehn Prozent weniger, verlor Landtagswahlen krachend, und aus einer Kanzlerin kurz vor der Heiligsprechung ist ein Sündenbock geworden.
Tiefe Gräben in Land und Partei
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Tritt die nüchterne Kanzlerin noch einmal an, tut sie das aus Überzeugung, um zu vollenden, was sie waghalsig bis halsbrecherisch mit der Flüchtlingspolitik begann. Sie tut es aber auch, um nicht als vor einer Wahlniederlage kneifender Lotse von Bord zu gehen.
Die Gräben in der Gesellschaft sind tief, die in ihrer Partei, der CDU, sind es nicht weniger, aber am dramatischsten ist der Bruch zwischen CDU und CSU. Da mag man dem exzentrisch agierenden Provinzfürsten die Schuld geben, aber es ist auch ein Zeichen der Schwäche Merkels, ihn nicht souverän zu umgarnen.
Der Zwist der Unionsparteien hat zur Blamage bei der Bundespräsidentenkürgeführt und zur schlechten Reputation der Bundesregierung in der Bevölkerung. Die Führung wirkt fahrig, unrund, wenig in Schwingung mit den europäischen Nachbarn und dem eigenen Wahlvolk.
Tritt Merkel noch einmal an, müsste dies wohl verbunden werden mit einem Aufbruch. Die Kanzlerin hat das Land in schweren Zeiten an Klippen vorbei in eine viel beneidete ökonomische Stabilität manövriert.
Ihr ist viel gelungen, aber die vergangenen zwölf Monate haben den Zweifel genährt, ob sie es weiter kann. Sagt sie am Sonntag, dass sie es versuchen will, müsste mehr vermittelt werden als ein „Weiter so“. Merkels innerparteiliche Alternativlosigkeit hat auch mit dem Opportunismus in der CDU zu tun.
Kritik an der „Chefin“ gibt es nur mehr an der Peripherie. Als Parteichefin hat sie der letzten verbliebenen Volkspartei zu viele Kräfte geraubt. Vielleicht macht es ja auch Sinn, als Spitzenkandidatin anzutreten und die Führung der Partei danach abzugeben.