Die Wohnungswirtschaft macht Front gegen eine weitere Verschärfung der Dämmvorschriften für Wohngebäude. Noch striktere Regeln würden die Kosten für Bauherren und damit auch für Mieter in die Höhe treiben, ohne dass damit ein entsprechender Umweltnutzen verbunden sei, sagte Alexander Rychter, Chef des Verbands der Wohnungswirtschaft (VdW).

„Die Politik muss jetzt unbedingt alle Gesetzesänderungen vermeiden, die dazu geeignet sind, den Mietwohnungsbau noch teurer zu machen“, forderte Rychter in Düsseldorf. „Wir befinden uns da in einer Sackgasse“. Statt nur immer dickere Schichten Isoliermaterial aufzutragen, müsse moderne Heiz- und Klimatechnik stärker einbezogen werden.

Schon in den letzten Jahren haben die Baukosten erheblich angezogen. Dieselbe Investitionssumme, die zur Jahrtausendwende noch für den Bau von 100 Wohnungen ausreichte, langt laut VdW jetzt nur noch für 78 Wohnungen. Der Bau eines Mehrfamilienhauses kostete im vergangenen Jahr nach Branchenangaben im Schnitt 2788 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. Der Großteil der Verteuerung gehe auf das Konto des Staates, lasten Lobbyisten wie Rychter der Politik an.

Umweltorganisationen verweisen dagegen darauf, dass das selbst gesetzte Ziel der Bundesregierung, bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand in Deutschland zu erreichen, ohne schärfere Vorschriften nicht erreicht werden könne.

Nicht nur Dämmvorschriften treiben die Baukosten hoch

So ist die Energieeinsparverordnung (EnEV), in der unter anderem die Dämmvorschriften für Neubauten festgelegt sind, seit der Jahrtausendwende vier Mal verschärft worden. Allein das hat die Kosten nach Zahlen des Bundesverbands der Wohnungsunternehmen (GdW) seit dem Jahr 2000 um 6,5 Prozent nach oben getrieben.

Eine weitere Novelle ist auf dem Weg. Allerdings rechnen Branchenkenner damit, dass sie in der laufenden Regierungszeit nur noch für Behördengebäude in Kraft tritt, nicht aber mehr für den allgemeinen Wohnungsmarkt.

Eine weitere Verschärfung der Dämmvorschriften würde laut Kritikern die Kosten für Bauherren und Mieter noch mehr in die Höhe treiben

Eine weitere Verschärfung der Dämmvorschriften würde laut Kritikern die Kosten für Bauherren und Mieter noch mehr in die Höhe treiben

Quelle: Getty Images/Brand X

Doch schärfere Dämmvorschriften sind nicht der einzige Kostentreiber. Viele Städte kämen mit der Erstellung von Bauplänen und mit der Vergabe von Baugenehmigungen nur langsam voran, beklagte Rychter. Auch durch die teils jahrelangen Verzögerungen stiegen die Baukosten.

Ein Übriges tue die Anhebung von Grunderwerbssteuern und Grundsteuern. Hinzu komme ein wachsender Widerstand von Bürgern: „Uns macht es Sorge, dass sich gegen nahezu jedes Neubauprojekt Akteure finden, die Gründe aufführen, warum es gerade dieses Projekt nicht geben darf.“

Allerdings verlangen auch die Baufirmen für ihre Leistungen mehr Geld als früher. Allein im vergangenen Jahr kletterten die Baupreise nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 1,6 Prozent – „gegensätzlich zum allgemein eher rückläufigen Preistrend in der Industrie“, wie es heißt.

Politiker wollen wieder Einfluss auf Wohnungsmarkt

„Wohnen ist zu teuer geworden“, sagte Rychter. Nach eine Analyse des Kölner IW-Instituts lag die Mietpreissteigerung für Geschosswohnungen im Bestand beispielsweise in Hamburg bei elf Prozent seit dem Jahr 2010, in München bei zwölf Prozent und in Berlin sogar bei 23 Prozent.

Der VdW versteht sich als Verband, der sich für „bezahlbares Wohnen“ einsetzt. Orientierungsgröße sei, dass die gesamten Wohnkosten ein Drittel der verfügbaren Einkommen nicht überschreiten sollten, so der Verbandschef. Die Mitgliedsunternehmen, hervorgegangen aus den ehemals gemeinnützigen Gesellschaften, vermieten rund eine Million Wohnungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, die mit durchschnittlich 5,25 Euro monatliche Kaltmiete nach eigenen Angaben um mehr als einen Euro unter dem Durchschnitt in der Region liegen.

Mit diesen Tricks wird die Mietpreisbremse umgangen

Wer in größeren Städten eine Wohnung sucht, bekommt von der Mietpreisbremse wenig zu spüren. In zwei von drei Fällen liegt die Miete deutlich über dem Spiegel. Dabei ziehen Vermieter alle Register.

Quelle: Die Welt

Nach einer Welle das Ausstiegs von Städten und Gemeinden beobachtet der Verband nun wieder Ansätze für eine Renaissance des kommunalen Wohnungsbaus. In 15 Städten und Kreisen am Westrand Deutschlands werde derzeit eine Neugründung ausgelotet, darunter im Rheinkreis Neuss und in der Stadt Castrop-Rauxel. Zu einer konkreten Gründung sei es jedoch noch nicht gekommen.

Die Kommunalpolitiker wollen Einfluss auf die Entwicklung des örtlichen Wohnungsmarkts zurückgewinnen. „Ein kommunales Wohnungsunternehmen kann ein wichtiges Steuerungselement sein, um den Wohnungsmarkt entsprechend der Wohnraumnachfrage in allen Preissegmenten zu gestalten“, sagte etwa der Landrat des Rheinkreises, Hans-Jürgen Petrauschke. Wegen der hohen Grundstückspreise neigten private Investoren eher dazu, „in höheren Preissegmenten zu bauen“.

Firmen kommen mit dem Wohnungsbau kaum nach

Die Schere zwischen begehrten Städten und Ballungsregionen und schrumpfenden Regionen geht nach Beobachtung Rychters immer weiter auseinander. In den Lieblingswohnorten kommen die Firmen mit dem Wohnungsbau kaum nach.

Im laufenden Jahr werden nach Einschätzung des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie bundesweit 270.000 Wohnungen neu gebaut, etwa neun Prozent mehr als im Jahr zuvor. Dies entspricht etwa dem vom IW-Institut ermittelten Baubedarf für den Zeitraum 2015 bis 2020. Berücksichtige man zusätzlich die niedrigen Neubauzahlen der letzten Jahre, so sei auch ein kurzzeitiger Anstieg auf 300.000 Wohneinheiten möglich.

Seine Umsatzprognose für 2016 im Wohnungsbau hatte der Bauhauptverband erst Ende vergangener Woche von plus sechs Prozent auf plus acht Prozent angehoben. „Vor allem die Wanderungsbewegungen innerhalb Deutschlands in die Ballungszentren, aber auch die niedrigen Zinsen und die Zuwanderung haben den Wohnungsbau beflügelt“, sagte Bauindustrie-Verbandspräsident Peter Hübner.

https://www.welt.de/finanzen/immobilien/article158387573/Der-deutsche-Daemmwahn-stoesst-an-seine-Grenzen.html