Die Turbulenzen der Euro-Krise sind ausgestanden. Könnte man denken. Denn ein kleiner Schock droht die brüchige Stabilität zu zerstören. Eine Rating-Agentur könnte auf einen Schlag alles verändern.

Ein Urteil bedroht die Stabilität des Kontinents
Die Ratingagentur DBRS entscheidet, ob sie portugiesische Anleihen auf Ramschniveau herabstuft. Die EZB darf bei ihren Rettungsbemühungen aber nur Bonds kaufen, die als sehr kreditwürdig eingestuft sind. Droht die nächste Euro-Krise?
Quelle: Die Welt

 

Europas Krisenmanager schauen derzeit in die falsche Richtung. Während Brüssel nach Osten blickt, wo die Verhandlungen mit Griechenland mal wieder feststecken und den Hellenen spätestens im Sommer das Geld ausgeht, droht ein Wiederaufflackern der Schuldenkrise nun im Westen der Währungsunion.

Ausgerechnet die allenfalls Experten bekannte kleine Ratingagentur DBRS könnte den Zündfunken liefern: Die Kanadier entscheiden am Freitag mit ihrer Bewertung der Bonität Portugals darüber, ob das hoch verschuldete Land aus dem Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) herausfällt und damit von einer wichtigen Lebensader abgeschnitten wird. Sollten die Bonitätsprüfer den Daumen senken, dürften sich die Märkte auf das Land stürzen und womöglich auch die wackelige Regierung zu Fall bringen. Eine neue Euro-Krise wäre die Folge.

Die EZB darf nur Staatsanleihen von Ländern mit hoher Kreditwürdigkeit – im Fachjargon „Investment Grade” genannt – kaufen. Die EZB folgt einer einfachen Regel. Das jeweils beste Rating wird zur Beurteilung eines Wertpapiers herangezogen. Nur die wenigsten wissen, dass hierfür nicht nur die Noten der drei Großen – S&P, Moody’s und Fitch – genommen werden, sondern auch die der Nischenagentur DBRS. Bei den Kanadiern gilt Portugal gerade noch als investierbar, während die drei Konkurrenten in Lissabon keinen soliden Schuldner mehr sehen und die Anleihen mit „Schrott” bewerten.

Am Freitag könnte DBRS nachziehen. Gründe für ein Rating-Cut gäbe es zahlreiche. Portugal gehört mit einer Schuldenquote von 130 Prozent zu den unsolidesten Ländern der Währungsunion. Lediglich in Griechenland und Italien sind die Quoten noch höher. Auch die politische Situation im Land ist alles andere als stabil.

Abkehr vom Sparkurs

Nachdem die Wahlen im vergangenen Oktober kein eindeutiges Ergebnis gebracht hatten, schmiedete der Sozialist António Costa ein historisches Bündnis mit allen linken Kräften, um im Parlament eine Mehrheit für seine Minderheitsregierung zu bekommen. Der gemeinsame Nenner der bunten Truppe ist eine Abkehr vom Sparkurs der vergangenen Jahre. Und die neue Regierung legte sich mit ihrem Haushalt auch gleich mit der EU-Kommission an. Inzwischen ist der Streit jedoch beigelegt.

DBRS hatte in seiner Rating-Entscheidung im Februar indirekt ein gutes Verhältnis zwischen Lissabon und Brüssel als Voraussetzung dafür genannt, dass das Land weiter seine Investmentqualität behält. Auch ein Zurückdrehen der Reformen könnte die Bonität beeinträchtigen, hatten die Experten gewarnt. Wegen seines hohen Schuldenstandes habe Portugal wenig Spielraum und sei anfällig für Schocks. Auch das niedrige Wachstum stehe einem guten Rating womöglich im Weg.

In den vergangenen Quartalen hat sich die Dynamik deutlich abgeschwächt. Nach 1,5 Prozent im zweiten Quartal 2015 wuchs die Wirtschaft im dritten Quartal nur noch um 1,4 Prozent und im vierten um 1,3 Prozent. Für die ersten drei Monate des laufenden Jahres rechnen die Experten nach einer Umfrage des Datenanbieters Bloomberg lediglich noch mit 1,2 Prozent.

Gleichzeitig ist auch das Finanzsystem äußerst anfällig für Schocks. Es existiert eine gefährliche Abhängigkeit von den Staatsfinanzen des Landes. Nach Berechnungen von Bloomberg haben die Banken im Durchschnitt fast zwölf Prozent ihrer Bilanzsumme in portugiesischen Anleihen investiert. Damit wird die Rating-Entscheidung von DBRS noch brisanter, könnte doch ein Downgrade auf den Bankensektor übergreifen.

Selbst China ist skeptisch

Fallende Staatsanleihen würden die Banken schwächen, und strauchelnde Kreditinstitute würden wiederum die Bonität des Staates weiter gefährden. Ohnehin leiden die Kreditinstitute unter Kreditausfällen. Das Volumen an faulen Firmenkrediten beträgt schon jetzt mehr als 13 Milliarden, jeder sechste verliehene Euro ist notleidend.

Die meisten Experten rechnen nicht damit, dass DBRS das Land fallen lässt. Zwar ist das Rating nur noch eine Stufe über „Schrott”, allerdings wurde der Ausblick im Februar auf „stabil” belassen.

Die Ratingagentur hat einen Ruf, gnädiger mit den Peripherie-Staaten zu sein, viele frotzeln auch, dies sei Teil des Geschäftsmodells, weil die Bonitätsprüfer von den Schuldnern in der Regel beauftragt und auch bezahlt werden. So ist DBRS die einzige Agentur, die Spanien und Italien mit einem A-Rating versehen hat.

Auffällig bei Portugal wiederum ist, dass selbst die chinesische Konkurrenz von Dagong das Land äußerst pessimistisch einstuft. Vor diesem Hintergrund sei es noch nicht ausgemacht, dass DBRS der Regierung in Lissabon weiter die nötige Bonität bescheinige, warnt Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen: „Portugal ist weiter ein Risikokandidat.”

Drei Prozentpunkte über Deutschland

Die Teilnahme am EZB-Programm biete eine gewisse Sicherheit, dass die Investoren dem Land trotz der von der Linksregierung eingeleiteten Abkehr vom Sparkurs die Stange hielten: „Wenn da etwas ins Wackeln gerät, kann Unruhe an den Märkten entstehen.”

Tatsächlich dürften die Kosten für die portugiesischen Schulden unmittelbar nach einem Rating-Cut in die Höhe schießen. Denn nur dank der EZB-Käufe liegen die Renditen der zehnjährigen mit 3,1 Prozent nur drei Prozentpunkte über deutschen Anleihen.

Griechische Papiere, die sich nicht für EZB-Käufe qualifizieren, rentieren dagegen mit 8,6 Prozent. Diese Kluft dürfte sich schließen. Auch Schuldtitel aus Zypern, die ebenfalls nicht von der EZB gekauft werden können, werfen mit vier Prozent deutlich mehr ab als portugiesische.

Zwar könnte die EZB kurzfristig die Regeln für die Anleihe-Aufkäufe ändern, allerdings würden dann Griechenland und Zypern umgehend ähnliche Ausnahmen einfordern. Und das dürfte insbesondere Proteste in Deutschland auslösen. Schließlich haftet Berlin für einen Teil der aufgekauften Staatsanleihen.

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